Türkei:Justiz geht gegen kurdischen Politiker vor

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Die türkische Staatsanwaltschaft will gegen Selahattin Demirtaş, den Chef der pro-kurdischen Partei HDP, ermitteln.

Von Mike Szymanski, Istanbul

Inmitten der neu aufgeflammten Kämpfe der türkischen Regierung gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK geht die Justiz nun offenbar auch gegen die parlamentarische Vertretung der Kurden vor, die pro-kurdische HDP. Die Staatsanwaltschaft in Diyarbakır will nach übereinstimmenden Berichten türkischer Medien gegen den Parteivorsitzenden Selahattin Demirtaş ermitteln. Der Vorwurf lautet, Demirtaş habe Bevölkerungsteile zur Bewaffnung provoziert und gegeneinander aufgewiegelt.

Nach Angaben des Senders CNN Türk handle es sich im Moment noch um eine Voruntersuchung. Falls die Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis komme, dass eine Straftat vorliegt, werde sie das Parlament bitten, seine Immunität aufzuheben. Sollte es zur Anklage kommen, drohten Demirtas 24 Jahre Haft.

Erst vor wenigen Tagen hatte Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan gefordert, den HDP-Abgeordneten die Immunität zu nehmen. Wer Verbindungen zu Terroristen unterhalte, müsse den "Preis dafür zahlen", hatte Erdoğan erklärt. In der HDP wird dies als Versuch gewertet, die Partei vor möglichen Neuwahlen zu schwächen. Den Friedensprozess mit den Kurden hatte Erdoğan auch aufgekündigt. Die HDP-Abgeordnete Feleknas Uca sagte der Süddeutschen Zeitung: "Das ist keine Drohkulisse. Das ist Rachepolitik der AKP." Bei der Wahl Anfang Juni hatte die HDP mit 13 Prozent überraschend deutlich den Einzug ins Parlament geschafft. Der Erfolg ging maßgeblich auf den charismatischen Demirtaş zurück. Erdoğan und die von ihm gegründete AKP verloren die absolute Mehrheit. Die Suche nach einem Koalitionspartner stockt. Neuwahlen im Herbst erscheinen wahrscheinlich. Sollte die HDP mit Gewalt der PKK in Verbindung gebracht werden, dürfte ihr dies erheblich schaden.

Gegen den Parteivorsitzenden Demirtaş werden derzeit noch andere Klagen vorbereitet, heißt es in türkischen Medien. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Diyarbakır beziehen sich offenbar auf den vergangenen Herbst. Damals hatten Kurden im syrischen Grenzgebiet gegen die Milizen des Islamischen Staates um die Stadt Kobanê gekämpft. Als die türkische Regierung Unterstützung für die kurdischen Kämpfer zunächst verweigert hatte, war es zu schweren Unruhen in der Türkei gekommen.

© SZ vom 31.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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