Tennis in Hamburg:Der Exzentriker schläft

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John McEnroe der Neuzeit? Fabio Fognini pfeffert jedenfalls am Hamburger Rotherbaum mal beherzt den Schläger weg. (Foto: Daniel Reinhardt/AFP)

Am Rothenbaum kommt es zum Finale zwischen Publikumsliebling Rafael Nadal und Italiener Fabio Fognini. Der gilt als McEnroe der Neuzeit.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Ob der Italiener Fabio Fognini es wirklich ernst meinte, als er nach dem 6:2, 7:6 (7:2) gegen den französischen Qualifikanten Lucas Poille, 21, sagte, er gehe jetzt - am Nachmittag - schlafen, anstatt sich das andere Halbfinale beim ATP-Turnier am Rothenbaum zwischen Favorit Rafael Nadal und Andrea Seppi anzusehen? Er selbst, der vor zwei Jahren das Hamburger Turnier gegen den Argentinier Federico Delbonis gewonnen hatte, war aber einigermaßen zufrieden mit seinem schwer erkämpften Sieg über den Newcomer aus der Nähe von Calais. So schwer hatte es sein Finalgegner für den Sonntag (13 Uhr, Eurosport) nicht. Nadal, zuletzt von langwierigen Verletzungssorgen und einem schweren Tief geplagt, fand es nach dem 6:1, 6:2 über den Italiener Seppi "großartig", nach sieben Jahren "wieder hier zu sein" und zum dritten Mal in Hamburg im Endspiel zu stehen.

In der Auszeit nimmt Nadal eine Schmerztablette

Nach einer Niederlage gegen Roger Federer 2007 hatte er ein Jahr später Revanche genommen. Schon am Freitag hatte er gegen den Uruguayer Pablo Cuevas erstmals wieder seine alte Klasse aufblitzen lassen. Was Fognini hätte sehen können: Dass der zu Beginn des Turniers durch etliche Misserfolge noch sehr unsichere Nadal mit einer ganz anderen Körpersprache den Platz betrat. Vielleicht auch, weil endlich die Sonne schien. "Bis Donnerstag habe ich gedacht, was machen die Leute hier. Warum sind sie nicht auf Mallorca?", scherzte der Mallorquiner nach dem Sieg.

Rothenbaum-Direktor Michael Stich, der unter dem frühen Ausscheiden der drei Deutschen Alexander Zverev, Philipp Kohlschreiber und Florian Mayer litt, hat also doch noch sein Wunschfinale bekommen. Wobei es noch einen Moment des Schreckens gab. Beim Stand von 6:1, 2:0 nahm Nadal eine Auszeit und beorderte seinen Physiotherapeuten zur Bank. Ein Muskel in der Rippengegend fühlte sich hart an. Mit einer Schmerztablette machte er dann weiter, als sei nichts geschehen. Doch gegen seine vielen Topspins hatte Seppi, der das Viertelfinale nicht spielen musste, weil Simone Bolelli mit Magen-Darm-Problemen ausfiel, kein Gegenmittel. Vielleicht fehlte ihm auch wegen ausgefallenen Spiels der Rhythmus.

Fognini bedroht Offizielle und beschimpft die Gegner

Es könnte in der Tat ein aufregendes Finale werden. Nicht nur wegen Nadals ansteigender Form, sondern auch, weil der oft aufbrausende Fognini, 28, sozusagen der Ilie Nastase oder John McEnroe der Neuzeit ist. Schon beim Sieg in Hamburg vor zwei Jahren hatte er der Exzentriker seinen Schläger ein paar Mal zu Boden geworfen und sich mit dem Schiedsrichter angelegt, weshalb das Publikum weitgehend zum Gegner hielt. Doch die Liste seiner Entgleisungen ist lang, besonders jene von 2014. In Wimbledon bedrohte er Offizielle und reklamierte, er sei benachteiligt worden, weshalb er mit 27.500 Pfund Strafe belegt wurde. Den serbischen Gegner Filip Krajinovic beschimpfte er als "Zingaro di merda", was "Scheiß-Zigeuner" bedeutet. In Schanghai verweigerte er seinem Gegner Wang Chuhan den Handschlag am Netz, schubste ihn statt dessen und zeigte den Zuschauern den Mittelfinger, was mit 2000 US-Dollar geahndet wurde.

Am Samstag in Hamburg hatte er sich dagegen gut im Griff - was wohl auch mit der relativ leichten Aufgabe gegen das französische Talent zu tun hatte, der bisher nur mit Wildcards an Turnieren teilnehmen darf. Nur einmal entglitt Fognini der Schläger, weil er mit sich selbst nicht zufrieden war. Die Hamburger dagegen werden wohl am Sonntag auf Nadals Seite stehen. Nach seinem Sieg über Seppi schwappte die Welle der Begeisterung durch das mit 7500 Zuschauern gefüllte Areal. Und auch Michael Stich schaute durchaus zufrieden.

© SZ vom 01.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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