Unterhaltung:Wenn das Smartphone würfelt

XCOM

Bei XCOM: Das Brettspiel bleiben oft nur Sekunden, um eine Strategie gegen die Ufos zu entwickeln.

(Foto: Heidelberger Spieleverlag)

In drei aktuellen Brettspielen steuern Apps das Geschehen. Mit unterschiedlichem Erfolg.

Von Daniel Wüllner

Spiele machen mittlerweile 75 Prozent der Umsätze in App-Stores aus. Dieses Geschäft wollen sich auch die Hersteller von Brettspielen nicht entgehen lassen und so werden moderne Klassiker wie Carcassone und Catan längst auf Tablets und Smartphones umgesetzt. Die digitalen Geräte sind aber nicht nur einfach ein weiteres Medium, sie verändern auch das analoge Spiel. In Welten aus Karton, Holz und Plastik übernehmen sie die unterschiedlichsten Aufgaben.

Die Anwendung fürs Smartphone wirft die Würfel, rechnet Wahrscheinlichkeiten aus - oder verkörpert auch mal das Bösen. Drei aktuelle Beispiele zeigen die Vor- und Nachteile der digitalen Spielhilfen.

XCOM: Die nächste Krise kommt in 14,21 Sekunden

Die ganze Erde ist besetzt. Die ganze Erde? Ja. Weil vier Spieler nicht in der Lage waren, rechtzeitig Gelder anzuweisen, Abfangjäger zu entsenden, Bodentruppen zu schicken und notwendige Technologien zu erforschen.

In XCOM: Das Brettspiel übernehmen die Spieler die zentralen Rollen des gleichnamigen Sonderkommandos, das die Erde vor der außerirdischen Bedrohung schützen soll. Die Außerirdischen werden durch die App verkörpert. Sie steuert alles.

Das Spiel wird in eine Echtzeitphase und in eine Auswertungsphase unterteilt. In der ersten Phase gibt die App vor, welche Entscheidungen getroffen werden müssen.

Je nach Bedrohungslage variiert die Reihenfolge der Aufgaben. Jede neue Krise wird durch einen Timer begleitet. Wird das Zeitlimit überschritten, fehlen die Sekunden für die Lösung des nächsten Konflikts. Erst nach der Echtzeitphase werden die Konflikte in Ruhe ausgewürfelt.

Trotz des innovativen Systems droht die soziale Interaktion hinter Einsen und Nullen zu verschwinden. Der unerbittliche Zeitdruck lässt den Spielern nur wenig Möglichkeiten zu verhandeln und Entscheidungen gemeinsam abzuwägen. Das Konzept des Spiels geht aber auf: Die Rettung der Welt ist kein geselliger Spieleabend mehr, sondern harte Arbeit.

Erschienen im Heildberger Spieleverlag. Die App funktioniert auf allen Systemen

Appgebrüht

Die Alchemisten

Wer die gebrauten Tränke in Die Alchemisten nicht selber testen will, verwendet Studenten als Testsubjekte.

(Foto: Heidelberger Spieleverlag)

Die Alchemisten: Zaubertränke herstellen will gelernt sein

Man nehme: die Zehe einer Krähe und ein bisschen was vom Frosch. Im besten Fall sollte aus diesen Zutaten der erwünschte Heiltrank für Barbaren entstehen. Im schlechtesten Fall hat man den Heiltrank nach dem Verkauf selbst bitter nötig - weil einem unzufriedene Barbaren-Kunden zürnen.

In Die Alchemisten müssen zwei bis vier Spieler magische Tränke brauen. Ziel des Spiels ist es aber nicht, ein bestimmtes Gesöff zu erzeugen, sondern die Kunst der Alchemie zu erlernen. Dazu muss man wissen, welche Zutat aus welchen Teilchen besteht.

Eine App, die sich nicht aufdrängt

Ist ein Spieler an der Reihe, legt er zwei seiner Zutatenkarten in den privaten Pappkessel und scannt sie mit der App. Die Karten werden in der App angezeigt. Das Gerät verrät allen Spielern, welcher Trank gebraut wurde. Doch nur der brauende Alchemist weiß, welche Zutaten er verwendet hat.

