Pep Guardiola in München:Believe me, Bayern

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  • Ist das noch eine Bayern-Mannschaft? Die Frage, wer der FC Bayern ist, treibt die Menschen in München gerade um.
  • Beim Verein und bei Trainer Pep Guardiola häufen sich die Andeutungen, die auf eine Trennung zum Saisonende schließen lassen.

Von Christof Kneer

Rein theoretisch könnte es sein, dass Pep Guardiola den FC Bayern demnächst mal so aufstellt: Manuel Neuer im Tor (an Neuer kommt ja kein Mensch vorbei), davor eine Abwehr, die aus Rafinha, Benatia und Dante besteht, und davor ein Mittelfeld mit Martinez, Alonso, Thiago und Vidal. Auf den Flügeln wären Douglas Costa und Bernat vorstellbar, und im Angriff könnte Guardiola dann unter all den der zur Verfügung stehenden Mittelstürmern auswählen (Lewandowski oder Lewandowski). Diese Elf wäre gut genug, um am 15. Spieltag, wenn der Vorsprung auf die Verfolger erst elf Punkte beträgt, ein Bundesligaspiel mit 4:0 zu gewinnen.

Die Fans würden so ein 4:0 bestimmt bejubeln. Aber würden sie auch das Gefühl haben, einer Bayern-Mannschaft beim Siegen zugeschaut zu haben?

Die Frage, wer der FC Bayern ist, treibt die Menschen in München gerade um, das ist erstaunlich, weil die Bayern doch meistens genau dafür bewundert werden: dass sie wissen, wer sie sind. Ein pumperl'gsunder Klub, der mit seinen Führungsspielern drei Weißbier darauf trinkt, dass ihm die Preiß'n die Pest, ein paar Kreuzbandrisse sowie einen Haufen verlorene Elfmeterschießen an den Hals wünschen. Bei diesem Verein hing kürzlich ein Plakat an der Geschäftsstelle, auf dem stand: "Pep und Sklave KHR: Ihr zerstört unsere Identität." Für alle Preiß'n: Pep ist Pep. Und KHR ist Karl-Heinz Rummenigge.

Dieser Verein hat am Freitag eine Pressekonferenz abgehalten, reine Routine eigentlich, die Bayern machen das immer vor einem Spiel. Das Spiel ist diesmal der Supercup, der Pokalsieger VfL Wolfsburg empfängt am Samstagabend den Meister aus München zum Saisonprolog, aber die reine Routine sah diesmal so aus, dass Guardiola sehr lange, überwiegend deutsch klingende Sätze aneinanderreihte, dass er mit dem Zeigefinger fuchtelte und ungefähr so aufgedreht wirkte wie beim Coachen an der Seitenlinie. Es ging in dieser Pressekonferenz nur sehr am Rande darum, ob Robben oder Vidal mitspielen werden (Robben: wahrscheinlich, Vidal: weiß man nicht); auch die Frage nach den Verletzten (Ribéry, Badstuber, Martinez, Dante) stellten die Reporter mehr aus lästiger Gewohnheit als aus wirklichem Interesse.

In Wahrheit ging es in dieser Pressekonferenz um mindestens alles. Um Pep Guardiola, den FC Bayern, das Leben, das Universum und den ganzen Rest.

"Bayern München bleibt für die nächsten 100 Jahre ein deutscher Verein, keine Angst, Jungs!", sagte Guardiola an einer Stelle, und ein andermal rief er: "Listen, ich werde nie, nie ein Problem für Bayern München sein, nie. Believe me!"

In diesen prächtigen Sätzen stecken präzise jene beiden Debatten, die der FC Bayern gerade aushalten muss. Debatte eins: Wie viel Identität hat unser stolzer Mia-san-mia-Verein noch, wenn die halbe Mannschaft Spanisch spricht und der eingeborene Schweinsteiger Basti in einem fernen Land auf der Ersatzbank sitzt? Debatte zwei: Wie kann es eigentlich sein, dass unser stolzer Klub sich von einem spanischen Trainer die Transfers diktieren lässt, und dann ziert sich dieser Trainer sogar noch, seinen Vertrag zu verlängern?

Das Problem an den Debatten ist, dass wie so oft alles mit allem vermischt wird, und am Ende der Durchmischerei kommt ein Zungenschlag heraus, der Trainer und Klub durchaus Unrecht tut. Zugespitzt klingt das dann so: Pep ist schuld, dass Schweinsteiger geht. KHR ist schuld, dass Pep das darf. Und beide sind schuld, dass der Wunderdoktor Müller-Wohlfahrt nicht mehr übers Feld galoppiert, obwohl er seit Jahren täglich jünger wird.

