Kommentar:Der Chef geht voran

Deutsche-Bank-Chef John Cryan fängt an aufzuräumen. Er muss auch das Klima der Angst beseitigen, das die Mitarbeiter im Konzern lähmt. Dass er mit der Ära seines Vorgängers Anshu Jain brechen will, hat er sehr deutlich gemacht.

Von Meike Schreiber

John Cryan verliert keine Zeit. Erst seit fünf Wochen führt er als Co-Chef, gemeinsam mit Jürgen Fitschen, die Deutsche Bank, öffentlich aufgetreten ist er bislang noch nicht - und trotzdem hat der Brite bereits klargemacht, dass er mit der Ära seines Vorgängers Anshu Jain brechen will. Gleich zum Amtsantritt hat er die Mitarbeiter der Bank in einem Rundschreiben auf harte Zeiten vorbereitet ("Der Status quo ist keine Option"). Wenig später hat er in einer Telefonkonferenz mit Analysten kühl die Grundübel der Bank benannt: die zu hohen Kosten, die diffusen Entscheidungswege, die gewaltigen Rechtsrisiken. Und nun ordnet er auch noch die Rechtsabteilung neu.

Cryan zeichnet das Bild einer Bank, die außer Kontrolle geraten ist, und setzt sich damit bewusst von seinem Vorgänger Anshu Jain ab. Der hatte zwar nicht verschwiegen, dass die Deutsche Bank mit Problemen kämpft, aber letztlich doch stets den Eindruck vermittelt, als sei das Schlimmste überstanden und die Zukunft irgendwie gülden. Jain hatte bis zum Schluss behauptet, dass die Aktionäre hinter ihm stünden - doch auf der Hauptversammlung verweigerten weite Teile der Aktionäre ihm die Gefolgschaft. Zum Kontrollverlust kam noch Realitätsverlust hinzu.

Dass nun Cryan einen anderen Weg als Jain einschlägt, ist so clever wie folgerichtig. Clever, weil er umso mehr glänzen wird, wenn seine Strategie aufgeht. Folgerichtig, weil seine Diagnose den Zustand des Konzerns trifft. Die Investoren wissen das zu schätzen, die Aktie ist seit Cryans Amtsantritt um fast zehn Prozent gestiegen. Das liegt im Wesentlichen an zwei Dingen. Zum einen hält der neue Chef an der Universalbank-Strategie seiner Vorgänger fest, er setzt also weiterhin sowohl auf das Investmentbanking, als auch auf das klassische Bankgeschäft. Aber: Er will deutlich drastischer sparen.

Zum anderen hat Cryan einige geschickte Personalentscheidungen getroffen. So übernimmt er im Vorstand selber die Verantwortung für das wichtige Rechtsressort, das sich um die Altlasten der Ära Jain müht: um verbriefte US-Immobilienkredite oder den jüngsten Geldwäscheverdacht in Russland. Bislang hat die Bank für Rechtsstreitigkeiten fast zehn Milliarden Euro zahlen müssen, weitere 3,8 Milliarden sind zurückgestellt. So teuer hätte es nicht sein müssen, wenn die Bank in den letzten Jahren besser mit den Aufsichtsbehörden kooperiert hätte.

Es ist konsequent, dass Cryan die Verantwortung für das heikle Thema übernimmt. Der Brite ist kein Jurist und wird seine Zeit nicht mit dem vertieften Studium der zahlreichen Rechtsfälle verbringen; dafür sind die neuen Chefs der Rechtsabteilung zuständig. Aber: Der Vorstandschef übernimmt die Verantwortung und wird auch den Kopf hinhalten müssen, wenn wieder etwas schiefgeht.

John Cryan muss auch das Klima der Angst beseitigen, das den Konzern lähmt

Das ist ein Unterschied zu Jain. Dieser war viel zu belastet durch seine eigene Vergangenheit als Investmentbanker, als dass er sich an die Spitze der juris- tischen Aufarbeitung hätte setzen können. Lieber wählte Jain das weiche Thema des Kulturwandels zum Leitmotiv seiner Regentschaft.

Insofern setzt sich der von der Vergangenheit unbelastete Cryan auch in diesem Punkt von Jain ab. Er delegiert Verantwortung nicht weg, um sich selber schadlos zu halten. Das ist neu für eine Bank, deren Manager zuletzt lieber die Verantwortung an teure Berater auslagerten. Der Konzern schien gefangen zu sein in einem Klima der Angst, etwas falsch zu machen, und der Bequemlichkeit, etwas selbst zu entscheiden.

Dass Cryan nun auch den langjährigen Chefjustiziar Richard Walker entmachtet hat, zeigt ebenfalls, wie ernst er es mit dem Aufräumen nimmt. Walker war ein Vertrauter von Jain und führte seit 14 Jahren das Rechtsressort; er war schon im Amt, als sich auch Händler der Deutschen Bank in London daran beteiligten, den wichtigsten Referenzzins der Finanzmärkte, den Libor, zu manipulieren. Walker gehört zu der Riege jener ehemaligen und amtierenden Spitzenmanager, die nun von der deutschen Finanzaufsicht Bafin für ihren Umgang mit den Zinsmanipulationen kritisiert wurden.

Gut möglich, dass Cryan noch weitere Spitzenkräfte aus der Ära Jain austauscht. Gut möglich, dass dazu auch einige Spitzenmanager zählen, denen die Bafin Fehler in der Libor-Affäre vorhält. Entscheidend für Cryan wird nicht sein, ihnen wie in einem Strafprozess konkret Schuld nachzuweisen. Vielmehr geht es darum, jene auszumachen, die verantwortlich waren für eine Organisation, in der solche Manipulationen möglich wurden; und das sind in der Regel Vorstände. Nur mit personellen Konsequenzen wird die Bank Vertrauen zurückgewinnen.

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