Silvio Berlusconi beim AC Mailand:Rätselraten nach dem Handschlag

Lesezeit: 3 min

Verkauft gerade große Stücke seines AC Mailand: Silvio Berlusconi. (Foto: AP)
  • Silvio Berlusconi einigt sich mit einem Investor aus Thailand, der für eine halbe Milliarde Euro nur 48 Prozent des AC Mailand erwirbt.
  • Aber gibt es bei diesem Handel Hintermänner?
  • Hat der antikommunistische Klubpatron am Ende Chinesen ins Boot geholt?

Von Birgit Schönau, Rom

"Historisch", jubeln Silvio Berlusconis Hofberichterstatter. "Suspekt", wittern die Tifosi der Associazione Calcio Milan. Sollte es wirklich wahr sein, dass der Finanzier Bee Taechaubol aus Bangkok 485 Millionen Euro hergibt, um dafür einen Anteil von gerade einmal 48 Prozent am Fußballklub AC Milan zu erwerben? Fließt da tatsächlich rund eine halbe Milliarde für einen Posten als Juniorpartner und Stellvertreter des alten Presidentissimo Silvio Berlusconi?

Aber ja, beteuern die Geschäftspartner. In Berlusconis palastähnlicher Villa Certosa an der sardischen Costa Smeralda sei es am Wochenende zum Äußersten gekommen - zu Unterschriften unter einen Vorvertrag. Und noch wichtiger: zum Handschlag von zwei Ehrenmännern.

Milan veröffentlichte ein Foto, das die italienischen Verhandlungsführer mit Investor Taechaubol auf dem Rückflug nach Mailand in Berlusconis Privatjet zeigen. Acht Männer und eine Frau, "Forza-Italia"-Politikerin Licia Ronzulli, halten Gläser mit einer roten Flüssigkeit hoch, vielleicht ein Bitter-Aperitif, womöglich auch nur Tomatensaft, zu Champagner hat es jedenfalls nicht gereicht: "Ich bin geehrt, die Vereinbarung für AC Milan abzuschließen", ließ Taechaubol über soziale Netzwerke ausrichten.

Regionalwahlen in Italien
:Berlusconi auf Irrwegen

Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi ist spontan bei einer Wahlkampf-Party bei Mailand aufgetaucht. Er ließ sich fotografieren und feiern und wünschte viel Glück. Dann merkte er: Er war aus Versehen beim politischen Gegner gelandet.

Von Oliver Meiler

Präsident Berlusconi sei "eine phänomenale Führungspersönlichkeit". Der Vereinsname Milan war falsch geschrieben: Mlian. Bis zum angestrebten Geschäftsabschluss am 30. September wird der neue Vizepräsident gelernt haben, die fünf teuren Buchstaben richtig zu sortieren. Vielleicht ist bis dahin aber aus Milan auch schon Mlian geworden.

Berlusconi will schweigen, bis das Geld im Kasten ist. Das ist Teil der Strategie - seit Monaten hatte der 78-jährige Ex-Premier dem halb so alten Taechaubol die mediale Präsenz überlassen - mit dem Effekt, dass der Investor dastand wie ein wild entschlossener Kunde, dem kein Preis zu hoch ist. Und der Milan-Patron wie ein Märchenkönig, der sein Lieblingskind gegen allzu ungestüme Freier verteidigen muss. Tatsächlich wurde die Kaufsumme von fast 500 Millionen bereits am 14. Februar lanciert, passend zum Valentinstag. Es folgten heißblütige Liebeserklärungen (Bee) und halbherzige Dementi (Berlusconi), falsche Fährten wurden ausgelegt, die chinesische Staatsbank als wahrer Käufer ins Spiel gebracht, bis Anfang Juni von einem Vorvertrag die Rede war. Die Unterschriften dazu gab es aber erst jetzt, zwei Monate später in jener Villa Certosa, wo einst Wladimir Putin und Tony Blair Gäste waren.

