Veränderungen der Isar:Wasser für die Reißende

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Karl Probst ist in Lenggries am Fluss aufgewachsen. Er engagiert sich seit Jahrzehnten bei der Notgemeinschaft "Rettet die Isar jetzt"

Von Erik Häussler, Lenggries

Karl Probst ist ein Augenzeuge für die Entwicklung und Veränderung der Oberen Isar. Der 57-Jährige ist in Lenggries aufgewachsen, er kennt den Fluss seit seiner Kindheit - die frühsommerlichen Hochwasser ebenso wie das ausgetrocknete Flussbett. Über die Jahre hat er beobachtet, was sich an seinem Fluss verändert hat. Vieles daran hat ihm nicht gefallen, vor allem nicht, wo der Mensch massiv in die Natur eingegriffen hat. Probst engagiert sich deshalb seit Jahrzehnten ehrenamtlich in der Notgemeinschaft "Rettet die Isar jetzt". Der Verein besteht seit 1974.

Probst kam Anfang der 80er Jahre dazu. "Mich hatte das Thema schon immer interessiert. Dann musste ich den Verein ja unterstützen", beschreibt der Zahnarzt seine Motivation. Seit vorigem Jahr ist er erster Vorsitzender des Vereins und damit quasi erster Kämpfer für einen Fluss, der in den Anfangsjahren des Vereins wirklich in Not geraten war. Die massiven Ableitungen aus den Zuflüssen und aus der Isar selbst zu diversen Wasserkraftwerken, vor allem zum Walchenseekraftwerk, hatten den Fluss zwischen Krün und Vorderriss komplett verschwinden lassen. Eine Kieswüste blieb zurück, wo sich einstmals die "isara rapida", die Reißende, durch das Alpenvorland ihren Weg bahnte. Bereits in den 1920er Jahren wurde das Wasser abgeführt.

Die ökologischen Auswirkungen erschienen damals zweitrangig. Das wollte und will der Verein ändern. Zusammen mit Abgeordneten, Bürgermeistern und Verbänden haben die Mitglieder nach der Gründung Unterschriften gesammelt, um auf die Probleme aufmerksam zu machen. Der Erfolg kam langsam, aber er kam: 1990 erreichten die Isarretter, dass bei Krün im Sommer eine Restwassermenge von rund fünf Kubikmetern in den Fluss zurückgeleitet werden muss. Die Isar begann wieder zu fließen. Ein Meilenstein für den Verein und Probst. Aber das Ziel ist noch nicht erreicht. Das Engagement geht weiter, viele Zuflüsse, wie der Rissbach, sind bis heute über 300 Tage im Jahr trocken. Sie sollen, geht es nach dem Verein, wie die Isar zumindest wieder eine Restwassermenge führen.

Die geforderte Rückleitung würde den Kraftwerken einen Teil ihres Wassers nehmen, was eine geringe Einbuße bei der Stromerzeugung bedeutet. Weil der Bedarf nach Strom aus erneuerbaren Energien aber immer wichtiger wird, findet die Forderung nicht nur Freunde. Die mehr als 170 Mitglieder des Vereins würden immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, sie seien Gegner der Energiewende, sagt Probst. "Schwachsinn", antwortet er. Es gehe dem Verein um Rücksicht auf die Natur. Die Stromgewinnung soll es weiter geben, aber unter Beachtung von heutigen Nachhaltigkeitsstandards.

Hoffnung macht Probst der Fall der Dürrach in Tirol. Dort fließe wieder Restwasser, nachdem sich Umweltverbände dafür stark gemacht hatten. Ein Erfolg, zu dem "Rettet die Isar jetzt" seinen Teil beigetragen hat. Für den anhaltenden Isar-Einsatz wurde der Verein vor zehn Jahren mit dem Umweltpreis des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen ausgezeichnet.

Dass es der Notgemeinschaft aber nicht nur um das Isarwasser allein geht, wird in den Gesprächen mit Probst und seinen Mitstreitern schnell klar: Die Isar als Gesamtes steht im Fokus. Sie seien sich der Schönheit der Landschaft rund um die Isar und deren Anziehungskraft auf Erholungssuchende bewusst. Die Menge an Leuten, die inzwischen auf und an der Isar unterwegs seien, sehe man kritisch, so Probst. Ausflügler mit Billigschlauchbooten, die am Ufer campen oder Feuer machen, Veranstalter, die im großen Stil Raftingtouren anbieten, rücksichtlose Mountainbiker, all das könne der Natur im Fluss, am Ufer und an den Wegen schaden. Langfristig wünscht sich Probst deshalb eine Isar-Verordnung, die festlegt, was zu tun und was zu unterlassen sei.

Probst hat einen Wunsch: "Die Isar soll wieder etwas von ihrem ursprünglichen Charakter zurück bekommen. Ich wünsche mir eine Erhaltung der echten Natur an der Isar und ihrer Auen". Es solle Plätze geben, die weder für die Energiegewinnung noch für die Erholung von Menschen genutzt würden. "Das wird nicht einfach", sagt Probst. Seine Vereinskollegen und er, so verspricht er, würden auch weiterhin auf Probleme hinweisen, auf die kommunalen Politiker und Landtagsabgeordneten einwirken und dabei eng mit Behörden und anderen Naturschützern zusammenarbeiten.

© SZ vom 12.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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