Kommentar:Tierschützer als Prügelknaben

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Sie erledigen Pflichtaufgaben der Kommunen und das auch noch ehrenamtlich. Statt Unterstützung erfahren sie Hass und Anfeindungen. Warum?

Von Helmut Zeller

Die Fotos knuddeliger Katzenbabys werden zuhauf und fast täglich in den sozialen Netzwerken gepostet - nicht nur wie kürzlich zum Weltkatzentag. Wir haben sie eben zum Fressen gern. Nein, auf den Tisch kommen natürlich die anderen, die sogenannten Nutztiere aus industriellen Mastbetrieben. 56 Millionen Schweine und vier Millionen Rinder werden alljährlich in Deutschland geschlachtet. Wie die Tiere geschunden werden, müsste inzwischen jedermann klar sein. Aber man wendet den Blick ab. Katzen kommen dagegen auf den Schoß. In jedem dritten Haushalt in Deutschland leben sie, insgesamt 12,3 Millionen. Dumm haben es dagegen die frei lebenden Katzen getroffen, auch die im Landkreis Dachau. Fotos von den Streunern werden nicht gepostet, wären auch nicht possierlich: verfilztes Haar, räudige Haut, entzündete Nasen und Augen. 98 Prozent der Katzen, die das Dachauer Tierheim bekommt, haben Parasiten, sind abgemagert und krank.

Warum das so ist? Weil noch immer viele Tierhalter sich weigern, die Katzen zu kastrieren, und die Kommunen trotz aller Appelle der Tierschützer keine Verordnung zur Kastrationspflicht erlassen wollen. Eine Katze wirft dreimal im Jahr vier bis sechs Jungtiere, die bereits nach bis zu zehn Monaten paarungsbereit sind. Angenommen ein Katzenpaar bekommt im Jahr zweimal Nachwuchs und aus jedem Wurf überleben drei Kätzchen, dann ergibt das in zehn Jahren mehr als 80 Millionen Katzen. Viele der Streuner sterben einen langsamen und qualvollen Tod.

Dagegen kämpft das Tierheim Dachau - jedoch ziemlich alleine und ohne Anerkennung von Politik und Bürgern. Im Gegenteil, ein besonders arger Zeitgenosse diffamierte jüngst die Tierschützer öffentlich, warf ihnen Verschwendung oder gar finanzielle Unregelmäßigkeiten vor. Nichts daran ist wahr. Auch der Vorwurf von Kommunalpolitikern, das Tierheim vermittele zu wenig Tiere, ist unbegründet. 2013 etwa hatte das Tierheim 1096 Tiere, am Ende des Jahres waren es noch 84. Warum ziehen die ehrenamtlich tätigen Tierschützer so viele Aggressionen auf sich? Klar ist: Nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen der Verhaltensbiologie und Anthrozoologie muss man Tierschutzgegnern das kognitive Niveau von Leuten attestieren, die heute noch glauben würden, dass die Sonne sich um die Erde dreht.

© SZ vom 13.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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