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"Eine Scheindiskussion" sei das, sagt dazu der Sportvorstand Matthias Sammer, und der Vorwurf, dass der Trainer sich eine Elf nach seinem Ebenbild baue, sei "völlig absurd". Man kann sie mit Sammer alle durchgehen, er ruft bei jedem spanisch klingenden Spielernamen mit großer Überzeugung ins Telefon, warum Guardiola nicht, kaum oder nicht ausschließlich am Transfer beteiligt war. Ausnahme Thiago: "Den wollte Pep unbedingt, aber das war ja keine ganz schlechte Idee."

Ansonsten: Bernat habe "nahezu nichts" mit Pep zu tun. Martinez: War schon unter Heynckes da. Alonso: "Eine Notkonstellation" nach Martinez' Verletzung, "von allen gemeinsam beschlossen". Douglas Costa: Kam, weil Guardiola einen Flügelspieler wollte. Vidal: Kam, weil der Klub fand, dass so ein Typ fehlt. "Aus der Tatsache, dass wir einige Spanier haben, hat sich eine Eigendynamik entwickelt, für die es keinen Anlass gibt", sagt Sammer.

Und dann sagt er einen Satz, den er auf der China-Reise so ähnlich gesagt hat, nur nicht so pointiert. Sammer sagt: "Glauben Sie mir: Bayern München wird auch ohne Pep Guardiola weiter atmen!" Das passt zum Satz des Vorstandschefs Rummenigge (KHR), der den Wunsch der Bayern nach einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Trainer in China erneuert hat ("gerne"), aber mit einem neuen, bisher ungesagten Zusatz. Falls nicht, meinte KHR, gehe "die Welt davon auch nicht unter".

Wer diese Sätze mit jenen übereinander legt, die Guardiola am Freitag gesagt hat, darf zu dem Schluss kommen, dass beide Parteien nicht zwingend etwas dagegen hätten, länger zusammenzuarbeiten. Sie hätte aber wohl auch nicht mehr zwingend etwas dagegen, wenn es im Juni 2016, bei Vertragsende, auseinander geht.

Pep könnte schon noch zum bayerischen Sepp werden. Aber wahrscheinlicher ist im Moment, dass er ein Pep bleibt.

Er habe über seine Zukunft "noch nicht entschieden", sagte Guardiola am Freitag und versicherte, er habe "kein Angebot von einem anderen Verein der Welt". Aber dann sagte auch er einen Satz, den man noch nicht gehört hat. Er müsse "überlegen, was das Beste für den Verein ist", und: "Ich bin nicht komplett überzeugt, dass ich der Richtige bin für diesen Verein."

Matthias Sammer sagt, der neue Tonfall des Vereins sei "keine Abkehr von Pep", das sei "fehlinterpretiert"; man habe "einfach nur die Balance wiederherstellen wollen". Die Bayern merken ja, wie die Debatte sich verselbständigt, wie sie unkontrolliert in alle Richtungen wächst, und sie versuchen jetzt, rechtzeitig zu Saisonbeginn die Deutungshoheit zurückzuerobern. So sollen die Rummenigge-und-Sammer-Sätze aus China einerseits den Trainer wissen lassen, dass er schon weiterhin willkommen ist; gleichzeitig, sagt Sammer, sollen "die Leute draußen aber wissen, dass sie sich keine Sorgen machen müssen. Der FC Bayern ist total stabil".

Zwischen all den Sätzen lässt sich eines inzwischen doch heraushören: dass Verein und Trainer, die vor zwei Jahren so begeistert voneinander und so stolz aufeinander waren, inzwischen mehr so wohlwollend nebeneinander her leben. Die Bayern finden immer noch, dass nie zuvor ein Trainer den Profis so gut dieses Spiel erklärt hat, aber sie registrieren auch die mitunter angeblich etwas irritierende Kommunikation dieses Trainers und seine komplizierten Grübeleien über Taktik und Zukunft. Genauso registriert der Trainer die Wertschätzung in diesem seriösen Klub, aber er fragt sich schon, ob die hohen Herren ihn und seinen Fußball überhaupt wollen und verstehen, wenn sie ihm Toni Kroos verkaufen und als Ersatz Sami Khedira anbieten (wie vorigen Sommer geschehen).

Wer Guardiola nachfolgen könnte, falls man nächsten Sommer auseinandergeht? Im Zuge der aktuellen Debatten wäre der Kandidat Jürgen Klopp nicht uninteressant. Er steht für Identität. Aber halt mehr so für die schwarz-gelbe.

© SZ vom 01.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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