Markt Schwabener Fotograf:Wie vom Blitz getroffen

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Potz Blitz: Wenn es am Himmel kracht wie hier 2014 am Chiemsee, steht Damian Warmula mit der Kamera bereit. (Foto: Warmula/privat)

Wenn sich andere bei Gewitter verkriechen, geht er raus: Damian Warmula jagt seit 15 Jahren Blitzen hinterher - mit der Kamera. Dabei hat er sich schon einige Male in Lebensgefahr gebracht.

Von Anja Blum

Seitdem die Männer nur mehr selten mit der Flinte in den Wald gehen, jagen sie anderen Dingen nach. Dem schnellen Geld, sportlichen Erfolgen oder schönen Frauen zum Beispiel. Was wohl alle modernen Jäger dabei verbindet, ist das Adrenalin, der Kick, wieder etwas erreicht, geschafft, erlegt zu haben.

Das ist auch bei Damian Warmula so. Den Markt Schwabener zieht es oft abends oder nachts nach draußen, gerade dann, wenn sich alle anderen in ihren Wohnungen verkriechen. Denn Warmula jagt, bewaffnet mit einer Kamera, Gewittern hinterher. Vor allem auf Blitze hat er es dabei abgesehen, denn diese leuchtenden Kraftfelder vor die Linse zu bekommen, ist seit 15 Jahren seine Leidenschaft. "Wenn ich weiß, da draußen braut sich was zusammen, lasse ich alles stehen und liegen", sagt er. "Dann hält mich nichts mehr."

Der Puls steigt, es rattert im Kopf: "Wo wird es losgehen und wann? Kann ich es schnell genug dorthin schaffen?" Die Ausrüstung liegt freilich im Auto, stets bereit für den nächsten Einsatz.

Von Angst keine Spur

Täglich informiert sich Warmula, im bürgerlichen Leben chemisch-technischer Assistent bei einer Ebersberger Firma, über die Wetterlage, sammelt Indizien, wie er das nennt. Von den offiziellen Unwetterwarnungen bis hin zu Diensten wie "Blitzortung live" nutzt er alle verfügbaren Kanäle für seine Recherche. Sogar eine seinem Hobby entsprechende Wohnung hat sich der Markt Schwabener zugelegt: Auf seinem Balkon im fünften Stock habe er eine sensationelle Sicht, erst kürzlich habe er von dort aus ein Gewitter in 200 Kilometern Entfernung, den Dolomiten, beobachtet. "Da oben kann ich mich auf jeden Fall immer schon mal orientieren, wo was geht", freut sich der 31-Jährige.

27 Mal schlug der Blitz ein, in 18 Minuten. Und Warmula hielt drauf. (Foto: Warmula/privat)

Begonnen habe seine Faszination für Gewitter und Blitze bereits in der Kindheit, erzählt Warmula. Schon als kleiner Junge sei er in seiner Heimatstadt Bad Mergentheim auf dem Balkon gestanden und habe das Stroboskop-Licht bewundert, von Angst keine Spur. "Diese unglaubliche Energie, die die Nacht zum Tag macht, wollte ich immer schon dokumentieren."

Bald bekam er eine kleine Kompaktkamera geschenkt - und fotografierte zunächst "jede Wolke". Lange habe es gedauert, bis er dank eines Tischstativs und jede Menge Glück seinen ersten Blitz abgelichtet hatte. Auf dem Foto sieht man außer diesem vor allem Nachbarhäuser und dunkle Wolken.

"Man muss lange belichten und hoffen, dass es blitzt"

Doch für Warmula war es die Initialzündung. Seitdem hat der gebürtige Oberschlesier in unzähligen Experimenten seine Technik perfektioniert: Hunderte sensationeller Gewitterbilder hat er mittlerweile auf seinem Rechner. Perfekt sei ein Foto dann, wenn man nahe genug an dem Blitz dran, dieser schön verästelt und darüber hinaus die Einschlagstelle zu sehen sei, so Warmulas Einschätzung. Eine Jackpot-Garantie gebe es aber trotz langer Erfahrung nicht, es sei immer auch Glück dabei: "Man muss einfach ganz lange belichten und hoffen, dass es blitzt." Erst kürzlich bei Pliening habe seine Kamera eine großartige Aufnahme gemacht - "während ich gerade das Auto umgeparkt habe".

