Fußball international:Gallardos Gaumen

Coach Gallardo of Argentina's River Plate gestures during the first leg of their Copa Libertadores soccer match final against Mexico's Tigres in Monterrey

Steht vor dem wichtigsten Titel im südamerikanischen Klubfußball: River-Trainer Marcelo Gallardo.

(Foto: Daniel Becerril/Reuters)

Marcelo Gallardo kann die Copa Libertadores gewinnen, das lateinamerikanische Pendant zur Champions League.

Von Javier Cáceres

Vor gut vier Jahren überlegte Marcelo Gallardo lange, ob er ins Monumental gehen sollte, in das Stadion von CA River Plate in Buenos Aires, das er bestens kannte. Nahuel, sein ältester Sohn, drängte ihn zum Ja. Gallardo hatte allerdings diese düstere Ahnung, ein Pessimist ist manchmal ja auch nur ein informierter Realist. Er blieb dann zu Hause an jenem 26. Juni 2011, der als ein Tag der Schande in die Geschichte des Klubs eingehen sollte. River Plate, mit aktuell 35 Titeln argentinischer Rekordmeister, konnte den ersten Abstieg in der Geschichte nicht verhindern. "Es war ein Scheißgefühl. Ein richtiges Scheißgefühl", sagte Gallardo, der bei River Jugendspieler gewesen und zur Klub-Ikone gereift war.

Nun, vier Jahre später, ist Gallardo wieder bei River, diesmal als Trainer und integraler Bestandteil einer ungeahnt vollkommenen Wiederauferstehung. An diesem Mittwochabend (Ortszeit) spielt River im Monumental gegen den mexikanischen Klub Tigres de Monterrey das Rückspiel des Finals der Copa Libertadores, dem lateinamerikanischen Pendant zur europäischen Champions League. Das Hinspiel in Mexiko ging 0:0 aus. "Dieser Pokal darf uns daheim nicht mehr aus der Hand gleiten", sagte Gallardo, den sie seit seinen kindsgesichtigen Teenagertagen bei River bloß Muñeco rufen, die Puppe. Die Puppe sagt: "Ich hatte nicht mal Pickel."

Gallardo weiß, was es bedeutet, die Trophäe in den Händen zu halten, die den Befreiern Amerikas gewidmet ist. 1996 war er beim zweiten und bislang letzten Libertadores-Erfolg von River dabei. Zusammen mit einer weiteren Klub-Legende, dem Uruguayer Enzo Francescoli, war er einer der Mittelfeldspieler, die den ästhetischen Ansprüchen der River-Fans Genüge taten. Gallardos Feinfüßigkeit bedeutete freilich nicht, dass der auf dem Platz zurücksteckte, im Gegenteil. Obschon er niemals Schienbeinschoner trug - um die Regeln zu umgehen, stopfte er sich Watte- und Styroporattrappen in die Strümpfe -, galt er als impulsiver Spieler, der vor allem bei den Derbys gegen Rivers Intimfeinde, gegen den Boca Juniors, Raufereien regelrecht suchte. Einmal biss er Gery Medel in den Finger - das damals bei Boca tätige chilenische Raubein hatte Gallardo den Finger in den Mund gesteckt.

Gallardo prägte einen Stil, der beim Publikum ankommt

Ansonsten war Gallardo recht erfolgreich. Als Spieler holte er mit River sechs argentinische und mit dem AS Monaco einen französischen Meistertitel. In seinem letzten Jahr als Aktiver wurde er mit Nacional Montevideo in Uruguay Meister; nach seinem Karriereende sicherte er sich als Trainer den gleichen Titel mit dem gleichen Klub. Danach legte er die Arbeit nieder, um sich der Familie zu widmen. Doch als River rief, weil der letzte Meistertrainer Ramón Díaz hingeworfen hatte, sagte Gallardo sofort zu. Er knüpfte umgehend an alte Erfolge an, in 68 Pflichtspielen kassierte er bei 36 Siegen nur sieben Niederlagen, dazu räumte er zwei kontinentale Pokale ab: die Copa Sudamericana und den südamerikanischen Supercup. Vor allem aber prägte er einen Stil, der beim Publikum ankommt. "Er trägt die Essenz Rivers in sich", sagte sein Trainerausbilder Luis Eduardo Lescurieux der spanischen Zeitung El País. "Er kennt den Gaumen des River-Fans, der nicht irgendwie gewinnen möchte. Sondern durch schönes Spiel." River sei eine Elf nach dem Ebenbild der Puppe: offensiv, opferbereit, schnell.

Gallardo ist nicht der einzige River-Angestellte, der die DNA des Klubs in sich trägt. Gleiches gilt für die namhafte Ü30-Offensiv-Fraktion des Vereins, die von Spielern wie Javier Saviola, Fernando Cavenaghi und Lucho González angeführt wird. Sie alle hatten bei der berühmten, zuletzt aber mäßig produktiven Nachwuchsabteilung von River gelernt und kehrten nach langen Auslands-Aufenthalten zu River Plate zurück.

Im Gegensatz zu Cavenaghi, 34, und González, 31, wird Saviola, 33, gegen Tigres nicht von Beginn an spielen. Abweichend von Gepflogenheiten benannte Gallardo seine Startelf gegen Tigres schon 48 Stunden vor Anpfiff. Er wolle keine Geheimnisse hüten, sagte Gallardo: "Diese Mannschaft ist bereit."

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