Das wäre schön:Nackt

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20 Jahre FKK auf den Tanzbühnen

Von Eva-Elisabeth Fischer

Nackt auf der Bühne ist mehr als nur nackt. Nackt auf der Bühne meint immer etwas, was über die nackten Tatsachen hinaus geht. Nackt im Tanz ist stolze Selbstbehauptung in einer sowieso körperlichen Kunst. Als das National Endowment for the Arts Anfang der Neunzigerjahre vermeintlich unzüchtigen Aufführungen die Fördergelder entzog, zog die New Yorker Performerin Penny Arcade, sich selbst entblößend, dagegen zu Felde: Sie lud die Männer im Publikum ein, ihre Vagina mit einem Spekulum zu inspizieren. Ein feministischer Akt. Ein bisschen später traten nackte Männer auf den Plan, Franzosen voran. Xavier LeRoy, ursprünglich Molekularbiologe, tanzte nackend gegen seinen Krebs an und verwandelte sich dabei in der Rückenansicht in eine mäandernde Rumpfskulptur.

Fürderhin bimmelte das bloße Gemächt die Selbstbefreiung des männlichen Körpers vor zahlendem Publikum ein. Kunst war das nicht immer, ästhetisch oder gar sexy so gut wie nie, aber es trug den Freikörperturnern beifällige Kommentare nach Art von Selbsterfahrungsjüngern ein: "Ich find' den Dieter unheimlich mutig." Nackt allein ist aber nicht abendfüllend.

Und gereicht heute nicht mal mehr zur Provokation. Gutes Nackt wirkt als Statement, als Demonstration - oder wie beim Flamen Jan Fabre als künstlerisches Medium von tief gehender Symbolkraft und zugleich schlagender Normalität. In den vergangenen 20 Jahren Nackttanzerei kreiselte die rosa Rosette des Amerikaners John Jasperse vor Zuschaueraugen in einem - zugegeben - sehr anrührenden Schwulen-Duett, zuckten Speckschwarten herzallerliebst bei Benny Claessens, schwangen Pimmel in lustigstem Schwanz-Tanz synchron als Chorus Line bei Fabre.

Jetzt machen sie sich gerade warm, die Tänzerinnen und Tänzer bei der Tanzwerkstatt Europa - und nackig. Das muss wohl so sein. Ich aber sage: Schluss mit wackelnden Pimmeln und hüpfenden Titten! Hose an, Hemd drüber! Das wäre schön.

© SZ vom 01.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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