Spiele-Videos:Warum Millionen Menschen anderen beim Computerspielen zusehen

ESL One 2015 in Frankfurt

Am 20. und 21. Juni kamen knapp 30 000 Menschen in das Fußballstadion von Eintracht Frankfurt, um sich ein Computerspiel-Turnier anzusehen.

(Foto: Helena Kristiansson)
  • Videos, in denen Computerspieler ihr Spielen kommentieren, nennt man Let's Plays.
  • Manche dieser Spielevideos sind so erfolgreich, dass die Macher gut davon leben können.
  • Beliebt ist außerdem E-Sport: 134 Millionen Menschen verfolgen sportliche Wettkämpfe zwischen Computerspielern regelmäßig online.

Von Caspar von Au

Es klingt so was von bescheuert: Sechs Männer Ende 20 spielen Computer, und Millionen schauen ihnen dabei übers Internet zu. Für die sechs Freunde, die gemeinsam den "Pietsmiet" genannten Kanal auf der Videoplattform Youtube betreiben, war die Sache anfangs nur ein Hobby. Doch seit Jahren leben sie nun schon gut davon. Die sechs sind so etwas wie die Backstreet Boys der deutschen Let's-Play-Szene.

Let's Plays, so nennt man die Videos, bei denen Computerspieler kommentieren, während sie spielen. "Ein Spielvideo mit unserem Gequatsche", sagt Peter Smits. "Es geht uns darum, beim Spielen Spaß zu haben und diesen Spaß an die Zuschauer weiterzugeben." Smits, 26, ist der Gründer und Namensgeber der Gruppe. Sie wird auch auf der Messe Gamescom in Köln vertreten sein, die an diesem Mittwoch startet.

Die Jungs um Smits spielen alle möglichen Computerspiele von Ballerspielen wie Counter-Strike über Klassiker wie Mario Kart bis hin zu dem Let's-Play-Spiel überhaupt: Minecraft, ein Computerspiel mit kantiger Grafik, das dem Spieler viele Freiheiten gibt. "Genau deshalb ist das Spiel ideal. Man wird nicht in irgendwelche Regeln gespannt", erklärt Smits.

Die Jungs von Pietsmiet kreischen, lachen und rülpsen ins Mikrofon

In ihren Videos sind Pietsmiet vor allem laut. Sie kreischen, lachen, rülpsen ins Mikrofon und machen anzügliche Witze. Das Spielen rückt in den Hintergrund. Die Zuschauer wollen die Reaktion ihrer Helden hören, wenn sie im Spiel sterben, gegen die Wand fahren oder ein Tor kassieren.

Let's-Play-Videos gehören zu den erfolgreichsten überhaupt auf Youtube. Der Schwede Felix Kjellberg (Youtube-Name: PewDiePie) filmt sich dabei, wie er Horrorspiele spielt und dabei erschrickt. Damit hat er über die Jahre 38,5 Millionen Abonnenten bei Youtube gesammelt und ist offiziell der erfolgreichste Youtuber der Welt. Im Jahr 2014 verdiente er mit seinen Videos rund 6,7 Millionen Euro, wie die schwedische Zeitung Expressen kürzlich berichtete. Und auch der größte deutsche Youtuber, Erik Range (alias Gronkh) ist Let's Player. Er hat mehr als 3,7 Millionen Abonnenten, die sich ansehen, wie er sich durch die Spielewelten klickt und erzählt, was ihm dabei auffällt.

Pietsmiet verdienen Geld mit Werbung und einem eigenen Merchandise

Pietsmiet sind die zweitgrößten Let's Player in Deutschland. Seit sie 2011 mit Youtube begonnen haben, wurden ihre knapp 15 000 Videos mehr als eine Milliarde Mal geklickt. Die sechs Jungs kennen sich aus der Schule, danach lebten sie in ganz Deutschland verstreut. "Das Spielen war eine wunderbare Möglichkeit, nicht den Kontakt zu verlieren", sagt Smits. Als sie ein Video von Gronkh sahen, dachten sie sich: Das können wir auch. "Dass man damit Geld verdienen kann, darüber haben wir nicht nachgedacht."

Wie viel sie pro Jahr verdienen, verraten sie nicht. Aber Youtubes offizielle Antwort auf solche Fragen ist: Je 1000 Klicks bekommen Youtuber zwischen einem und fünf Euro. Pietsmiet kämen nach dieser Rechnung auf etwa ein bis fünf Millionen Euro seit Anfang 2011. "Das klingt viel", sagt Smits und lacht. Er glaube nicht, dass sie so viel verdient hätten, aber konkreter möchte er auch nicht werden.

Pietsmiet verdienen ihr Geld durch Werbeinnahmen auf Youtube. Sie betreiben einen eigenen Merchandise-Shop, in dem sie T-Shirts, Handyhüllen und Tassen verkaufen - alles mit ihrem Logo, dem grünen Game-Controller, versehen.

