Sommer-Dschungelcamp bei RTL:Nichts mehr abzuwracken

Costa Cordalis, Dustin Semmelrogge, Werner Böhm; "Ich bin ein Star - Lasst mich wieder rein!", RTL

Da hatte wohl jemand keine Lust: RTL-Collage-Grafik zu Ich bin ein Star - Lasst mich wieder rein (mit Costa Cordalis, Dustin Semmelrogge und Werner Böhm, von links).

(Foto: RTL)

Beißender Spott und wohldosierte Erniedrigung? Nicht beim Dschungelcamp-Vorentscheid "Ich bin ein Star - Lasst mich wieder rein!". Die Moderatoren wirken, als müssten sie Schmerzensgeld bekommen.

Von Johanna Bruckner

Bei der Vorbereitung auf diesen Artikel musste ich an meinen Schulfreund Alex denken. Der rauchte vor dem Kunstunterricht gerne einen Joint, der Kreativität wegen. Unter anderem entstand daraus ein hochgelobtes Mottoplakat mit Friedenstaube für ein Schulfest. Als ich also am Freitagnachmittag auf diese Collage zu Ich bin ein Star - Lasst mich wieder rein! stieß, dachte ich an Alex und den bemitleidenswerten RTL-Mitarbeiter, der diese Grafik offenbar ganz ohne kreativitätsfördernde Rauschmittel gestalten musste.

Anders ist die rudimentär zusammengestöpselte Komposition aus Kandidatenköpfen, Sendungslogo und Wölkchen-Hintergrund kaum zu erklären. Man könnte sich vorstellen, dass Photoshop ein bisschen geweint hat. Nach 105 Minuten Sommer-Dschungelcamp kann man diese Gefühlsregung nachvollziehen.

RTL - 'Ich bin ein Star' - Sommercamp; Costa Cordalis; "Ich bin ein Star - Lasst mich wieder rein!", RTL

Costa "Dschungelkönig 2004" Cordalis.

(Foto: RTL / Frank Hempel)

27 Ex-Camp-Bewohner konkurrieren eine Woche lang darum, im Frühjahr 2016 in den TV-Dschungel zurückkehren zu dürfen. Das ist das Konzept von Ich bin ein Star - Lasst mich wieder rein!. Und irgendwie wäre auch das zum Heulen: dass man sich selbst für das Restverwertungsprogramm von RTL noch qualifizieren muss. Aber die Eigenwahrnehmung der Kandidaten ist glücklicherweise eine andere. Costa Cordalis zum Beispiel, erster Dschungelkönig im Jahr 2004, als "Ekelfernsehen" beim "Wort des Jahres" auf Platz zwei landete, trägt in den Interview-Konserven ein Shirt mit der Aufschrift "Be legendary". Was wäre das für ein Schulmotto gewesen!

Ich bin ein Star - Lasst mich wieder rein! setzt das Ziel niedriger an: "Wie wird man ein echter vollwertiger Promi?", fragt Daniel Hartwich. "Indem man im Dschungel war." Böser wird es nicht. Beißender Spott und wohldosierte Erniedrigung? Nicht an diesem Abend: Die Moderatoren wirken, als würden sie für diesen Sommerlochfüller kein Gehalt, sondern Schmerzensgeld bekommen.

Totalschaden, bevor irgendetwas passiert ist

So uninspiriert wie diese Sendung kommt nicht einmal die 19. Staffel Alarm für Cobra 11 daher. Da weiß man zwar auch nicht so richtig, was das alles soll, aber zumindest sind die Autos erst am Ende Schrott. Die Protagonisten des ersten Dschungelcamp-Castings haben einen Totalschaden, bevor irgendetwas passiert ist. Neben Costa Cordalis (Stichwort: Anita), Werner Böhm (Stichwort: Gottlieb Wendehals) und Dustin Semmelrogge (Stichwort: Papa). Was soll es da noch abzuwracken geben für Sonja Zietlow und Daniel Hartwich?

Dabei hatte RTL im Vorfeld alles versucht, um einen Hype wie beim klassischen Dschungelcamp zu generieren. Es gab Meldungen über Verletzte bei den Dreharbeiten, und eine Kandidatin mutmaßte in einem sendereigenen Promi-Magazin, ein Konkurrent habe ihr K.O.-Tropfen in den Drink gegeben, um sie vorzeitig aus dem Wettbewerb zu nehmen.

Wo ist eigentlich der Wendler?

Am Ende ist es mehr ein Wettbewerbchen. Die drei Aspiranten müssen sich in allerlei Prüfungen bewähren. Nur finden die in der Sommer-Variante nicht im australischen Busch statt, sondern auf dem Teufelsberg in Berlin. Cordalis, Böhm und Semmelrogge junior stehen also auf Türmen, die früher mal der US-Armee zur Überwachung dienten, und sollen ein bisschen Kopfrechnen. Ganz ohne Kakerlaken oder sonstige Ekel-Androhung.

Später gibt es ein Quiz, moderiert von einer sächselnden Entität in DDR-Geheimdienst-Anmutung. Die Nacht muss in einem Bunker verbracht werden.

Alles halb so wild, sollte man meinen. Werner Böhm, 74, sieht das anders: "Dieses Arschloch, das wir hier durchgemacht haben, das macht kein anderer mit." Dabei sieht er aus wie eine Schildkröte mit eingeklemmtem Hals. Costa Cordalis, 71, nach eigener Aussage "Herr über alle Schwächen", freut sich einfach, dass er im Bunker endlich wieder pinkeln darf: "Das war ein Genuss."

Mit solchen Alterserscheinungen hat der jüngste Kandidat zwar nicht zu kämpfen - dafür mit seinem Dschungel-Image. Als Indiana Jones ging Semmelrogge junior seinerzeit ins Camp. Zitat seines ungleich bekannteren Vaters: "Rausgehen tut er nicht, ich kenn' meinen Sohn." Doch nach nur einem Tag verließ der Sohn das Pritschenlager freiwillig. Größte Leistung im Auswahlverfahren für das Dschungelcamp 2016? Er schafft es, seinen Mitbewerbern einzureden, Martin Semmelrogge heiße in Wahrheit Michael.

Brigitte Nielsen kommt noch

"Apropos", wird sich jetzt mancher Beobachter denken, "wo ist eigentlich Michael 'Der Wendler' Wendler?" Schließlich hatte der quasi die Idee für ein Sommer-Dschungelcamp, nachdem er seinen Dschungelaufenthalt 2014 vorzeitig abgebrochen und später bitter bereut hatte. Antwort: kommt noch - genauso wie Brigitte Nielsen. Die darf schon mal in einem der vielen Trailer und Videoclips auftreten, die das Label "Live-Sendung" ad absurdum führen. "Er ist nicht eine starke Mann, nicht in de Kopf und nicht in de Körper", sagt sie. Und meint nicht Werner Böhm oder den Wendler, sondern Ailton.

Aber das führt eigentlich schon zu weit. Erst mal ist Finale, halt, nein, Halbfinale: Es gewinnt Costa Cordalis. Weitere acht Halbfinals werden folgen. O-Ton Hartwich: "Es wird toll - sacht der Sender." Man wünscht ihm einen Freund, der sich mit Bewusstseinserweiterung auskennt.

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