Postbank:Wie Banken um Girokonto-Kunden buhlen

General Views Inside The European Central Bank's New Headquarters

Die Frankfurter Banken-Skyline.

(Foto: Bloomberg)
  • Unter Banken ist ein Kampf um neue Girokonto-Kunden entbrannt.
  • Das liegt unter anderem am Datenschatz, der sich in der Haupt-Bankverbindung verbirgt.
  • Es wird künftig sehr viel einfacher, ein Konto zu wechseln.

Von Harald Freiberger und Meike Schreiber, Frankfurt

Die Bankverbindung zu wechseln, ist aufwendig. Man muss nicht nur Arbeitgeber, Vermieter oder Finanzamt informieren, sondern auch Daueraufträge ändern. Kein Wunder, dass viele Kunden davor zurückschrecken. Wer den Papierkram trotzdem in Angriff nimmt, wird immer öfter mit Bargeld belohnt. Mal sind es 100 Euro, mal nur 50, manchmal gibt es sogar zusätzlich Geld, wenn man das Konto wieder kündigt.

Unter den Banken ist ein regelrechter Kampf ums Girokonto ausgebrochen. Die Postbank setzt nun noch einen drauf: Seit Anfang August bietet die Deutsche-Bank-Tochter Wechselwilligen zeitlich befristet eine Prämie von 250 Euro. Die gibt es zwar nur als Amazon-Gutschein und gestaffelt danach, ob der Kunde bestimmte Bedingungen erfüllt, wie Gehaltseingang und regelmäßige Abbuchungen, aber zumindest 200 Euro sind für Kunden leicht zu erreichen. Für die letzten 50 Euro muss er auch noch einen neuen Kunden werben.

Warum sind Girokonto-Kunden so interessant für die Banken? Das liegt unter anderem am Datenschatz, der sich in der Haupt-Bankverbindung verbirgt. "Das Girokonto wird für Banken eine immer wichtigere Rolle spielen", sagt Bankenexperte Sven Korschinowski von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Denn über das Girokonto läuft der größte Teil des Zahlungsverkehrs, auf diesem Wege erfährt die Bank also auch am meisten über den Kunden. "Bislang haben die Institute dieses Wissen kaum genutzt, künftig aber werden sie versuchen, den Kunden auf Basis dieser Daten viel passendere, individuell zugeschnittene Angebote zu machen, etwa für einen Verbraucherkredit oder die Altersvorsorge", sagt Korschinowski.

"Jeder Kunde kann selbst entscheiden, ob er die Prämie mitnehmen will"

Erfunden hat die Geschenkprämie die Commerzbank. Sie gewährt Kunden schon seit Jahren 50 Euro, wenn sie mit dem Girokonto zu ihr wechseln. Ende 2012 wurde das Angebot erweitert um eine "Zufriedenheitsgarantie": Wer das Konto nach einem Jahr wieder schließt, bekommt weitere 50 Euro. Comdirect, die Direktbank-Tochter der Commerzbank, hat ein ähnliches Angebot und wirbt: "100 Euro, wenn Sie zufrieden sind. 150 Euro, wenn nicht."

In den vergangenen Monaten schlossen sich immer mehr Institute der Gratis-Welle an, vor allem Direktbanken. DAB Bank, Consorsbank, VW- und Audi-Bank schenken Wechselwilligen jeweils 50 Euro, bei ING-Diba sind es 75 Euro, bei Wüstenrot direct 80 Euro, bei 1822 direct 100 Euro. Manche befristen die Offerte bis Ende August oder September. Und meist ist das Geschenk an weitere Bedingungen geknüpft, etwa eine Mindestzahl von Überweisungen im Monat oder einen Mindestbetrag von 1000 Euro, der eingehen muss. Alle wollen sie, dass der Kunde seine Haupt-Bankverbindung bei ihnen hält.

Von 2016 an sollen Angebote besser vergleichbar sein

Wer künftig ein Girokonto eröffnen will, soll leichter herausfinden können, wer das günstigste Angebot hat. Das ist das Ziel eines Gesetzesvorhabens, zu dem die Bundesregierung jetzt einen Referentenentwurf vorgelegt hat. Darin ist festgelegt, dass die Kreditinstitute für die einzelnen Gebühren keine verschwurbelten, unverständlichen Begriffe benutzen dürfen. Stattdessen soll eine "standardisierte Zahlungskontenterminologie" verwendet werden. Außerdem sollen Webseiten, auf denen Verbraucher die Konditionen verschiedener Anbieter vergleichen können, von staatlicher Seite ein Zertifikat erhalten, wenn sie bestimmte Standards erfüllen. Dazu gehört beispielsweise, dass sie nicht nur die Gebühren auflisten, sondern auch erwähnen, über wie viele Filialen und Geldautomaten die jeweilige Bank verfügt.