Die Videoplattform Twitch.tv überträgt Computerspiel-Turniere live

Während auf der einen Seite die Let's Player versuchen, ihre Zuschauer zu unterhalten, gibt es auf der anderen Seite den sogenannten E-Sport: Das sind Computerspieler, die so gut in ihrem Hobby geworden sind, dass sie sich auf Turnieren und in Ligen für Computerspiele darin messen - Profi-Gamer also. Und es ist ein Massenspektakel: Schätzungen des US-amerikanischen Marktforschungsinstituts Superdata Research zufolge schauen rund 134 Millionen Menschen weltweit E-Sport.

Trevor Henry, 27, ist hauptberuflich Kommentator und Moderator für Videospiele, genauer für das Spiel League of Legends. Angestellt ist er bei Riot Games, der Firma, die das Spiel vertreibt. Wenn Henry donnerstags und freitags in einem Fernsehstudio in Berlin-Adlershof die europäische "League of Legends Championship Series" (LCS) - eine von weltweit fünf Ligen für das Computerspiel - moderiert, schauen ihm dabei an Ort und Stelle etwa 350 Menschen zu. Doch im Internet sind es mehr als 100 000, die den Livestream Woche für Woche verfolgen.

Mehr als 100 Millionen Menschen nutzen jeden Monat Twitch.tv

Den Stream kann man auf der Videoplattform Twitch.tv anschauen, die sich auf die Live-Übertragung von Videospielen spezialisiert hat und weltweit Marktführer ist. "Videospiele hatten von Anfang an eine soziale Komponente, die für die Szene sehr wichtig ist", sagt Twitchs Vizepräsident Matthew DiPietro. "Twitch macht es möglich, seine Erlebnisse in Videospielen mit anderen zu teilen." Mehr als 1,5 Millionen Twitch-Nutzer filmen jeden Monat, wie sie Computer spielen, und 100 Millionen Menschen schauen ihnen dabei zu. Ähnlich wie Youtube finanziert sich das Unternehmen zum großen Teil über Werbeeinnahmen und verdient so Milliarden.

Henry sitzt in Hemd und Weste im Studio, wenn er kommentiert. Das, was die Computerspieler auf ihren Bildschirmen sehen, wird auf eine große Leinwand übertragen. Henrys Stimme bebt. Er spricht immer schneller. Immer lauter. Er schreit fast, während sich in dem Computerspiel ein Ninja, ein Minotaur und ein Zauberer bekämpfen. Mit Schwertern, Pfeil und Bogen und Feuerbällen. Etwas explodiert in bunten Farben. Henry brüllt einen letzten Satz ins Mikrofon, dann lässt er die Bilder wirken. Fünf junge Männer stehen von ihren Computern auf und fallen sich in die Arme. Das Publikum im Studio jubelt. "Victory" - Sieg - steht auf der Großbildleinwand zu lesen.

Es sind längst nicht mehr nur picklige 15-jährige Jungs

E-Sport wird gerne mit Fußball verglichen, wenn es darum geht, warum man anderen beim Spielen zuschauen sollte. Und die LCS ist für League of Legends wie die Champions League für den Fußball, sagt Henry. "Wenn du sehen willst, wie die Messis und die Ronaldos von League of Legends spielen, dann schaust du zu."

Computerspielen als Sport, das klingt nach pickligen 15-jährigen Jungs, die lieber vor Bildschirmen im Keller hocken, anstatt an die frische Luft zu gehen. Doch in Wahrheit ist die E-Sport-Szene riesig: Millionen spielen weltweit online mit- und gegeneinander. Allein League of Legends spielen 67 Millionen Menschen. In den verschiedenen Spielen - zum Beispiel Counter-Strike, Fifa und Dota2 - werden Ligen und Turniere in aller Welt ausgetragen.

Die Preisgelder, um die dabei gekämpft wird, nehmen mittlerweile riesige Dimensionen an. Bei dem Dota-2-Turnier "The International", das diese Woche in Seattle (USA) ausgetragen wird, bekommen die Gewinner rund 6,5 Millionen US-Dollar. Dahinter steht eine Industrie, die mehr umsetzt als die Kinofilmbranche. Sie verdient ihr Geld nicht nur mit dem Verkauf der Spiele, sondern auch mit all den Menschen, die E-Sport anschauen. Die großen Turniere füllen Arenen. Mittlerweile auch in Deutschland. Vor Wochen kamen knapp 30 000 Menschen ins Frankfurter Fußballstadion, um ein E-Sport-Turnier zu sehen. Das ist nicht so weit weg vom Schnitt (knapp 48 000), den die Kicker der Eintracht ins Stadion locken.

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