OSZE-Mission in der Ostukraine:Beobachter unter Beschuss

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Zwei Männer dokumentieren den Anschlag: Ausgebranntes OSZE-Fahrzeug in Donezk. (Foto: REUTERS)
  • In den Separatistengebieten in der Ostukraine und an der Front häufen sich tätliche Angriffe auf Menschen und Material der OSZE.
  • Zuletzt wurden am Wochenende in Donezk mehrere Fahrzeuge der Beobachtermission angezündet.
  • Der OSZE-Sprecher in der Ukraine spricht dennoch davon, dass die Mission erfolgreich verlaufe. Denn trotz der Attacken erfahre die OSZE immer genauer, wer den Waffenstillstand breche.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Etwa fünfhundert Männer und Frauen, darunter Waffen- und Aufklärungsspezialisten, die Bombenkrater vermessen oder den Einsatz von Drohnen steuern, sind derzeit für die OSZE in der Ukraine unterwegs, der Großteil von ihnen im Kriegsgebiet im Osten.

Im Auftrag der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sollen sie sehen und berichten, was die Kriegsparteien bisweilen lieber ungesehen und unberichtet wüssten, sollen herausfinden, wer, wo und wann im Krieg zwischen der Ukraine und den von Russland unterstützten Separatisten die so mühsam ausgehandelten Vereinbarungen regelmäßig unterläuft.

Tätliche Angriffe häufen sich

Von Anfang an war der Einsatz nicht ungefährlich. Die neugierigen Ausländer in den weißen Jeeps, die sich das Vertrauen der lokalen Bevölkerung mühsam erkämpfen mussten, waren vor anderthalb Jahren auf Bitten der ukrainischen Regierung in das Spannungsgebiet geschickt worden. Mittlerweile sollen sie dort vor allem den im September 2014 erstmals ausgehandelten Waffenstillstand überprüfen, den beide Seiten aber kaum einhalten.

In den ukrainisch kontrollierten Gebieten des Donbass funktioniert das mittlerweile gut. Menschenaufläufe, Graffiti auf den Autos, Beschimpfungen sind selten geworden. Anders in den Separatistengebieten und an der Front, wo die Kampfhandlungen unvermindert weitergehen: Hier häufen sich tätliche Angriffe auf Menschen und Material so dramatisch, dass die OSZE angekündigt hat, ihre "Aktivitäten in bestimmten Teilen des Konfliktgebiets" zumindest zu "überprüfen".

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Am Wochenende waren in Donezk, der Hauptstadt der von den Separatisten ausgerufenen Donezker Volksrepublik, bei einem Brandanschlag vier Fahrzeuge der OSZE zerstört worden. Die gepanzerten Autos brannten vollständig aus. Vor knapp zwei Wochen waren mehrere OSZE-Beobachterteams bei Donezk und Luhansk unter Beschuss geraten, an der Südfront bei Schirokine war ein Mitarbeiter offenbar gezielt beschossen worden.

Immer wieder gibt es außerdem Proteste vor den Hotels, in denen die Beobachter unterkommen; zuletzt hatte eine wütende Menge kurz vor dem Brandanschlag auf die Jeeps gegen "Schweigen und Blindheit" der OSZE demonstriert. Tage zuvor waren Autos besprüht und zeitweilig unbrauchbar gemacht worden.

Zum Teil, heißt es bei der OSZE, habe es sich um "orchestrierte Proteste", zum Teil um spontane Aktionen gehandelt. Der OSZE-Sprecher in der Ukraine, Michael Bociurkiw, versucht, die Angriffe mit der äußerst angespannten humanitären Lage der Bevölkerung zu erklären: "Die OSZE wird als Vertreterin der internationalen Gemeinschaft angesehen. An ihr wird die Frustration darüber abgelassen, dass der Konflikt sich nicht beruhigt, sondern immer wieder verschärft."

Bociurkiw betont gleichwohl, wie erfolgreich die Ukraine-Mission sei. Weil mittlerweile 80 Teams die Region regelmäßig bereisten und immer mehr Fachleute darunter seien, gebe es mehr "geografische und technische Abdeckung". Was er meint: Die OSZE sieht und erfährt trotz aller Versuche, ihre Arbeit zu behindern, mehr denn je.

Aufklärungsarbeit teilweise unmöglich

Das schlägt sich zunehmend auch in den täglichen Reports nieder: Immer häufiger steht dort ziemlich konkret zu lesen, dass es vorwiegend die Separatisten sind, welche die Waffenstillstandsvereinbarung brechen. Und dass immer wieder Belege für eine aktive Intervention russischer Truppen gesammelt werden.

Das gefällt nicht jedem. Wobei die Diplomaten bei der OSZE sich hüten würden, mit dem Finger auf Moskau zu zeigen, das die Mission in der Ukraine offiziell unterstützt. Aber: Seit Monaten schon klagen die Verantwortlichen darüber, dass Milizionäre der DNR und LNR (Luhansker Volksrepublik) die Durchfahrt durch Straßensperren verweigern und die Kontrolle von umkämpften Gebieten unterbinden würden, was die Aufklärungsarbeit teilweise unmöglich mache.

Akzeptanz der OSZE fehlt

Die Drohnen, die vor allem zur Überwachung von Truppenaufmärschen und Waffenlieferungen an der ukrainisch-russischen Grenze eingesetzt werden sollten, würden häufig beschossen und seien "regelmäßig heftigem Jamming" ausgesetzt, würden also mit technischen Mitteln irritiert. OSZE-Sprecher Bociurkiw sagt dazu trocken, dass die sehr spezielle Technologie dafür sicher nicht "regional verfügbar" sei und auch sehr spezieller militärischer Expertise bedürfe.

Dass die Zahl der Angriffe auf die OSZE-Beobachter zunimmt, erklärt OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier damit, dass es vor allem auf Seiten der Separatisten an Akzeptanz für die Rolle der OSZE fehle. "Diese Art der Einschüchterung soll die OSZE offenbar davon abhalten, über die Vorgänge hier zu berichten", fügt der stellvertretende Leiter der OSZE-Beobachtermission, Alexander Hug, in Kiew hinzu. Es gebe aber vorerst keine Pläne abzuziehen oder sich dem wachsenden Druck zu beugen.

© SZ vom 11.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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