Wohnungssuche:Und Du zahlst doch

Wohnungssuche: Der Weg zur neuen Wohnung ist oft lang und teuer.

Der Weg zur neuen Wohnung ist oft lang und teuer.

(Foto: imago stock&people)
  • Seit einigen Wochen müssen nun die Besteller den Makler bezahlen, sprich: meist die Vermieter.
  • Doch einige Makler zeigen sich sehr erfinderisch, um bei künftigen Mietern doch noch abzukassieren.

Von Jannis Brühl, Verena Mayer, Pia Ratzesberger und Angelika Slavik

Nur 131 Sekunden. Das ist wirklich nicht besonders lange, aber der Hamburger Wohnungsmarkt ist nun einmal nichts für Zauderer. "Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn Sie sich melden." Die junge Frau zieht eine Plastikhülle aus ihrer Tasche: "Die letzten zwei Einkommensnachweise", sagt sie, es klingt ein wenig atemlos. Außerdem: Schufa-Auskunft, Empfehlung des bisherigen Vermieters, sogar Kontaktnummern von Freunden und vom Arbeitgeber. Der Makler in dem kleinen Ein-Zimmer-Appartement lächelt milde. "Das brauchen wir fast nie", sagt er. Die Frau überhört den Einwand, "ich finde die Wohnung wirklich wunderschön", dann rauscht sie wieder ab und überlässt den Makler den Avancen der anderen Wohnungssuchenden. Es sind genau 131 Sekunden vergangen, seit sich die Wohnungstür geöffnet hat.

Erfindung neuer Gebühren

Nein, die Arbeit eines Immobilienmaklers scheint nicht unbedingt komplizierter zu sein als noch vor einigen Wochen - zumindest auf den ersten Blick. Denn seit dem 1. Juni gilt in Deutschland das Bestellerprinzip: Wer den Makler beauftragt, der muss ihn auch bezahlen. In der Regel sind das nun die Vermieter, vor Inkrafttreten des Gesetzes dagegen mussten im Normalfall die Mieter die Provision begleichen. Die Makler hatten selbstverständlich kein Interesse daran, dass sich an dieser Praxis etwas ändert, sie fürchteten um ihren Berufsstand - wenn die Vermieter zahlen müssen, beauftragen die dann überhaupt noch einen Makler?

Weil Proteste aber nichts halfen und das Gesetz nun gilt, versuchen es manche zu umgehen: Einige Makler hätten sich in den vergangenen Wochen erstaunlich erfinderisch gezeigt, um bei künftigen Mietern doch noch abzukassieren, erzählt Marc Meyer, Anwalt beim Hamburger Verein "Mieter helfen Mietern". Besonders beliebt sei die Erfindung neuer Gebühren: "Vertragsausfertigungsgebühren in Höhe von mehreren hundert Euro, das haben wir ein paar Mal gesehen", sagt Meyer. Andere hätten bei der Wohnungsvermittlung einfach Courtage verlangt wie vorher und darauf gesetzt, dass die Menschen nicht ausreichend informiert seien. Oder sie hätten die künftigen Mieter spüren lassen, dass nur der die Wohnung bekommt, der auch zahlt - und im Nachhinein noch einen Suchauftrag ausfüllt, damit es so scheint, als hätte er den Makler bestellt.

In der Hauptstadt Berlin zum Beispiel setzen vor allem Makler kleinerer Firmen oder solche, die auf eigene Rechnung arbeiten, auf diesen Trick. In Kreuzberg, einer der gefragtesten Wohnlagen, will eine Frau Anfang 20 unbedingt die inserierte Altbauwohnung, doch sie ist nicht die Einzige. Gemeinsam mit vier Dutzend anderen Bewerbern ist sie zur Besichtigung gekommen, der Makler sammelt die Selbstauskünfte ein, dann zieht er ein Blatt hervor. Die junge Frau soll unterschreiben, dass sie es war, die den Makler ins Rennen geschickt hat. Der Preis dafür: zwei Nettokaltmieten. "Vorab-Beauftragung" nennt sich das, erlaubt ist es nicht.

Wer die Wohnung will, soll noch einen Suchauftrag ausfüllen

Verstößt ein Makler gegen das neue Gesetz, droht ein Bußgeld von 25 000 Euro. Deshalb sind solche Ereignisse wie in Kreuzberg nach Einschätzung von Mietervereinen bisher Einzelfälle - allerdings ziemlich dreiste. "Wir gehen davon aus, dass sich in der Branche die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass sich Umgehungsversuche nicht lohnen", sagt Siegmund Chychla, Geschäftsführer des Mietervereins in Hamburg. Sein Kollege Jürgen Becher vom Kölner Mieterverein schränkt ein, dass auch der Vermieter die Kosten unfair umlegen kann: "Ich kann nicht ausschließen, dass ein Vermieter versucht, das Geld für den Makler wieder hereinzuholen, indem er zum Beispiel eine ramponierte Einbauküche zu einem völlig überteuerten Preis weitergibt". Ein finanzieller Ausgleich, den der Mieter niemals nachweisen kann - und im Zweifelsfall einfach hinnimmt.

Denn auf einem boomenden Wohnungsmarkt, wie in den meisten deutschen Großstädten, tun Mieter vieles, um an die gewünschte Wohnung zu kommen. Wohnraum ist knapp, die Konkurrenz groß - dann übernimmt man die Küche eben, auch wenn sie überteuert ist. Oder unterschreibt die Beauftragung des Maklers im Nachhinein. Auf genau diesen Effekt setzen manche Makler, für sie scheint es sich zu lohnen, das Risiko einzugehen und darauf zu hoffen, nicht bestraft zu werden.

"Zig andere Interessenten"

Auch Robert Heigl zum Beispiel hat diese Erfahrung gemacht. Ihm ist seine Vier-Zimmer-Wohnung im Münchner Süden mittlerweile zu groß, über ein Tauschportal im Netz fand der 28-Jährige eine Familie, die sein Appartement übernehmen und ihm im Gegenzug ihre bisherige Wohnung überlassen würde. Es klang nach der perfekten Lösung - bis der Makler hinzukam, den die Hausverwaltung in solchen Fällen engagiert. Der sah das ein wenig anders: Wenn die Familie die Wohnung sicher haben wolle, solle sie doch bitte den Vertrag mit Suchauftrag unterschreiben, die Zahlung der Provision würde dann bei der Familie liegen. Nur dann könne der Makler garantieren, dass er die Wohnung nicht an einen der "zig anderen Interessenten" gebe. Als Heigl ihn später darauf hinwies, dass dies gegen das Bestellerprinzip verstoße und auch bei der Hausverwaltung nachfragte, war von der Provision irgendwann doch keine Rede mehr - es war gleichzeitig aber auch nicht mehr möglich, die Wohnung an eine ausgewählte Person wie die tauschbereite Familie zu vermieten. "Der Verdacht liegt nahe, dass die Wohnung im Falle meiner Kündigung an die Person neu vermietet wird, die die geforderte Provision dann eben zahlt", sagt Heigl.

Interessenten anlocken

Um sicher keine Strafgebühren verordnet zu bekommen, aber trotzdem genügend zahlende Mieter zu akquirieren, hat sich auch das Verhalten der Makler im Netz geändert: Wer auf einem der großen Immobilienportale ein Objekt anfragt und das nicht mehr verfügbar ist, kriegt nun oft eine freundliche Antwort, man habe da sicher noch etwas im Angebot. Suchauftrag und Erfassungsbogen direkt im Anhang mit dabei, schließlich ist man "seit Kurzem gesetzlich aufgefordert, Sie zu bitten, uns mittels eines Suchauftrages schriftlich zu beauftragen", schreibt ein Kölner Makler. Ein Kollege aus München bietet ebenfalls an: "Wir wissen ständig von neuen Wohnungen. Senden Sie uns bitte diesen Auftrag zurück, dann werden wir gerne für Sie tätig." Nicht immer sind die nicht mehr vorhandenen Wohnungen wohl echte Angebote gewesen. "Sie dienen manchmal auch nur dazu, Interessenten anzulocken - und einen Suchauftrag zu bekommen", sagt Mieteranwalt Meyer.