Außerdem sollen Banken in Zukunft niemanden mehr abweisen dürfen, der bei ihnen ein einfaches Girokonto eröffnen will. Auch Obdachlose, Asylbewerber und Ausländer, die mit einer sogenannten Duldung in Deutschland leben, sollen das Recht erhalten, ein sogenanntes Basiskonto zu eröffnen - und zwar bei einer Bank ihrer Wahl. Voraussetzung ist, dass sich der Kunde legal in der EU aufhält. Bei dem "Basiskonto" handelt es sich um ein Konto auf Guthabenbasis, das heißt, der Kunde kann Geld erhalten und auch selbst überweisen. Er bekommt auch eine Bankkarte, kann aber nicht sein Konto überziehen. Seit 1995 gibt es für die Einrichtung sogenannter Jedermann-Konten in Deutschland schon eine Selbstverpflichtung der Banken. Die Bundesregierung war mit der Umsetzung der freiwilligen Maßnahme aber nicht zufrieden.

Mit den neuen Regelungen für Girokonten werden zum Teil auch EU-Vorgaben umgesetzt. Die abschließenden Beratungen in Bundestag und Bundesrat werden für Anfang 2016 erwartet.

dpa

Dieses Kalkül rechnet sich für die Institute jedoch immer später: Früher konnten sie mit dem Girokonto schon alleine deshalb gut Geld verdienen, weil sie das Kundenguthaben zu hohen Zinsen anlegten. Das ist seit Beginn der Minizinsen-Ära vorbei. Hinzu kommt, dass inzwischen schon ein Drittel der 94 Millionen Konten in Deutschland, meist bei den Direktbanken, ohne Gebühren geführt werden. Auch am Tagesgeld lässt sich kaum noch Geld verdienen. Am Ende bleibt also häufig nur der Ertrag aus Dispozinsen und die Hoffnung, dass der Kunde auch Wertpapiere kauft oder eine Immobilie finanzieren will.

Geldgeschenke als Marketing

Und natürlich versuchen die Banken seit einiger Zeit, an anderer Stelle Gebühren einzutreiben, für Überweisungen per Papier oder wenn fremde Kunden an ihren Geldautomaten abheben wollen.

Martin Zielke, der Privatkunden-Vorstand der Commerzbank, gibt offen zu, dass die Geldgeschenke für Neukunden unter Marketingkosten verbucht werden. Je nach Vertriebskanal kostet es die Commerzbank 150 bis 250 Euro, einen neuen Kunden zu gewinnen. Das Kalkül: Es ist egal, ob man dieses Geld für Werbung ausgibt - oder es dem Kunden gleich schenkt. Bei der Commerzbank scheint die Strategie aufzugehen. Seit Ende 2012 hat sie 666 000 neue Kunden gewonnen. Das Ziel, bis Ende 2016 mehr als eine Million Kunden einzusammeln, ist in greifbarer Nähe.

Deutsche Bank steigt bei der Postbank ein

Kleines Geschenk gefällig? Bei den Geldinstituten ist ein regelrechter Kampf ums Girokonto ausgebrochen.

(Foto: Henning Kaiser/ddp images)

Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hält die Methode grundsätzlich nicht für verwerflich. "Jeder Kunde kann selbst entscheiden, ob er die Prämie mitnehmen will", sagt er. Für Berufseinsteiger oder Studenten sei das Geldgeschenk möglicherweise willkommen. Er gibt jedoch zu bedenken, dass das Konto mit Leistungen verknüpft ist, die wiederum Gebühren oder Zinsen kosten: die Kreditkarte, die Überweisung per Beleg, das Zuschicken der Auszüge, der Dispokredit, wenn das Konto ins Minus rutscht. "Bevor ein Kunde wechselt, sollte er auf diese Bedingungen achten, mit seinem Nutzungsverhalten abgleichen und schauen, ob das Girokonto unter dem Strich für ihn nicht doch teuer ist", sagt Nauhauser. Manche Bank etwa verlangt einen hohen Dispozins von zehn Prozent und mehr.

Aufpassen, was man unterschreibt

Und schließlich sollten Verbraucher darauf achten, was sie unterschreiben, wenn sie ein neues Konto eröffnen. "Da Banken das Konto für den Verkauf von Produkten nutzen wollen, lassen sie sich gern die Erlaubnis geben, dass auch Partnerunternehmen den Kunden kontaktieren dürfen", sagt der Verbraucherschützer. Die Postbank ist zum Beispiel mit der Bausparkasse BHW verbandelt. Wer alles unterschreibt, kann schon nach kurzer Zeit Werbung bekommen, ob er denn nicht einen Bausparvertrag abschließen wolle.

Der Kampf ums Girokonto könnte sich noch aus einem anderen Grund verschärfen: Es wird künftig sehr viel einfacher, ein Konto zu wechseln: Im September 2016 soll eine neue EU-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden, die vorschreibt, dass Banken für neue Kunden binnen fünf Tagen den Wechsel organisieren müssen, und zwar mit allem Drum und Dran, also Information an Arbeitgeber oder Vermieter. Die alte Bank muss die dazu nötigen Kontoinformationen zur Verfügung stellen, das heißt, die der letzten 13 Monate.

Hinzu kommt: Immer mehr Banken bieten eine Video-Legitimation an, die den nervigen Gang in die Post- oder Postbankfiliale erspart, der bisher für die Identifikation notwendig war. Auch das macht den Kontowechsel ein Stück weit einfacher. Vielleicht werden sich Banken dann auch mehr um die Zufriedenheit ihrer Bestandskunden kümmern, und nicht nur mit aller Kraft die neuen Kunden umschwärmen.

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