Basketball:Akademie Westpark

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Rund 1,5 Millionen investiert der FC Bayern jährlich in seinen Nachwuchs. In der vergangenen Saison holten die U19 und die U14 den deutschen Titel, Karim und Noah Jallow gehörten zu den Stützen ihrer Teams. Eine Begegnung mit der Zukunft des Vereins

Von Ralf Tögel, München

Es ist still im Westpark. Hier, wo vor ein paar Wochen noch der Wahnsinn tobte, als sich die Basketballer des FC Bayern München in die Sommerpause verabschiedeten. In einer langen Reihe saßen die Spieler vor dem Audi Dome, schrieben ihren Namenszug auf alles, was man ihnen entgegenstreckte. Es gab Freibier und Gegrilltes für die Fans, großer Bahnhof, wie das so üblich ist nach einer langen und anstrengenden Saison. Einigen Spielern merkte man die Enttäuschung noch an: Vizemeister, ein Titel, den es gar nicht gibt. Aber so schlecht ist der zweite Platz nun auch wieder nicht. Trainer Svetislav Pesic hat den Fans ja noch ein Versprechen da gelassen, ehe auch der Serbe sich in den Urlaub verabschiedete: In der kommenden Saison, kündigte der 65-Jährige an, werde der FC Bayern den deutschen Titel zurückholen, hierher nach München, in den Westpark. So wie im Jahr davor, als das 2010 ins Leben gerufene Basketballprojekt des Rekordfußballmeisters die Saison mit dem national maximalen Erfolg abgeschlossen hatte.

Jetzt ist wieder alles ruhig. Im Biergarten neben der Halle suchen die ersten Besucher im Schatten der Kastanien Schutz vor der Sonne. Die Spieler, die Trainer, die Offiziellen, alle weg. Im Urlaub. Bei der Nationalmannschaft. Der Profi-Kader für die neue Saison steht weitgehend, Zeit zum Durchatmen also. Alles ruhig. Wäre da nicht dieses Ploppen unten in der Halle. Unverkennbar das Geräusch, wenn ein Basketball auf den Hallenboden prallt. Offenbar sind doch nicht alle in die Sommerfrische verschwunden. Karim und Noah Jallow werfen ein paar Bälle. Die Brüder spielen für die Jugend des FC Bayern, und sie haben das gemeinsam, was die Profis in dieser Saison nicht geschafft haben: Sie sind deutsche Meister.

Noch fehlen Karim, 18, und Noah Jallow, 13, ein paar Zentimeter zu ihren großen Idolen. (Foto: Florian Peljak)

Noah zählt zu den hoffnungsvollen Talenten der Münchner. Der 13-Jährige triumphierte auf nationaler Ebene mit der U14, zählt zum Kader der Nationalmannschaft. Sein Bruder ist Ausdruck der deutlich gestiegenen Ambitionen des FC Bayern, eigene Talente für die höchsten Ansprüche zu entwickeln. Karim, 18, war maßgeblich am Titelgewinn der NBBL-Mannschaft beteiligt und hat kürzlich einen Profivertrag mit zwei Jahren Laufzeit unterschrieben. Mit Dejan Kovacevic und Sebastian Schmitt haben damit erstmals drei Eigengewächse den Sprung in den Profikader der Bayern geschafft. Geschäftsführer Marko Pesic hat dies mit blumigen Worten begleitet, er sprach von Stolz und Anerkennung für die Arbeit der Nachwuchsabteilung. Der Verein hat die Bemühungen mit einem Zehntel des Gesamtetats alimentiert, was in etwa 1,5 Millionen Euro bedeutet. Ganz nach dem Vorbild der Fußballer soll sich das Engagement in ein lohnendes Investment auswachsen. Das Geld scheint gut angelegt zu sein.