Besonders absurd scheint das angesichts der Tatsache zu sein, dass der Immobilienverband Deutschland (IVD) am Bestellerprinzip vor allem kritisiert, dass Mieter nun überhaupt keine Chance mehr hätten, einen Makler zu beauftragen. Denn ein Makler "darf einem Suchenden nun keine Wohnungen mehr zeigen, die er schon in seinem Portfolio hat", sagt Jürgen Michael Schick, IVD-Präsident. Außerdem dürften Makler neu aufgetane Wohnungen, die sie dem Mieter in dessen Auftrag anböten, keinem weiteren Interessenten zeigen. Ein Blick ins Gesetz zeigt: Ein Makler darf von Wohnungssuchenden tatsächlich nur dann Provision fordern, wenn er ausschließlich wegen dessen Auftrags von einem Vermieter die Berechtigung einholt, "die Wohnung anzubieten". Natürlich aber steht es dem Makler weiterhin frei, Wohnungen aus seinem Portfolio, bei denen Vermieter um Vermittlung baten, einem Wohnungssuchenden anzubieten - "das stimmt nicht, dass der Makler das nicht darf, dann kommt eben der Vermieter für die Bezahlung auf", sagt Anja Franz vom Münchner Mieterverein.

Doch wollen die Vermieter überhaupt noch einen professionellen Wohnungsvermittler, wenn der plötzlich etwas kostet? Der Hamburger Makler bei der Besichtigung der Ein-Zimmer-Wohnung erzählt, dass es "natürlich" schon ein paar Hauseigentümer gebe, "die es jetzt lieber selbst machen wollen". Aber so eine Vermietung ist nun einmal auch ein Vorgang voller Papierkram, Vertragsklauseln und juristischer Fallstricke. Ungefähr zehn Prozent seiner Kunden hätten ihm signalisiert, dass sie sich nun zunächst selbst an der Vermietung ihrer Wohnungen versuchen wollten, erzählt er. "Ein paar haben es auch probiert und dann doch gesagt, ich solle mich darum kümmern." Der Makler lächelt.

Fragt man bei Haus & Grund nach, klingt die Situation ein wenig anders. Die Vermieter hielten sich an die neuen Regeln, heißt es dort, Veränderungen seien aber sofort spürbar gewesen. Es gebe jetzt immer mehr, die ihre Wohnung im Do-it-yourself-Verfahren an den Mann bringen wollten, vor allem, wenn sie in der Nähe der Wohnung lebten, sagt ein Sprecher des Eigentümerverbandes.

Ein Blick nach Berlin, in die Stadt der Start-ups, legt nahe, dass er recht hat. Denn dort hat das neue Gesetz sogar zu einer kleinen Gründerwelle geführt. Plattformen, die sich "Housy" oder "Immodelfin" nennen, versuchen, Mieter und Vermieter zusammenzubringen, ganz ohne klassischen Makler. Auch Andre Torkler, ein junger BWL-Absolvent, ist jetzt Geschäftsführer eines Start-Ups namens "WunderAgent", das seit Anfang Juni Wohnungen vermarktet. Mieter dürfen auf der Website ein Such-Profil erstellen, Hausverwaltungen und Vermieter können sich helfen lassen oder gar ein "Rundum-Sorglos-Paket" buchen. Dann übernehmen die Leute von "WunderAgent" für knapp 500 Euro alles, von den Fotos für die Anzeige über den Besichtigungstermin bis zur Schlüsselübergabe. Wenn man Torkler anruft, sprudelt er los, was für ein "Window of Opportunity" das neue Gesetz sei. "Da gab es dann die frischen Start-up-Jungs, die gleich gesagt haben: Wow, Bestellerprinzip." Seine Firma begann mit einer Handvoll Hausverwaltungen und gerade mal 50 Immobilien, klassisch auf Immoscout oder Ebay inseriert. Torkler gibt zu, dass man sich die Kunden "Stück für Stück erarbeiten" müsse, ist aber überzeugt von seinen Kampfpreisen. Für Vermieter sei die Vermittlung heute keine Wahl-, sondern eine Kostenentscheidung, sagt er. 500 Euro, das ist in den meisten Fällen wohl billiger als zwei Nettokaltmieten.

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