Warmula ist fasziniert von der Naturgewalt, die sich in Gewittern zeigt, und auch von deren Ästhetik, den Himmelsgemälden aus Licht und Schatten, die in solch wilden Nächten entstehen. Viele seiner Bilder, die teils auch den Verlauf eines Gewitters über mehrere Minuten hinweg zeigen, hat er dementsprechend daheim an der Wand platziert. Mit dem metaphysischen Aspekt von Blitz und Donner hingegen, der Demut des Geschöpfs vor seinem kraftvollen Schöpfer, kann der 31-Jährige wenig anfangen. "Da bin ich eher auf der wissenschaftlichen Seite", sagt er.

Ein Zeichen von oben? Das könnten sich die Ebersberger im August 2013 gedacht haben... (Foto: Warmula/privat)

Und das merkt man auch: Immer wieder fallen Fachbegriffe wie Zelle und Amboss, und auch mit jeder Menge Zahlen kann Warmula aufwarten. Seiner eigenen Statistik nach gibt es im Ebersberger Raum, in dem er seit sechs Jahren lebt, durchschnittlich 30 Gewittertage im Jahr, Rekord war 2012 mit 41. "2015 ist aber auch ein gutes Jahr, wir liegen jetzt schon über dem Vorjahreswert", sagt der Markt Schwabener und grinst.

Allerdings bringt diese Gewitterdichte für Warmula viele kurze Nächte mit sich, wie man an den dunklen Ringen unter seinen Augen unschwer erkennen kann. Und Schlafmangel ist nur die eine Schattenseite von Warmulas Leidenschaft, die andere heißt Gefahr: Schon mehrmals hat er äußerst brenzlige Situationen erlebt, sei es auf dem freien Feld oder auf dem Ebersberger Aussichtsturm, einem seiner Lieblingsplätze.

Das Problem: Der Moment, in dem die Einschläge zu nahe kämen, sei verdammt schwer abzuschätzen. Mehrmals schon, erzählt der 31-Jährige, seien Blitze in hundert Metern Entfernung um ihn herum eingeschlagen. Mal in einen Baum, der gleich zu glühen anfing, mal in einen Baukran. Das lässt selbst einen Gewitter-Fan nicht kalt. "Diese Wucht, das Gleißen, die Funken, der Krach, die Druckwelle - da wird's einem schon wirklich anders."

Das Auto steht immer in der Nähe

Doch als Adrenalin-Junkie will Warmula nicht gelten: "Ich brauche immer eine Rückzugsmöglichkeit wie das Auto in der Nähe, sonst werde ich nervös", sagt er. Schließlich sei er sich der Gefahr durchaus bewusst - und alles andere als lebensmüde. Deswegen sind auf vielen Bildern Warmulas Regentropfen zu sehen, die auf der Windschutzscheibe hinunterlaufen.

Das Umfeld des 31-Jährigen reagiert "sehr unterschiedlich" auf dieses außergewöhnliche Hobby. Manch einer halte ihn für verrückt, andere hätten sich damit abgefunden. "Sie kennen mich ja nicht anders." Darüber hinaus aber gebe es auch einige Freunde, die er mittlerweile mit seinem Blitz-Virus regelrecht infiziert habe. "Die schicken mir dann immer ihre Fotos zur Begutachtung", erzählt der 31-Jährige, und man merkt, dass er sich schon ein wenig geschmeichelt fühlt.

Und was macht ein Gewitterjäger an jenen 300 Tagen im Jahr, an denen keine Blitze zu erwarten sind? Dann feilt er an seinen Statistiken oder bearbeitet und sortiert die Bilder. "Mir wird eigentlich nie langweilig", sagt Warmula. Schließlich sei seine Fotografie auch nicht auf Gewitter beschränkt. Bleibt der Himmel ruhig, fokussiert der Markt Schwabener Landschaften oder Architektur, gerne bei Nacht oder zu bestimmten Jahreszeiten. Außerdem hat er sich nun eine neue Spielwiese ausgeguckt, auf der er sich demnächst austoben will: die Astrofotografie. Auf die Ergebnisse, das ist sonnenklar, darf man gespannt sein.

Wer sich weiter über Damian Warmulas Fotografie informieren oder zu dem Markt Schwabener Kontakt aufnehmen will, kann das über seine Facebook-Seite tun.

© SZ vom 08.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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