Rücktritt bei 1860 München:Poschner hinterlässt Rätsel

1860 München - Gerhard Poschner

Rätselhaftes Ende bei 1860 München: Gerhard Poschner (Archivbild).

(Foto: dpa)

Sportdirektor Gerhard Poschner kündigt beim TSV 1860 München - außerordentlich und fristlos. Das dürfte ein juristisches Nachspiel haben.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Mit einem kleinen Rätsel war Gerhard Poschner als Geschäftsführer Sport einst angetreten beim TSV 1860 München. Und mit einem etwas größeren Rätsel ist er am Donnerstag beim Fußball-Zweitligisten wieder abgetreten. Möglicherweise als Sportdirektor. Der Fall könnte die Anwälte noch beschäftigen.

Es sei ja gerade "der Sinn und Zweck, dass kaum einer weiß, was ich genau gemacht habe", sagte Poschner, angesprochen auf seine Vergangenheit als Spielervermittler, im April 2014, als ihn die Vereinsverantwortlichen in einem gewaltigen Konferenzsaal im Renaissance-Stil unweit des Stachus als neuen Sportchef präsentierten. Mit Poschner sollte mal wieder alles anders werden beim traurigen Löwen. Endgültig! Diesmal wirklich! Mit Gerhard Poschner, der von spanischem Ballbesitzfußball in der zweiten Liga schwärmte, wollte der Klub "Kontinuität schaffen", wie der damalige Präsident Gerhard Mayrhofer prophezeite.

15 Monate später war das Verhältnis zwischen Verein und Poschner so zerrüttet, dass es beide Seiten nicht einmal fertig brachten, eine von beiden Seiten ersehnte Trennung in nur eine Pressemitteilung zu packen. "Liebe Medienvertreter", schrieb Poschner am Vormittag in einem Offenen Brief an so manchen lieben Medienvertreter: "Nachstehend darf ich Sie informieren, dass ich meinen Vertrag mit 1860 außerordentlich fristlos gekündigt habe."

Gekündigt: okay. Aber außerordentlich? Und fristlos?

Im arbeitsrechtlichen Bereich sind hochinteressante Dinge geschehen beim TSV 1860

Ein letztes Rätsel zum Abschied. Denn für eine außerordentliche Kündigung ist im Gegensatz zur ordentlichen Kündigung ein Kündigungsgrund erforderlich. Es muss sogar einen schwerwiegenden Grund für die sofortige Beendigung eines Arbeitsverhältnisses geben - im BGB, § 628 (2), heißt es: "Wird die Kündigung durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teiles veranlasst, so ist dieser zum Ersatz des durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet." Der Grund, der eine Klage nachziehen könnte, muss so wichtig sein, dass es dem Kündigenden nicht mehr zumutbar ist, eine mögliche Kündigungsfrist abzuwarten. Er habe in einer "belasteten Beziehung zu der Vereinsführung" gelebt, schreibt Poschner daher, "die nicht von mir zu vertreten ist". Und genau so musste er das wohl auch schreiben. Denn würde ein wichtiger Grund fehlen, wäre die Kündigung wohl unwirksam.

Nur will ja bei Sechzig jeder, dass Poschners Kündigung wirksam ist. Präsident Siegfried Schneider begrüßte die Entscheidung, erklärte allerdings, sie komme "acht Wochen zu spät". Die ganze Angelegenheit dürfte also auf eine außergerichtliche Einigung hinaus laufen. Dass Poschner gänzlich auf seine ausstehenden Gehälter in Höhe von fast 500 000 Euro für zwei weitere Jahre verzichten wird, darf sicher als unwahrscheinlich erachtet werden. "Damit ist eine Entscheidung gefallen. Wir machen jetzt einen Punkt hinter diese Angelegenheit", schrieb der Verein kurz darauf in einer äußerst knappen Mitteilung - die übrigens auch im Namen von Mitgesellschafter Hasan Ismaik verfasst war, dessen Münchner Anwälte es waren, die nach SZ-Informationen zuletzt mit Poschner in Kontakt standen.

