Golfprofi John Daly :Eisen im Wasser

Lesezeit: 3 min

Bunter Vogel auf der Tour: der US-Amerikaner John Daly (r.). (Foto: Kevin C. Cox/AFP)

In Whistling Straits rastet der Rock'n Roller des Golfsports mal wieder aus. Er ist ein Fossil, das seine beste Zeit hinter sich hat.

Von Gerald Kleffmann, Whistling Straits/München

Phil Mickelson war schon nicht schlecht in Form. Der 45-jährige Amerikaner aus San Diego, fünf Major-Siege schwer, setzte sich auf eine Scorekarte, legte die Beine in den Schneidersitz - und schon rutschte er den Hang hinab. Dass es auf einem bei der 97. PGA Championship in Whistling Straits, Wisconsin war und sogar Tausende zusahen, störte das Mitglied der World Golf Hall of Fame, der Ruhmeshalle aller Golfer, überhaupt nicht. War ja auch noch auf der Proberunde, Mitte der Woche. Ein kleiner Jux.

John Daly dagegen war weniger zimperlich. Zweite offizielle Runde beim letzten von vier Majors der Saison am Freitag, Bahn 7, ein tückisches Par-3 über 190 Meter, der Ball sollte also im Idealfall mit einem Schlag auf dem Grün landen und dann mit zwei Putts zum Par im Loch verschwinden. Daly, der 49-jährige Rock'n'Roller seiner Zunft, der so viele Höhen und Tiefen im Leben hatte wie hundert Menschen zusammen, er greift zum Eisen 6. Er holt aus - der Ball verschwindet im Lake Michigan, der unterhalb dieser Bahn szenisch eindrucksvoll liegt. Er droppt, er lässt einen Strafball fallen. Wieder senst er den Ball ins Nass. Dritter Ball, es ist jetzt schon mit zwei Strafschlägen sein fünfter Schlag, knallt er wieder die Kugel in den See. Den vierten Ball im Spiel schlägt er dann lustlos irgendwo ganz links hin. Am Ende steht eine 10 auf seiner Ergebniskarte.

Noch auf dem Fußmarsch hinunter zum siebten Grün rastet Daly aus. Er holt aus - und diesmal verschwindet sein Eisen 6 in hohem Bogen im Wasser. Ein Moment für die Ewigkeit, urkomisch. Kurz darauf angelt sich ein Junge von einem Boot aus, das sein Vater steuert, den Schläger mit den Händen heraus und hebt ihn wie einen Zwölfender in die Höhe. Der Moment ist auch komisch - und doch tieftraurig. Denn Daly ist ein Gescheiterter in einem Sport, dem er so viel gab. Und der ihm so viel gab. Aber im Griff hat er sich immer noch nicht. Wird er wohl auch nie haben. Ein Junge reckt seinen Schläger wie einen Skalp. Dieses Bild wird bleiben.

Im Grunde hat Daly auf dem Niveau eines Majors nicht mehr viel zu bieten. Vor allem nicht in der Langzeitbetrachtung. In Whistling Straits nun, wo er nach zwei Runden mit elf Schlägen über Par (73+82) den Cut, die Spielberechtigung für die beiden Schlussrunden verpasste, waren mal wieder seine selbst entworfenen Hosen das einzige, worauf Verlass war. Sie waren hässlich wie immer. Sein Spiel indes funktionierte manchmal, meist aber sah es nach einer Qual aus. Dass er überhaupt mitspielen durfte, lag daran, dass er 1991 auf spektakuläre Weise PGA Champion geworden war. Und PGA Champions immer wenigstens bei diesem Turnier auf Lebenszeit antreten dürfen. Weil der Südafrikaner Nick Price Vater wurde und absagte, rückte Daly damals als Ersatzmann nach in Carmel, Indiana. Ohne Vorbereitung zischte er über den Platz - und siegte. Eine Tornado-Story. 1995 holte er auch die berühmte Claret Jug, die Weinkaraffe bei der Open Championship in Großbritannien. 2004 sein letzter Triumph, auf der PGA Tour. Seit 2006 dümpelt er auf allen Touren der Welt umher.

Anfangs hatte er noch eine Spielberechtigung, dann war er immer mehr, bis heute, auf Einladungen angewiesen. Sein Privatleben ist voller Eskapaden, Drogen, Alkohol, Scheidungen, Gewalt, Spielsucht, Entzug, Rückfall, nichts hat er ausgelassen. Er raucht auch heute noch auf dem Platz, als einer der ganz wenigen. Er kann ein herrlicher Golfer sein, sein Ballgefühl ist riesig, auch wenn er vor allem für seine unfassbar langen Abschläge bekannt ist. Er war Ende der Neunzigerjahre der erste, der in einer Saison im Schnitt den Ball mit dem Driver weiter als 300 Yards schlug, rund 270 Meter. Dass er immer noch das Rohe in sich hat, zeigt er immer wieder. Kürzlich veröffentlichte er ein Foto von sich auf einer Harley-Davidson sitzend, die nächste Verlobte auf sich drauf sitzend, in anzüglicher Pose. "Luvin my ride", schrieb er dazu, ich liebe meine Fahrt.

Es las sich, als meinte er das auch metaphorisch. Ein Daly bleibt ein Daly. Ein Rock'n'Roller eben, der sich selbst von tausend Niederlagen nicht brechen lässt.

Kürzlich meinte er, und es zeigte sich, wie weltfremd er beizeiten geworden ist, dass er gerne Ryder-Cup-Kapitän werden würde. Dieser Posten beim Kontinentalkampf der besten Golfer aus den USA und Europa ist ein heiliger. "Das wäre ein Spaß. Ich weiß nicht, ob ich ins Anforderungsprofil passe und ob die PGA of America mich will. Ich weiß nur, dass mein Team einen Wahnsinnsspaß hätte. Wenn jemand keine Krawatte tragen möchte, dann trägt er keine. Es soll Spaß machen" - ja, so sagte er das. Und weiter: "Ich denke, wenn man so viele Jahre favorisiert wird, so wie wir es wurden, dann sind wir zu verklemmt. Ich glaube, wir setzen uns selbst zu sehr unter Druck. Wir müssen einfach rausgehen und Golf spielen. Es ist toll, für unser Land zu spielen, aber am Ende ist es immer noch ein Spiel für Gentlemen."

Das mag sein. Es ist aber auch ein Spiel, in dem Daly wie ein Fossil wirkt. Wie einer, der nicht wahrhaben will, dass er seine gute Zeit schon hinter sich hat.

© SZ vom 16.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: