Neu gegründete "Leipziger Zeitung":Mehr Popcorn-Aufmerksamkeit

Wochenblatt Leipziger Zeitung

Offenbar sind die Themen der neu gegründeten Leipziger Zeitung so heiß, dass man das Blatt vorsichtshalber mit Sonnenbrille lesen sollte.

(Foto: LZ)

Zum Start der "Leipziger Zeitung" waren die Hoffnungen groß. Nun berichtet das Stadtmagazin "Kreuzer" über Streit und miese Zahlen. Doch ist diese Berichterstattung eines Irgendwie-Konkurrenten korrekt?

Von Cornelius Pollmer

Säße man, nur mal angenommen, gerade an der Uni Leipzig in einem Businessplanseminar, mit was für einer zukunftsgeladenen Idee käme man da am besten um die Ecke? Eine Einschienenbahn zu den Seen der Region wäre schön, vielleicht auch ein digitales Meldesystem für den Eisvogel, dessen Brut den Floßgraben im Sommer so beharrlich blockiert.

Mit der Idee einer gedruckten Wochenzeitung für die Stadt müsste man wohl nicht beim Seminarleiter vorsprechen. Und doch gibt es in Leipzig - Stand heute - weder eine Einschienenbahn zum Cospudener See noch eine Eisvogel-App, seit Ende Mai aber ein gedrucktes Wochenblatt, die Leipziger Zeitung (LZ).

Die Aufmerksamkeit, die dem Projekt seit seiner Vorbereitung im Frühjahr zuteil wurde, war eine ganz besondere, es war eine Popcorn-Aufmerksamkeit. Die drei Gründer - Moritz Arand, Cesare Stercken, Robert Dobschütz - bekamen viel Besuch, in den meisten Texten von damals liest man einen etwas giftigen Gruß: Ihr seid bekloppt, das klappt ja nie, aber schön, dass ihr es trotzdem versucht!

12 000 Abonnenten gaben die Gründer als Ziel aus, sie korrigierten die Marke erst auf 5000, dann auf 3000. Und sie starteten schließlich: mit etwas mehr als 1000. Aber sie starteten.

Nun erreichen die drei Gründer wieder viele Anfragen, und das liegt an einer WildOst-Geschichte, die das monatlich erscheinende Leipziger Stadtmagazin Kreuzer in seiner August-Ausgabe veröffentlicht hat. Überschrift: "Angst und Schrecken in L.E. City". Darin wird von Streit berichtet und von Drohungen, von miesen Zahlen und von großer Nervosität.

Teil der Geschichte ist auch die Post von Anwälten, die das Magazin erreicht und in der versprochen wird, man werde die Berichterstattung des Kreuzers "auf ihren Wahrheitsgehalt und ihre sonstige Rechtmäßigkeit hin, etwa im Hinblick auf eine unzulässige Verdachtsberichterstattung, sehr genau prüfen".

"Wir schreiben schwarze Zahlen"

Sturm im Wasserglas? Nicht ganz. Die LZ war und ist ein in der Branche zumindest beachtetes Projekt, eine mindestens charmante Idee, zumal zur Belebung eines Marktes, der von der Leipziger Volkszeitung eher traurig-monopolistisch besetzt wird. Und selbst ein Sturm in der Karaffe ist nun mal ein Sturm. Im Kern geht es bei diesem Sturm um drei Fragen: Gibt es ein Zerwürfnis der Gründer der LZ? Steht sie finanziell an der Klippe und, wenn ja, wie nah? Ist die Berichterstattung eines Irgendwie-Konkurrenten darüber korrekt?

Anruf bei Moritz Arand, Gründer und Chefredakteur der LZ. Einstiegsfrage zum Warmwerden, macht das Spaß gerade, der Chef zu sein? Antwort: "Wir machen hier eine wunderbare Zeitung, mit allen Kinderkrankheiten, die es bei einem Start-up eben so gibt." Und stimmt die Bilanz? "Wir schreiben schwarze Zahlen, das ist, finde ich, eine sehr gute Nachricht. Wir sind Übersoll. Nichtsdestotrotz suchen wir Kapital, das steht aber auch so im Businessplan." Konkret sei man bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau vorstellig geworden, "da ist aber noch nichts in trockenen Tüchern."

Anruf bei Robert Dobschütz. Frage: Wie läuft es, mit den Lesern? Antwort: "Das ist irre, diese Zeitung wird in der Woche mittlerweile knapp 5000 Mal gekauft, das ist für Leipzig enorm." Und wie finden Sie die Recherchen im Kreuzer? "Es ist so eine kuriose Mischung aus Abo-Kampagne und Behauptungen."

Anruf bei Andreas Raabe, dem Chefredakteur des Kreuzer. Er sagt, sein Blatt habe die Geschichte gemacht, "weil es ein wichtiges Leipziger Thema ist und wir das Leipziger Stadtmagazin sind. Wir müssen darüber berichten, das geht gar nicht anders." Frage: Ist da noch Funkstille zwischen dem Kreuzer und der LZ? Antwort: "Es gab vergangenen Dienstag ein Treffen zwischen uns, da hat Herr Arand angekündigt, dass die Leipziger Zeitung juristisch nicht weiter vorgehen wird gegen uns. Das war übrigens ein sehr nettes Gespräch."

Einem der drei Gründer wird Veruntreuung von Firmengeldern vorgeworfen

Ob zumindest juristisch jetzt wirklich Ruhe ist, wollen weder Arand noch Dobschütz explizit sagen. Klar sind aber ein paar andere Dinge. Etwa, dass die LZ-Unternehmergesellschaft Strafanzeige gegen Cesare Stercken gestellt hat, den dritten Gründer, und zwar "wegen Veruntreuung von Firmengeldern, der Unterschlagung von Firmenunterlagen und dem Verrat von Betriebsgeheimnissen".

Klar ist, dass Robert Dobschütz sagt, weder er noch Moritz Arand hätten dem Kreuzer die Mails zugespielt, aus denen der zitiert und in denen es um die Suche der LZ nach Investoren geht.

Und klar ist vor allem auch, dass der Leipziger Zeitung jetzt eine Weile wieder jene Popcorn-Aufmerksamkeit zuteil werden dürfte, die womöglich zum Start einer Zeitung hilfreich ist, für deren Regelbetrieb aber wohl kaum. Denn gerade konzentriert sich die sehr genau beobachtete Verdachtsberichterstattung auf die Frage, ob die noch junge Leipziger Zeitung pleitegeht oder eben nicht.

Robert Dobschütz sagt über das Recherchegespräch mit dem Kreuzer: "Diese Firma ist nicht pleite, das gilt bis heute, aber das wurde mir nicht geglaubt, was soll ich denn da noch antworten?" Und Andreas Raabe sagt, dass er es wirklich schade fände, ginge die LZ tatsächlich pleite. Wie es weitergeht - man wird davon lesen; die Frage ist nur, wo.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: