Ausnahmetänzer im Kubiz:Anmut und Akrobatik

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Ein Tänzer der Salzburger Akademie in Aktion. (Foto: Angelika Bardehle)

Die Schüler der Salzburg International Ballett Academy verzaubern das Publikum in Unterhaching mit einem vielfältigen und ausdrucksstarken Programm

Von Franziska Gerlach, Unterhaching

Draußen ist es brütend heiß, drinnen wehen Schneeflocken über die Bühne. Ein wenig ungewöhnlich ist das schon, eine internationale Ballett-Gala im Hochsommer mit Tschaikowskys "Nussknacker" zu eröffnen - dem Weihnachtsstück schlechthin. Um dieses Paradoxon noch mit Humor anzureichern, trägt der einzige Tänzer beim Schneeflocken-Walzer eine schwarze Wollmütze. Wenn schon, denn schon. Dem Publikum im Unterhachinger Kubiz gefällt jedenfalls, was die Schüler der Salzburger International Ballett Academy (Siba) am Samstagabend zeigen - trotz oder vielleicht auch gerade wegen humoristischer Einlagen wie dieser. Sie jubeln und applaudieren, als eine Ballerina ihre Pirouetten so präzise dreht wie ein Mathematiker den Zirkel, eine um die andere, nicht einmal verliert sie ihren Fixpunkt aus den Augen. Eine perfekte Performance, die Choreografie sitzt.

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Ob zeitgenössisch oder klassisch, ob athletisch oder elegant: die Eleven der Salzburg International Ballett Academy machten im Kubiz stets Bella Figura.

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Ballett - das ist die Kunst der Körperspannung...

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...aber auch die Kunst, den Anschein der Mühelosigkeit zu demonstrieren.

Sie stammt von Peter Breuer, dem Ballettdirektor und Choreografen des Salzburger Landestheaters. Außerdem leitet er die Siba-Sommer-Workshops, die immer mit einer Revue in Unterhaching enden und sich in den vergangenen Jahren als feste Größe im Kulturleben der Gemeinde etabliert haben. Eine Frau, die kurz vor Beginn der Gala in den Saal huscht, schürt Erwartungen. "Das ist immer ganz toll - modern, klassisch, total vielseitig", sagt sie. Eine glatte Untertreibung. Denn wer das Programmblatt nicht kurzerhand zu einem Fächer umfunktionierte, der fand darin eine Aufstellung von mehr als 20 Soli und Gruppentänze. Vier Wochen lang hatte das Team um Peter Breuer mit 43 Teilnehmern aus aller Herren Länder ein Programm erarbeitet, in das die jungen Talente auch eigene Ideen einbringen konnten. Und was sie für die Bühne eingeübt haben, erwies sich als Füllhorn der Darbietungsformen - ein Konzentrat dessen, was Tanz alles sein kann: Lee Leybel als "Carmen" in karminroter Robe strotzte nur so vor Ausdruckskraft, ein zeitgenössischer Auftritt. Die kanadischen Brüder Mckinley und Lakota Knuckle ergänzten ihre gewaltigen Sprünge um Elemente der Akrobatik, es gelang ihnen auf der kleinen Bühne sogar, mehrere Flickflacks hintereinander zu springen. Die Griechin Sofia Krania überzeugte mit Tiefgang. Barfuß, die langen Haare offen warf sie sich in flatterndem Gewand zu Boden, wand sich, bog den Rücken, als wolle sie einen Dämonen abschütteln.

Ausdrucksstark kam die Ballett-Gala nicht nur in Form der tänzerischen Darbietung daher - auch das Licht konnte sich sehen lassen. (Foto: Angelika Bardehle)

Da hätte die nächste Darbietung gegensätzlicher nicht sein können: Ein Mädchen im weißen Tutu mit einer Schärpe in Pink schwebt über die Bühne. Noch zierlicher, noch zarter als die anderen, streckt Annliese Brown ihr rechtes Bein zur Arabesque, einen Augenblick verharrt die junge Amerikanerin in der wohl elegantesten Pose des Balletts. Dann fließen ihre Glieder wieder, sie geht auf in der Rolle der klassischen Ballerina. Dass sie mehr zu bieten hat als unschuldige Anmut, soll Brown später noch in der Gruppe beweisen. Denn als sie in Turnschuhen zu Alesha Dixons "The boy does nothing" einem jungen Herrn, der im Haushalt keinen Finger krümmt, die Leviten liest, respektive tanzt, setzt sie ihre Schritte selbstbewusst. Fast schon kokett lässt sie die Hüfte kreisen.

Wie sexy Spitzenschuhe zu Hotpants aussehen, sollte aber eine andere zeigen. Zu Britney Spears Version von "Satisfaction" ließ sich die Engländerin Paige Bestington von vier Tänzern durch die Lüfte tragen. Federleicht? Nicht ganz. Das dumpfe Klacken der Ledersohlen auf dem Bühnenboden verrät die Anstrengung, die die Hebefiguren und das Ausbalancieren des eigenen Gewichtes auf der Fußspitze den Tänzern abverlangen. Wie viele Stunden standen sie in den vergangenen Tagen und Wochen vor dem Spiegel, probten wieder und wieder denselben Sprung? Ballett - das ist die Kunst der Körperspannung, der bis in die Fingerspitzen perfektionierten Bewegungsabläufe. Es ist aber auch die Kunst, den Anschein der Mühelosigkeit aufrechtzuerhalten. Und die jungen Siba-Schüler beherrschen es schon jetzt, den Zuschauer zu verzaubern und mitzunehmen, das zeigt sich nicht zuletzt bei Ravels "Boléro", dessen ekstatischen Aufbau die Kompanie traditionell am Ende der Gala nach einer Choreografie von Breuer umsetzt: Zu Beginn, wenn Querflöte und Klarinette den Dreivierteltakt der Kleinen Trommeln noch für sich haben, sind ihre Bewegungen vage. Den Rücken zum Publikum schiebt die Gruppe ihre Hüften nach rechts, die Arme werden langsam nachgezogen. Einzelne Tänzer scheren aus, zeigen wilde Sprünge und sinken in den Spagat, während sich die Kompanie in Gang setzt, mit geschmeidigen Schritten tanzt sie sich der Klimax entgegen, ganz eins mit der Musik. Und dann, in dem Moment als draußen ein Regenschauer die Schwüle des Tages durchbricht, entlädt sich die Energie auf der Bühne. Wie Magneten streben die Körper aufeinander zu, um sogleich wieder wehmütig auseinander zu gehen. Mann und Mann, Frau und Frau, am Ende nehmen die Männer die Frauen Huckepack. Wie schön, dass sich das Ballett von seiner einstigen Strenge emanzipiert hat. Und man nach zwei herrlich kurzweiligen Stunden im Kubiz anmerken kann: Nussknacker im Sommer - immer wieder gerne.

© SZ vom 11.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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