Funkspruch in der DTM:Unfall mit Ansage

Funkspruch in der DTM: Scheider schiebt Mercedes-Fahrer Robert Wickens an. Die Folge: Wickens und sein Markenkollege Pascal Wehrlein kreiseln von der Strecke.

Scheider schiebt Mercedes-Fahrer Robert Wickens an. Die Folge: Wickens und sein Markenkollege Pascal Wehrlein kreiseln von der Strecke.

  • Audi-Pilot Timo Scheider schießt beim DTM-Rennen in Spielberg in Österreich einen Mercedes ab, nachdem er via Funk eine Anweisung dafür erhält.
  • Deutscher Motor Sport Bund hat Ermittlungen aufgenommen. Audi droht eine Strafe.

Von René Hofmann

Die Ansage war klar. Sie war eindeutig zu verstehen. Und sie kam vom Chef. "Timo, schieb ihn raus!", wurde Timo Scheider auf der letzten Runde des DTM-Rennens am Sonntag in Spielberg ins Audi-Cockpit gefunkt. Unmittelbar darauf fuhr der Champion der Jahre 2008 und 2009 auf den Mercedes von Robert Wickens auf - was eine Kettenreaktion auslöste: Der Kanadier touchierte den unmittelbar vor ihm fahrenden Markenkollegen Pascal Wehrlein. Beide Mercedes-Fahrer kreiselten von der Strecke und blieben ohne Punkte.

Für Wehrlein, der wegen des Manövers um Platz sechs gebracht wurde, hatte das eine bittere Konsequenz: Er verlor die Führung in der Fahrerwertung nach dem zehnten von 18 Rennen. An Rennsieger Mattias Ekström, ein Audi-Pilot.

Die Aufregung, die darüber im Mercedes-Lager losbrach, war verständlich: "Das war einfach unfair", fand Robert Wickens, das erste Unfall-Opfer. "Das hatte mit fairem Rennsport nichts zu tun", meinte Mercedes-Teamchef Ulrich Fritz. "Unter jeder Würde für die Serie", gurgelte Sportchef Toto Wolff. Noch deutlicher wurde der um die Gesamtführung geprellte Wehrlein. Für den 20-Jährige war das Geschehene "einfach nur eine dreckige Aktion".

Dem Fachportal autosport.com sagte er zudem: "Wenn Audi die Meisterschaft auf diese Weise gewinnen will, dann haben sie heute wohl einen Krieg begonnen. Ich hoffe, dass das harte Konsequenzen hat." Eine Aussage, die keineswegs vom Affekt geschärft war. Sie fiel erst deutlich nach dem Rennen. Unmittelbar nach der Siegerehrung hatten dieμMercedes- Gewaltigen Wehrlein noch von allen TV- Kameras ferngehalten.

Zu diesem Zeitpunkt hieß die Schlüsselfrage noch: Wer hatte den Abschuss eigentlich befohlen? Die Indizien deuteten schnell auf Audi-Sportchef Wolfgang Ullrich. Der 64-Jährige räumte im Interview mit dem DTM-Medienpartner ARD zunächst auch ein, die vier Worte benutzt zu haben, weil er sich darüber geärgert habe, dass sein Angestellter Scheider vom Mercedes-Lenker Wickens behindert wurde, um Wehrlein einen Vorteil zu verschaffen: "Das war von mir eine spontane Reaktion, ich habe mich sehr geärgert und diesen Satz gerufen. Es war klar, was da läuft."

Sportkommissare befragen die Fahrer

Eine Anweisung aber wollte Ullrich keineswegs erteilt haben: "Ich rede normalerweise nicht zu den Fahrern." Es könne jedoch sein, "dass der Funk in der Situation auf war". Drei Stunden nach dem Rennen entschuldigte Ullrich sich dann in einer schriftlichen Erklärung für den Spruch: "Eine solche Äußerung drückt nicht mein Verständnis von Motorsport aus, sondern war allein dem Adrenalin in diesem Moment geschuldet."

Zu Ende dürfte die Causa damit aber noch nicht sein. Der Deutsche Motor Sport Bund (DMSB), der in der Serie als sportliche Hoheit fungiert, hat Ermittlungen aufgenommen. Die Sportkommissare hörten die betroffenen Fahrer und Teamchefs an und sicherten Daten. Am späten Sonntagabend strichen sie Scheider, 36, aus der Spielberg-Wertung. Der Routinier hatte behauptet, er habe den Funkspruch, der im TV live kristallklar übertragen wurde, gar nicht gehört. Er sei auf die vor ihm Fahrenden gerutscht, weil diese in der Kurve früher als gewöhnlich gebremst hätten.

Audi wurde zunächst nicht belangt. In zweiter Instanz könnte aber das DMSB-Sportgericht drastische Geldstrafen und Lizenzentzüge für Fahrer und/oder Teams aussprechen. Mercedes-Teamchef Ulrich Fritz fordert das: "Es darf überhaupt niemand mehr in die Versuchung geraten, über so etwas nachzudenken", sagte er der dpa. Die DTM-Experten Norbert Haug (langjähriger Mercedes-Sportchef/ARD) und Bernd Schneider (fünfmaliger Meister/Bild-Zeitung) werteten den Vorgang einhellig als noch nie da gewesen Unsportlichkeit und als Geisterfahrt gegen die Fairness. Toto Wolff, Haugs Nachfolger als Sportchef bei Mercedes, hatte unmittelbar nach dem Rennen gefordert: "Wenn es diesen Funkspruch wirklich gab, dann sollte der Verantwortliche nie wieder an eine Rennstrecke kommen." Indirekt lässt sich daraus eine Rücktrittsaufforderung an Wolfgang Ullrich ableiten, der der Audi-Sportabteilung seit 1993 vorsteht.

Die Firma mit den vier Ringen im Logo steht nicht zum ersten Mal im Mittelpunkt einer Kontroverse in der Rennserie. Vor zwei Jahren war Mattias Ekström der Sieg bei dem sehr populären und für Audi wegen der Nähe zur Firmenzentrale in Ingolstadt besonders wichtigen Stadtrennen in Nürnberg aberkannt worden, weil der Schwede beim offiziellen Wiegen nach dem Rennen nicht so viel auf die Maschine brachte, wie er gewogen hatte, als er aus seinem Auto gestiegen war: Beim Jubeln hatte sein Vater ihm heimlich eine Flasche Wasser in den Overall geschüttet.

2007 hatte Wolfgang Ullrich beim vorletzten Saisonrennen in Barcelona acht Runden vor dem Ziel alle Audi-Fahrer in die Box beordert, um gegen die Gangart des damals noch einzigen Gegners Mercedes zu demonstrieren. Seit 2012 mischt als dritte Marke auch wieder BMW mit.

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