Eichenau:Polster der Freundschaft

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Ein Eichenauer und ein Syrer finden über die Arbeit zusammen

Von Julia Kiemer, Eichenau

Das mit dem Zufall ist so eine Sache. Manchmal macht er einem einen Strich durch die Rechnung und manchmal scheint es so, als habe er nur darauf gewartet, Menschen zusammenzuführen. Letzteres ist jetzt in Eichenau passiert. Gleich zweimal hat der Zufall mitgespielt, damit zwei völlig unterschiedliche Menschen, ein Flüchtling aus Syrien und ein Eichenauer, nicht nur Nachbarn geworden sind, sondern auch eine Freundschaft zwischen den beiden Männern entstanden ist. Dabei hat die Tatsache, dass berufliche Gemeinsamkeiten bestehen, eine wesentliche Rolle gespielt.

Rafik Jandali, der in seiner Heimat als Polsterer gearbeitet hat, konnte seinem neuen Nachbarn Andreas Kammerer helfen und vier seiner Stühle neu beziehen. Im Gegenzug bekam er von Kammerer, der gelernter Schreiner ist, eine neue Arbeitsplatte in seiner Wohnung. Nur durch Zufall erfuhren die beiden von den beruflichen Gemeinsamkeiten. Beim Einzug in ein Mehrfamilienhaus zeigte Kammerer dem Flüchtling seine Hobbywerkstatt und bot ihm an, diese mitzubenutzen. "Das fand ich sehr nett und großzügig", sagt Jandali. Daraufhin habe er erzählt, dass er ein gelernter Polsterer sei und als solcher bis zur Flucht aus Syrien gearbeitet habe. Kammerer, der erst überrascht von diesem Zufall war, zeigte ihm daraufhin die Stühle, die seit einiger Zeit auf einen neuen Bezug warteten. "Rafik bot sofort seine Hilfe an und erzählte, dass er die Arbeit sehr gerne übernehmen würde", erzählt der 48-jährige Eichenauer. So erhielten die Stühle neue Bezüge. Im Gegenzug tauschte ihm der Hobbyschreiner die abgenutzte Arbeitsplatte in der neuen Bleibe aus.

Die berufliche Gemeinsamkeit sei der erste Schritt in Richtung einer Freundschaft gewesen. Mittlerweile habe man ein gutes Verhältnis, sein neuer Nachbar sei sehr hilfsbereit und freundlich, erzählt Kammerer. Manchmal nehme er Jandali mit zum Baumarkt oder nach Fürstenfeldbruck. "Da kommt er ja sonst mit dem Rad nicht hin." Und für ihn sei das selbstverständlich, seine Hilfe anzubieten. Außerdem beruhe das, wie man gesehen habe, auf Gegenseitigkeit. "Nur die Verständigung ist manchmal nicht ganz einfach", merkt der Eichenauer an. Der Syrer spricht nur schlecht Deutsch, im Gespräch hilft eine Dolmetscherin bei der Verständigung. Ab September wird er einen Integrationskurs besuchen und dort auch Deutsch lernen. "Aber ich lerne schon Tag und Nacht", erzählt Jandali. Überall in seiner Wohnung hängen kleine Zettelchen mit deutschen Wörtern. "Das ist mein Haus", fügt er dann als Beweis für seine mühsam erlernten Kenntnisse hinzu.

Der Syrer kam im September 2014 über die Türkei und Italien nach Eichenau. Auf die Frage, ob er von seinem Weg nach Eichenau erzählen möchte, antwortet er mutig: "Ich habe keine Angst davor, zu erzählen, was mir passiert ist." In Syrien habe ihm der Krieg keine Wahl gelassen, als zu flüchten. Er sei über das Meer nach Italien gekommen, es habe auf der zehntägigen Reise ständig geregnet, erzählt der Syrer. Sein Ziel war Deutschland, Schwester und Tante leben bereits in Berlin. Er habe sie auch schon besucht, ursprünglich sei auch der Plan gewesen, später dorthin zu ziehen. "Aber in Bayern hat es mir besser gefallen. Hier sind die Menschen so freundlich, hilfsbereit und grüßen immer", sagt er. Auch die bayerische Kultur, Feste wie das Maibaumaufstellen, gefallen ihm. In Eichenau lebte er nach seiner Ankunft zunächst in der Erstaufnahme. "Im Februar ist er dann bei uns gelandet", erzählt Yasemin Bilgic, die sich beim Asylhelferkreis um die Suche nach Wohnungen für anerkannte Flüchtlinge kümmert. Er wohnte in den Wohncontainern am Schreberweg, bis sich sein Bewerberstatus änderte. Sein Antrag hatte Erfolg, er ist fortan ein anerkannter Asylbewerber. Es habe bei ihm nicht lang gedauert, er habe großes Glück, meint der 63-Jährige. Bilgic half ihm bei der Wohnungssuche und entdeckte die Anzeige von Thomas Kammerer, dem Bruder von Andreas Kammerer. Der zeigte sich sofort begeistert, einem Flüchtling helfen zu können. Die Wohnung sei zwar ursprünglich als Studentenbleibe geplant gewesen, aber sein Bruder habe die Arbeit des Asylkreises schon länger verfolgt und sowieso helfen wollen, erzählt Kammerer.

Jandali ist angekommen und dankbar. Dass es Schicksal war, glaubt er nicht. Aber der Zufall habe ihm zu seiner jetzigen Situation verholfen, das bestreite er nicht, sagt Jandali.

© SZ vom 12.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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