Die App drängt sich nicht auf und nimmt dem Spieler viel Arbeit ab. Doch das Denken und Planen muss jeder selbst erledigen. Die Alchemisten lässt sich auch ohne App spielen. Doch dazu müsste ein zusätzlicher Spieler die Teilchen der Zutaten festlegen und den Jungalchemisten Auskunft über ihre zusammengebrauten Mixturen geben.

Hinter dem Mechanismus des digitalen Tränkebrauens steckt ein weitaus komplexeres Brettspiel. Es müssen Theorien über die Inhaltstoffe publiziert und widerlegt werden, Tränke an Studenten getestet und Artefakte gekauft werden, um zu gewinnen. Die Alchemisten ist kein leichtes Familienspiel, sondern ein aufwändig gestaltetes und komplexes Puzzle mit sinnvoller App-Unterstützung.

Erschienen bei Heidelberger Spieleverlag. Die App ist kostenlos.

Männer, die auf Golems reiten

Golem Arcana

Mithilfe eines Stifts lassen sich die Attacken der Golems steuern.

(Foto: Heidelberger Spieleverlag)

Golem Arcana: Schachfiguren, die Feuer speien

Golem Arcana lässt sich als eine Art Monsterschach beschreiben. Zwei Spieler bewegen ihre Golems über das Spielfeld, um sich gegenseitig matt zu setzen. Ein Golem, das ist ein Kampfkoloss, der im Gegensatz zu Schachfiguren Feuer speit und sich mit seinen Pranken prügelt. Selbst wenn der König tot ist, kann auch ein einzelner Golem noch gewinnen.

Vor dem Kampf stellt jeder Spieler seine kleine Armee zusammen, bestimmt für jeden Golem einen Reiter und stellt seine Figuren zur Schlacht auf. Im Basisspiel stehen zwei Armeen mit je drei Figuren zur Verfügung. Eine Vielzahl von fertigbemalten Figuren lässt sich nachkaufen. Über die App lassen sich diverse Szenarien spielen.

Wozu braucht Golem Arcana einen Stift und eine App?

Hat man ein Szenario ausgewählt, bestimmt die App, wie die Kartenteile ausgelegt werden müssen und wo Figuren stehen dürfen. Jeder Golem verfügt über eigene Attacken, Spezialfähigkeiten und Bewegungspunkte.

Die Armeen werden abwechselnd bewegt, solange Aktionspunkte verfügbar sind. Beim Spielen besteht immer wieder die Gefahr, dass die Aufmerksamkeit nur auf das Tablet gerichtet ist. Erst beim übernächsten Spielzug fällt auf, dass die Figuren in der App an ganz anderer Stelle stehen.

Die unterschiedlichen Eigenschaften von Waffen und Zaubersprüchen sind so vielzählig, dass Spieler stundenlang rechnen müssten, um alle Wahrscheinlichkeiten für Treffer zu errechnen. Die App übernimmt diese Aufgaben. Nur: Mit simpleren Regeln würde Golem Arcana auch funktionieren - ganze ohne App.

Die Firma Harebrained Schemes hat einen Hybrid erschaffen: ein Brettspiel mit Rechenhilfe oder ein Computerspiel mit zusätzlichen Figuren. Keine der beiden Varianten überzeugt als Ganzes. Interessant ist aber die Anbindung zu anderen Spielern, die ständig eigene Szenarien hinzufügen.

Erschienen bei Pegasus. Die App gibt es für alle Systeme kostenlos.

Wie sieht die Zukunft der Brettspiele aus?

Wenn die Verschmelzung von analoger und digitaler Spielewelt funktionieren soll, dann dürfen Tablets und Smartphones weder Krücken noch Allheilmittel sein. Es ist nicht smart, ein Telefon über ein Brettspiel zu hängen. Smart ist es, das Phone als integrativen Teil der Spielwelt zu verstehen. Französische Entwickler scheinen das verstanden zu haben. Ihr World of YoHo soll aus Smartphones Piratenschiffe machen:

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