Damals stand Berlusconi auf dem Gipfel seiner Macht, und Milan war eine Top-Marke des europäischen Fußballs. Inzwischen hat der große Boss mit Sozialstunden im Altenheim eine Strafe als Steuer- betrüger abgebüßt und darf als Vorbestrafter nicht weiter im Parlament sitzen. Seine Partei "Forza Italia" löst sich auf, gerade ist auch noch ihr langjähriger "Koordinator" unter Protest ausgetreten. Der glorreiche AC Mailand aber, der laut Selbstdarstellung erfolgreichste Klub der Welt, hat nun schon im zweiten Jahr nacheinander die Qualifikation für einen Uefa-Wettbewerb verpasst. Von Berlusconis Imperium bleibt das Kerngeschäft, der Fernsehsender, die Buch- und Zeitschriftenverlage, Kinos und die Filmproduktion. Seinen fünf Kindern hinterlässt er das größte Unternehmen der italienischen Kulturindustrie.

Angeblich aber wollen Berlusconis Erben nicht weiter das Familienvermögen für Fußball und Politik verbraten. Also suchte man seit mindestens einem Jahr intensiv einen ausländischen Partner, der den Klub auch ganz übernehmen könnte. Der Lokalrivale Inter Mailand hat schließlich auch schon einen Präsidenten aus Fernost, Erick Thohir aus Indonesien. Vor zwei Jahren zahlte Thohir etwa 250 Millionen Euro an Massimo Moratti - für 70 Prozent.

Da kann man ob der 500 Millionen für das Milan-Paket schon ins Grübeln kommen. Zwar rechnet Taechaubol, der den Klub schnellstmöglich an die Börse von Hongkong bringen will, mit einem Jahresumsatz von 350 Millionen Euro allein in Fernost. Real Madrid, das insgesamt mehr als doppelt soviel wie Milan erwirtschaftet, ist aber auf dem asiatischen Markt von dieser Summe noch weit entfernt.

Und woher nimmt der Geschäftsmann aus Thailand das Geld für den Berlusconi-Klub? Etwa wirklich von den Chinesen? Ein schöner Treppenwitz wäre das, wenn der eingefleischte Antikommunist Berlusconi tatsächlich über einen Strohmann die Staatskapitalisten aus Peking ins Milan-Boot holen würde. Taechaubol verfügt über ein geschätztes Vermögen von 1,2 Milliarden Dollar - Berlusconi besitzt rund sechs Mal soviel.

Die Firma des neuen Milan-Investors heißt Thai Prime Fund, hat ihren Sitz in Singapur und bietet Dienstleistungen und Finanzberatung für Ausländer. Verglichen damit ist Berlusconi ein grundsolider Patriarch der alten, europäischen Unternehmerschule. Ein Gefolgsmann von Mr. Bee wird als dritter Geschäftsführer neben dem ewigen Adlatus Adriano Galliani, 71, und Berlusconis Tochter Barbara, 31, agieren.

Von Barbaras Stadion-Bauplänen soll Taechaubol angeblich nicht begeistert sein. Und von der Mannschaft? Soeben hat Milan in einem sinnigerweise nach Shanghai verlagerten Sommertestderby Inter geschlagen, gegen Real Madrid gab es indes eine Niederlage. Am Dienstag treten Berlusconis Kicker nun in München gegen die Bayern an - mit einem Team, das sich gegenüber der vorigen Saison noch nicht deutlich verbessert hat. Als neuer Trainer wurde nach dem geschassten Filippo Inzaghi Carlo Ancelotti umworben, doch der Erfolgscoach zog nach dem Rauswurf bei Real Madrid ein Sabbatical-Jahr vor. Statt Ancelotti führt Sinisa Mihajlovic das Training, der außer einem kurzen Auftritt als serbischer Nationalcoach keine internationale Erfahrung vorweisen kann.

Und statt des Superstars Zlatan Ibrahimovic, der angeblich von einer Rückkehr nach Mailand träumt, heuerten der Kolumbianer Carlos Bacca (von Sevilla) und der Brasilianer Luiz Adriano (von Schachtar Donezk) an - Angreifer, die noch was werden wollen. Prominentester Milan-Spieler ist derzeit der Ex-Hamburger Nigel de Jong. Und nichts deutet darauf hin, dass sich das bis Ende September noch ändert.

© SZ vom 04.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

FC Bayern vor dem Vorbereitungs-Cup
:Pep ist genervt

Eineinhalb Wochen vor dem Liga-Start wird die Laune von Bayern-Trainer Guardiola immer schlechter. Ihn stört die Kritik an seiner Person - und an seiner Arbeit.

Von Benedikt Warmbrunn

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: