Schwimm-WM:Schnell wie nie zuvor

Swimming - 16th FINA World Championships: Day Nine

Freude nach 55,77 Sekunden: Alexandra Wenk bejubelt ihren deutschen Rekord im Halbfinale in Kasan.

(Foto: Adam Pretty/Getty Images)

Große Freude: Die 20 Jahre alte Münchnerin Alexandra Wenk wird in Kasan WM-Siebte über 100 Meter Schmetterling. Ihr Trainer Olaf Bünde spricht von einer jungen Frau mit "gereifter Persönlichkeit". Sie selbst bezeichnet sich als "gut".

Von Claudio Catuogno

Alexandra Wenk schwamm auf Bahn eins, ganz links außen - wo in einem WM-Finale die Außenseiterin platziert wird. Und das ist sie ja weiterhin, die 20-jährige Studentin der Wirtschaftspsychologie von der SG Stadtwerke München. Aber sie ist den Großen der Branche jetzt schon ziemlich nahe, am Montagabend im Wettkampfbecken von Kasan schwamm nur ein paar Meter von Wenk entfern: Sarah Sjöström. Die Schwedin ist nur anderthalb Jahre älter, hatte aber schon bei der WM 2009 in Rom einen Weltrekord über 100 Meter Schmetterling aufgestellt, da war sie gerade mal 15. Und nun schwamm Sjöström die Strecke schon wieder so schnell, wie keine Frau vor ihr: in 55,64 Sekunden. So was nennt man im Sport gerne "Jahrhunderttalent".

Alexandra Wenk, die Deutsche von Bahn eins, kam nach dem Rennen strahlend um die Ecke gebogen. Sie war Siebte geworden in 57,94 Sekunden. Und nun sprudelte es aus ihr heraus: "Ich bin einfach mit so viel Vorfreude in dieses Finale gegangen, ich habe mir gedacht: Scheiß drauf, was passiert. Ich hab's einfach genossen." Genau genommen ist dann passiert, dass Wenk, womöglich vor lauter Genießen, nicht ganz herangekommen ist an ihre Zeit aus dem Halbfinale vom Vortag. 55,77 Sekunden waren es da gewesen.

Aber das war ja immerhin ein deutscher Rekord, und den schwimmt man halt nicht jeden Tag. Zumal ja Wenks 58,05 Sekunden aus dem Vorlauf auch schon eine persönliche Bestzeit waren. Man kann deshalb auch folgendermaßen Bilanz ziehen: Alexandra Wenk ist die 100 Meter Schmetterling in Kasan in Vorlauf, Halbfinale und Finale so schnell geschwommen wie nie zuvor in ihrem Leben.

Auch das Talent von Wenk ist schon früh aufgefallen - sie war 2012 in London die Jüngste im deutschen Olympia-Team. Aber bis sie nun in ein WM-Finale vordringen konnte, und sei es nur bis auf Bahn eins, dauerte es eine gewisse Zeit. Das hat auch damit zu tun, dass sie in den letzten Jahren zwei Dinge unter einen Hut bringen musste, die nicht besonders kompatibel sind: das Training einer Nationalmannschafts-Schwimmerin - und das Abitur in Bayern.

Aber das ist nun seit gut einem Jahr geschafft. Wenk studiert inzwischen Wirtschaftspsychologie an der Hochschule für angewandtes Management in Erding - ein Fernstudium. Dabei ist Erding ja nicht so weit weg von München. Aber sie kann sich das Ganze recht frei einteilen. Das war wohl der Schlüssel für den Leistungssprung im letzten Jahr: "Ich habe härter trainiert, ich habe aber auch besser trainiert, und ich wusste, das wird sich irgendwann auszahlen." Früher hatte sie eine 65-Stunden-Woche mit zweimal Training am Tag, dazu Schule, Hausaufgaben, Lernen. Sie schaffte 40 Trainingskilometer in der Woche. "Jetzt muss ich in den Trainingspausen nicht mehr in die Schule, sondern kann mich zu Hause erholen" - sie trainiert jetzt etwa 50 Prozent mehr, schafft 60 Kilometer in der Woche.

Doch nur um die Kilometer geht es gar nicht, ergänzt Wenks Münchner Trainer Olaf Bünde, der am Montag einige Male mit Kasan telefonieren musste, den Erfolg erklären. Bünde spricht dann vor allem von einer jungen Frau mit "gereifter Persönlichkeit". Davon, dass Trainer und Athletin gemeinsam austesten, welche Trainingsformen Alexandra Wenk am besten liegen. "Und sie hat sich eine Menge Input geholt", sagt Bünde, Wenk hat sich in Österreich, Hamburg und Berlin immer mal wieder starken Trainingsgruppen angeschlossen und manche Anregung mit zurück nach München gebracht. Sie hat ein ganz gutes Gefühl dafür, welche Reize ihr Körper braucht, um schneller zu werden.

Schon mit dem deutschen Rekord am Sonntag hatte Alexandra Wenk "mehr erreicht, als ich mir erträumt habe - das ist heute der schönste Tag in meinem Leben", sagte sie. Aber dann wollte sie schon noch den Eindruck zerstreuen, dass sie vor lauter Begeisterung jetzt nachlassen könnte in ihrem Ehrgeiz und ihrem Fleiß. Dass sie dauerhaft zufrieden sein könnte mit dem Schwimmen auf Bahn eins. Im Gegenteil: "Ich weiß schon auch, was noch zu tun ist, um zu den Guten zu gehören", sagte sie. Dann machte sie eine kurze Pause und korrigierte sich: "... zu den sehr Guten. Ich glaube, als gut kann man mich jetzt auch bezeichnen."

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