Die Hände. Wenn einem die Jallow-Brüder gegenübersitzen, fallen einem zuerst diese riesigen Hände ins Auge. Noah besucht die Emile-Montessori-Schule, nicht nur seine Hände sind außergewöhnlich groß, er misst mit gerade einmal 13 Jahren 185 Zentimeter. Ziel ist das Abitur, sagt er schüchtern. Sonst? Mal sehen. Wieso sollte sich ein 13-Jähriger auch tiefer schürfende Gedanken über seine Zukunft machen. Wie er zum Basketball kam? Die Antwort sitzt neben ihm. Natürlich habe ihn Karim mitgenommen und ihn angespornt, zusammen mit Papa Karamo. Der Vater ist 1995 wegen seiner jetzigen Frau von Gambia nach München gekommen, schon in seiner Heimat hat er gern Basketball gespielt, erzählt Karamo Jallow. "Meine Freunde spielten alle Fußball", erinnert er sich, er lieber Basketball. Das blieb auch in seiner neuen Heimat so. Auf einem Freiplatz habe ihn ein Freund angesprochen, ob er nicht beim FC Bayern spielen wolle.

Das Posieren vor der Fototapete wirkt schon einmal ziemlich professionell. (Foto: Florian Peljak)

Nun schließt sich der Kreis. Der Profivertrag für seinen Sohn macht ihn stolz. Auch bei Karim haben die Jallows darauf gedrungen, dass er einen Schulabschluss macht, vor einem Jahr hat er die Mittlere Reife erreicht. Seine Mutter ist Lehrerin, sie habe "sehr darauf geachtet", sagt Karim. Es sei durchaus vorgekommen, dass das Training ausfallen musste, wenn die schulischen Leistungen nicht gestimmt haben: "Dann musste ich büffeln." Der FCB bot ihm an, ein Freiwilliges Soziales Jahr zu machen, seine Leistungen auf dem Parkett deuteten längst in Richtung Profikarriere. Jetzt sagt er: "Ich fühle mich super wohl hier, mit dem Vertrag ist schon ein Traum in Erfüllung gegangen." Karim hat sich tiefere Gedanken über seine Karriere gemacht, er wäre eigentlich mit der U20-Nationalmannschaft zur EM gefahren, hat sich aber im letzten Lehrgang zwei Bänder im Sprunggelenk gerissen. Jetzt beginnt er wieder mit dem Training, täglich steht er in der Halle. Irgendein Coach ist immer zur Stelle. In der jüngeren Vergangenheit hätten sich viele Berater gemeldet, ein Talent wie er ist begehrt. "Ich kenne Marko und Svetislav Pesic, ich brauche niemanden, der für mich mit ihnen spricht", sagt Karim. Er hat sich also von seinen Eltern beraten lassen.

Die Entscheidung war sowieso keine schwierige: "Was will man in Deutschland mehr?", fragt er: "Gerade was der Verein in den letzten Jahren in den Jugendbereich gesteckt hat." Er habe immer "super Trainer" gehabt, zuletzt Oliver Kostic, ein erfahrener Proficoach, der gleich in seinem ersten Jahr mit der U19 den Titel gewann. Der Sprung zu den Profis ist für den 1,98 Meter großen Guard mit der Schuhgröße 48,5 allerdings enorm, Karim Jallow weiß das.

Svetislav Pesic hatte ihn vor einem Jahr erstmals ins Trainingslager zu den Profis eingeladen. "Überraschend" sei das für ihn damals gewesen. Jetzt will er den nächsten Schritt machen: "Mal sehen, ob ich das ein oder andere Mal im Kader stehen darf, oder sogar die ein oder andere Minute bekommen kann." Spielzeiten bekommt er sicher im Regionalliga-Team, Coach Kostic, der auch dieses Perspektiv-Team betreut, wird sich freuen, dass er Karim weiter in der Mannschaft hat. Noah hört interessiert zu, immer wieder werfen sich die Brüder Blicke zu. Gleich wird es wieder ploppen in der Halle. Karim und Noah Jallow wollen noch ein paar Bälle werfen.

© SZ vom 13.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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