1860 wirft Hoffenheim aus dem Pokal:Große und kleine Gewinner

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Groß und Klein freuen sich über das 2:0 gegen Hoffenheim: Fejsal Mulic und Daylon Claasen. (Foto: Rauchensteiner)

Die unter ungewöhnlichen Umständen gewachsene Mannschaft des TSV 1860 München zeigt beim 2:0 gegen Hoffenheim ihre Qualitäten.

Von Markus Schäflein

Wer eine Idee davon bekommen wollte, was beim Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München an jenem Abend beim Pokal-2:0 gegen Erstligist Hoffenheim passiert war, musste nur die Namen der beiden Torschützen lesen: Fejsal Mulic, der Stürmer aus der Regionalliga-U21, der so lange verletzt war und längst kein fertig ausgebildeter Fußballprofi ist. Und Daylon Claasen, der Südafrikaner, der in der vergangenen Saison eine Eignung für die zweite Fußball-Bundesliga nur ganz selten angedeutet hatte und zu den vielen seltsamen Transfers des früheren Sportchefs Gerhard Poschner in den Fehleinkaufstopf geworfen wurde.

Da hatte eine Mannschaft gewonnen, in die Trainer Torsten Fröhling alle integriert hat, die ihm zur Verfügung stehen und seiner Meinung nach integriert werden wollen - allzu viele sind das angesichts ausbleibender Zugänge ja nicht. "Ich habe immer gesagt, dass die Mannschaft gute Qualität hat und dass das meine Mannschaft ist", sagte Fröhling nach dem Überraschungssieg gegen den laschen Bundesligisten. "Und sie ist jung und lernt noch weiter."

Ein bisschen Effektivität im Abschluss würde nicht schaden - dann hätte Sechzig viel früher führen können. Rubin Okotie scheiterte an Hoffenheims Torwart Oliver Baumann (10.), Marius Wolf verfehlte das Tor knapp (19.), Gary Kagelmacher schoss aus der Distanz über das Tor (22.), Daniel Adlung traf weder per Kopf (28.) noch mit einem strammen Schuss (31.). "Ich habe schon ein bisschen Bedenken gehabt, dass es wieder läuft wie gegen Freiburg", gab Kapitän Christopher Schindler zu; da hatte 1860 trotz guter Leistung 0:1 verloren.

Doch so kam es nicht, denn dann kam Claasen - nach Zuspiel des ebenfalls herausragenden Marius Wolf erzielte er das Führungstor (51.). Wolf, 20, machte beste Werbung für die laufenden Gespräche über eine langfristige Vertragsverlängerung. Und Claasen fiel nicht nur durch sein Tor auf, er rannte auf und ab und kreuz und quer, erkämpfte Bälle, beförderte sie beherzt nach vorne. Es war eine Explosion mit Ansage - die Ansage hatte Fröhling gemacht. Im Trainingslager in Tirol hatte er ihn als den großen Gewinner entdeckt - unverhofft nach einer missratenen Spielzeit. "Daylon hatte ein ganz schwieriges letztes Jahr in München, er war noch nicht richtig angekommen", erklärte Fröhling nun nach dem Spiel gegen Hoffenheim. "Er ist ein neuer Mensch gewesen in der Vorbereitung, hat seine Chance gewittert, hat sich selber reingekämpft."

Schon gegen Freiburg (0:1) hatte Claasen ein ganz starkes Spiel in der Arena gezeigt. Seine Geschichte erzählt von einer Verkettung glücklicher Umstände, sie zeigt, wie diese Mannschaft zusammengebaut wurde. Dass er die Gelegenheit bekam zum Stammspieler zu werden, hatte er auch der chaotischen Kaderplanung zu verdanken. In der Vorbereitungszeit hatte Fröhling den Südafrikaner als Rechtsverteidiger spielen lassen, übergangsweise, in der Annahme, es werde schon noch ein Zugang für diese Position gefunden. Irgendwann nach (!) Saisonbeginn fand sich der Trainer damit ab, dass wohl kein neuer Rechtsverteidiger kommen würde. Er versetzte den als Sechser eingeplanten Gary Kagelmacher wieder nach außen: "Ich habe das dann abgesegnet - es kommt keiner, ab jetzt will ich keinen mehr, ab jetzt geht Gary da rüber und das Ding ist damit abgeschlossen." Dass der 21-jährige Milos Degenek, der vom VfB Stuttgart II kam, nun der Stammsechser ist, stört Fröhling nicht: "Auch Gary hätte auf der Position noch mehrere Spiele gebraucht, um bei hundert Prozent zu sein." Und Claasen? Rutschte aufgrund seiner beeindruckenden Einsatzfreude nicht raus aus der Mannschaft, sondern nach vorne ins Mittelfeld.

Dass Mulic in der 93. Minute seinen Treffer bejubeln durfte, hat ebenfalls mit der speziellen Personallage zu tun - denn der sehnlichst gewünschte neue Angreifer ist auch nicht in Sichtweite. Weil Fröhling die Spitzen aus konditionellen und taktischen Gründen irgendwann tauschen wollte, blieben ihm nur: Mulic und Stephane Mvibudulu, ein weiterer Angreifer aus der Regionalliga-U21, der bei seinem ersten Profieinsatz eine gute Ballbehauptung zeigte.

Fröhling muss nun einen rhetorischen Spagat schaffen. "Ich werde einen Teufel tun, meine Mannschaft schlechtzureden, nur um Zugänge zu bekommen", sagt er einerseits, "das ist ja die Mannschaft, die es rausreißen muss." Andererseits fordert er nach wie vor "gezielte Verstärkungen". Die Qualität sei gut, aber die Breite genüge nicht, argumentiert er nun: "Es darf sich niemand verletzen, und im Training können wir ja kaum elf gegen elf spielen." Er könne sich vorstellen, "dass wir vielleicht doch noch eine beruhigte Saison spielen können - wenn man an den Stellschrauben dreht"

© SZ vom 10.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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