Linksaußen:Much too Matsch

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Die Schlammschlacht an sich war lange unterschätzt. Bis 80000 Heavy-Metal-Fans begannen, Jahr für Jahr ein 220 Hektar großes Gelände in Wacken umzupflügen. Auch im Fußball setzt sich das Stilmittel allmählich durch

Von Johannes Schnitzler

Die Schlammschlacht ist - kulturgeschichtlich betrachtet - ein weißer Fleck. In der Politik ist ihre Bedeutung zwar angemessen belegt, vom US-amerikanischen Vorwahlkampf bis zum schlichten CSU-Parteitag. Die Schlammschlacht als solche, insbesondere ihre Gemeinschaft stiftende Qualität, war indes lange Zeit unterschätzt. Bis 80 000 Heavy-Metal-Fans begannen, Jahr für Jahr ein 220 Hektar großes Gelände in der schleswig-holsteinischen Torfheide umzupflügen.

Vor einer Woche ist das Wacken Open-Air zu Ende gegangen, und wenn man den Überlebenden glauben darf, war es wieder eine richtig schöne Schweinerei. Aus dem Schlammbad zu Schwermetallmusik ist mittlerweile eine eigene Sportart entstanden, der sog. Strongmanrun. Schlickstapfen für Strammwadler.

Beim Bayernligisten FC Pipinsried heißt der starke Mann bekanntlich Konrad Höß, und Konrad Höß käme es niemals in den Sinn, seinen Wiesen etwas anderes angedeihen zu lassen als liebevolle Pflege. Höß mäht, mulcht und wässert den lieben langen Tag seine Fußballplätze, dass es eine Art hat. Wenn die Sonne brennt, spannt er über jedem einzelnen Halm ein Schirmchen auf. Wird das Wetter im Spätherbst schlechter, sagt er prophylaktisch alle Spiele ab, also etwa ab Mitte September. Seine von ihm "bundesligareif" (Höß) getrimmten Matten in Schlammwüsten verwandeln zu lassen, wäre für Konrad Höß die schlimmste anzunehmende Strafe - in etwa so abschreckend wie der Einkauf in einem FC-Bayern-Fanshop für einen 1860-Fan. Blanker Horror.

Genau dazu hat eine Münchner Amtsrichterin nun zwei Löwen-Anhänger verdonnert. Das Duo hatte nach dem Derby der beiden Amateurteams im August 2014 einen Bayern-Fan seiner Kluft beraubt. Das Urteil: Gefängnis - oder Ersatzklamotten besorgen aus dem Rote-Hosen-Laden. Die Richterin soll übrigens 1860-Anhängerin sein.

Um Konrad Höß vergleichbar zu demütigen, müsste man ihn schon zwingen, seine Strafräume mit Kunstrasen auszulegen. Aber welches Verbrechens müsste sich der 76-Jährige dafür schuldig machen? Höß, der Strongman aus dem Dachauer Hinterland, liefert sich allenfalls gelegentliche Schlammschlachten mit seinen Trainern. Am Sonntag hat Pipinsried zu Hause gegen Garching 2:3 verloren, der FC steht jetzt auf einem Abstiegsrelegationsplatz. Die Wahrscheinlichkeit einer schönen Moorpackung für Spielertrainer Ömer Kanca steigt.

© SZ vom 10.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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