Nun muss einer nicht über die Vorhersehungskünste des Propheten Jahasiel verfügen, um zu erahnen, welche Gründe, "die der Geschäftsleitung bekannt sind", wie Poschner schreibt, er in seiner Klage wohl anführen mag. Wenn schon nicht im sportlichen Bereich, so sind in den vergangenen Wochen zumindest im arbeitsrechtlichen Bereich hochinteressante Dinge geschehen beim TSV 1860 München. Zu beobachten waren ungewöhnliche Verhaltensmuster, die aus Poschners Sicht gewirkt haben dürften wie Piesackerei. Übergangspräsident Siegfried Schneider und der neue Verwaltungsratchef Karl-Christian Bay schnürten recht unstrittig ein hübsches Paket an Maßnahmen, um Poschners Arbeit zu kontrollieren und zu reglementieren.

Necat Aygün als Nachfolger

Zunächst schuf Schneider einen Beirat um die Altlöwen Karsten Wettberg, Peter Grosser und Thomas Miller, um sich von ihnen eine Zweit-, Dritt- oder Viertmeinung über alle Transfervorhaben Poschners einzuholen. Damit war zugleich eine potenzielle zweite, dritte und vierte undichte Stelle geschaffen, an denen Informationen über Wunschspieler durchsickern konnten. Daraufhin flog Bay zu Ismaik nach Abu Dhabi, um kurz vor der Mitgliederversammlung mit einem überraschenden Kompromiss in der Causa Poschner zurückzukehren, den nach SZ-Informationen Ismaik persönlich vorschlug: Poschner, ausgestattet mit einem Arbeitsvertrag als Geschäftsführer Sport, wurde degradiert zum Sportdirektor. An seine Stelle rückte Noor Basha, Ismaiks Cousin und Statthalter in München.

Die Bestellung Aygüns folgt dem Trend: Investiert wird kaum noch, das Geld fließt nach Abu Dhabi

Die Degradierung wurde mündlich verkündet, ein neues Arbeitspapier nicht erstellt. Poschner erfuhr von den hierarchischen Verschiebungen zu seinen Ungunsten wenige Tage vor der Versammlung. Was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste: dass Schneider auf der Versammlung den Mitgliedern verkünden würde, dass sich die Vereinsvertreter mit Ismaik darauf geeinigt hatten, dass Poschner eine dreimonatige Bewährungszeit eingeräumt werden würde. Solche Probezeiten, das könnte Poschner nun argumentieren, sind üblich zu Beginn eines Anstellungsverhältnisses. Ansonsten wäre die Probezeit eine Galgenfrist.

Auch könnte Poschner wohl klagen, dass es nicht rechtens war, einen potenziellen neuen Vertragsinhalt wie eine Probezeit öffentlich zu machen. Kein Zufall ist sicher, dass sich Poschner seit der Mitgliederversammlung nicht mehr geäußert hat. Er nahm sich einen Anwalt. Und schwieg.

Poschners Nachfolge tritt nun vorübergehend Necat Aygün an. Der 35-jährige ehemalige Innenverteidiger, der zuletzt als Scout bei den Löwen beschäftigt war, soll "bis auf Weiteres" die Aufgaben des Sportdirektors, "insbesondere in Bezug auf die Kaderplanung", übernehmen, hieß es. Aygün ist eine interne Lösung, die dem grundsätzlichen Trend bei Sechzig folgt: Investiert wird so gut wie gar nicht mehr. Die Erlöse aus Spielerverkäufen (Bobby Wood, Julian Weigl, Martin Angha) fließen zurück nach Abu Dhabi. Aber kaum in den Kader.

Was bleibt von Poschner? Von 13 Zugängen, die er in der vergangenen Saison verpflichtete, sind noch sieben da - vier weg, zwei freigestellt, um sich in Spanien nach Klubs umzusehen; die Zweifel mehren sich, ob der Verein derzeit über eine zweitligataugliche Mannschaft verfügt.

Es sei der Sinn und Zweck, dass kaum einer weiß, was er genau gemacht habe, hatte Poschner zum Antritt verkündet. Das lässt sich von seiner Zeit beim TSV 1860 nun auch behaupten.

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