Unfall von Kira Grünberg:Tragödie, die sprachlos macht

ATHLETICS EAA European Athletics Championships 2014 Zürich SWITZERLAND 14 AUG 14 ATHLETICS EAA

Ihr Schicksal bewegt: Kira Grünberg ist nach einem Trainingsunfall querschnittsgelähmt.

(Foto: imago/GEPA pictures)

Die Stabhochspringerin Kira Grünberg ist nach einem Trainingsunfall querschnittsgelähmt. Wenn wir Zuschauer aus diesem Unglück überhaupt etwas lernen können, dann ist es Empathie für junge Athleten.

Kommentar von Thomas Hahn

Dann kommt diese Meldung aus Österreich, und es ist, als haue jemand mit der Faust auf den Plattenspieler. Dpa, 10.45 Uhr: "Stabhochsprung-Hoffnung Kira Grünberg ist nach einem Trainingsunfall querschnittsgelähmt." Gerade kamen noch die neuesten Transfer-Börsennachrichten über den Ticker, Golf-Zahlen aus Gainesville, Tennis-Ergebnisse aus Atlanta, Sport-Smalltalk. Es lief die tägliche Show der tröstlichen Nebensächlichkeiten.

Bis diese andere Wirklichkeit hineinplatzte ins annehmliche Kunstwelt-Leben. Und jetzt steht man da, weit weg von diesem Unglück, das ein junges Leben für immer verändert, und versucht ein paar Worte zu sammeln, die - ja was eigentlich?

Im ersten Augenblick gibt es nicht viel zu lernen aus einem Unfall wie diesem. Kluge Verbesserungsvorschläge verbieten sich - auch weil man noch zu wenig weiß. In den Berichten heißt es, Kira Grünberg sei beim Training am Donnerstag in Innsbruck aus großer Höhe kopfüber in den Einstichkasten gestürzt. Es gibt laut Polizei keine Hinweise darauf, dass an der Anlage etwas nicht gestimmt habe oder ein Fremdverschulden vorlag. Wahrscheinlich hätte auch ein Helm nicht verhindert, dass Kira Grünberg sich beim Sturz die Wirbelsäule brach.

Man kann im Grunde nur innehalten

Es bringt in diesem Fall wohl nicht einmal was, über das gnadenlose Sportgeschäft zu philosophieren, das junge Leute in unwägbare Höhen zwinge. Kira Grünberg, 21, bewegte sich nicht auf unwägbaren Höhen. Sie ist Österreichs Rekordhalterin mit 4,45 Metern, eine WM-Kandidatin, die mit Turnnachhilfe beim früheren Reck-Weltmeister Fabian Hambüchen ihren Sprungstil verfeinern wollte. Sie beherrschte die technisch schwierigste Übung der Leichtathletik. Sie kannte den Luftraum über der Matte, keiner hätte sie auf dem Boden halten können.

In den ersten Augenblicken nach einem solchen Unglück kann man im Grunde nur innehalten. Traurig sein. Respektieren, dass die Eltern gerade Ruhe vor Nachfragen haben wollen. Froh sein, dass die Notfall-Operation an der Universitätsklinik Innsbruck geglückt ist, bei der es laut Kira Grünbergs Manager Thomas Herzog wegen der schweren Verletzungen in erster Linie darum ging, das Leben der Sportlerin zu retten.

Der frühere Bundestrainer Herbert Czingon hat auf dpa-Anfrage gesagt: "Vielleicht führt dieser furchtbare Fall zu der Entwicklung, die Härte oder die Beschaffenheit des Einstiegskastens zu überdenken." Ja, vielleicht. Aber letztlich wird der Einstichkasten immer irgendwie hart sein müssen, sonst finden die Stabhochspringer darin keinen Halt. Czingon sagt selbst: "100-prozentige Sicherheit kann es beim Stabhochsprung leider nie geben."

Aber irgendwas muss man ja doch sagen, wenn so ein Unglück passiert ist, damit wir im Fluss der Nebensächlichkeiten nicht über die echten Tragödien hinweggehen. Damit zumindest ein Bewusstsein dafür zurückbleibt, was diese jungen Menschen tun, die im Leichtathletikstadion meterhohe Latten überwinden oder beim Skispringen sekundenlang durch die Luft fliegen. In der schönen, prallen Kunstwelt des Sports haben die Akteure jeden Tag aufs Neue mit einem sehr realen Risiko umzugehen, das keiner in Medaillen aufwiegen kann.

Diese Leute setzen sich Kräften aus, die selbst der größte Könner nicht immer kontrollieren kann. Es hat schon Siegertypen gegeben, die bei einem schweren Unfall zwar nur leichte Verletzungen davontrugen, aber nach dieser Erfahrung nicht mehr in ihre Karriere zurückfanden, weil sie es nicht mehr schafften, sich auf das Risiko einzulassen. Und es darf uns Zuschauern nicht passieren, dass wir diesen Siegertypen ihre Ängste als Schwäche auslegen.

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