Neubau:Hilflos in der Wohnzelle

Plattenbau ARCHIV - Zahlreiche Sonnenschirme und Satellitenschüsseln zieren Balkone eines Plattenbaus in Berlin, aufgenommen am 20.08.2012. Foto: Sebastian Kahnert/dpa (zu: 'Wohntrends und Mietpreise

Ein Plattenbau. Und nein: Das sind keine Mikrowohnungen, sondern bieten noch vergleichsweise viel Platz.

(Foto: dpa)

Gegen die Misere am Mietmarkt hat das Bundesbauministerium eine Idee: Es fördert den Bau von Mikro-Wohnungen, 14 Quadratmeter, Mini-Bad. Das ist absurd.

Ein Kommentar von Angelika Slavik

Wohnen in Deutschland ist teuer. Weil die meisten Menschen auf der Suche nach einem Heim aber mit begrenzten finanziellen Mitteln auskommen müssen, hat man sich im Bundesbauministerium nun ein neues Förderprogramm ausgedacht. Mit 120 Millionen Euro soll bis Ende 2018 der Bau sogenannter Mikro-Wohnungen gefördert werden.

Eine Mikrowohnung besteht aus 14 Quadratmetern Wohnraum, Küchenzeile und Mini-Bad. Gesamtgröße 22 Quadratmeter. Zusammengefasst heißt das: Ministerin Hendricks plant die Wohnzelle, zu haben für 260 Euro warm.

Natürlich könnte man jetzt finden, dass das eine begrüßenswerte Initiative ist. Die Mietpreise in den deutschen Großstädten sind für Menschen mit durchschnittlichem Einkommen kaum noch zu stemmen, für Studenten ist Wohnen im Zentrum praktisch nicht mehr realisierbar.

Zu wenig gebaut, zu teuer gebaut

Dazu kommen die vielen Flüchtlinge, die ja nicht einfach nur kurzfristig untergebracht werden müssen. Viele, vielleicht die meisten, werden bleiben - und dann mit den gleichen Widrigkeiten am deutschen Wohnungsmarkt konfrontiert sein wie alle anderen auch. Da ist es doch sinnvoll, wenn man den Bau von Mini-Wohnungen fördert, oder nicht? Nein, ist es nicht. In Wirklichkeit offenbart diese Idee lediglich die Hilflosigkeit deutscher Wohnungspolitik.

Der Grund, warum das Mietniveau vielerorts so gar nicht mehr zum Durchschnittseinkommen passen mag, ist ja nicht nur, dass in den vergangenen Jahren viel zu wenig gebaut wurde. Die Wohnungen, die entstanden sind, waren für Normalverdiener auch viel zu teuer.

Das lag nicht daran, dass die Bauindustrie im Luxusbereich das größtmögliche Geschäft gewittert hätte - sondern daran, dass nur noch in diesem Segment überhaupt ernstzunehmende Renditen zu erwirtschaften sind.

Um Wohnungen zu bauen, die am Ende für sieben oder acht Euro pro Quadratmeter vermietet werden können, braucht man entsprechend niedrige Baukosten.

Durch immer strengere Energieeffizienzrichtlinien ist Bauen stetig teurer geworden. Aus Sicht der Investoren lohnen sich da nur noch Wohnungen für Besserverdiener, die bereit sind, 16 Euro und mehr für einen Quadratmeter Wohnraum zu bezahlen. Das heißt nicht, dass es falsch gewesen wäre, die Bauherren zu mehr Umweltschutz zu zwingen - aber man hätte gleichzeitig die Entwicklung günstigerer Baumethoden forcieren müssen.

Das ist nicht passiert, deshalb kann die Industrie jetzt todschicke Wohnungen für alleinstehende Unternehmensberater bauen, aber kein bezahlbares Heim für einen Busfahrer, eine Kindergärtnerin und ihre zwei Kinder. Dass zudem noch der soziale Wohnungsbau praktisch zum Erliegen gekommen ist, zeigt, wie kurzsichtig in diesem Politikfeld agiert worden ist.

Absurdes Konzept

Alle Versuche, die Lage nun kurzfristig zu verbessern, mögen von bester Absicht getragen sein, greifen aber viel zu kurz: Die Mietpreisbremse etwa wird, wenn sie endlich in allen entsprechenden Regionen in Kraft tritt, nur einen Bruchteil aller Wohnungen betreffen. Die Anstrengungen beim Neubau werden noch viele Jahre lang nicht ausreichen, um das Preisniveau wegen eines gestiegenen Angebots ernsthaft zu drücken. Auf diese Situation nun mit dem Konzept zu reagieren, Menschen einfach in schubladengroßen Wohnungen unterzubringen, ist, milde ausgedrückt, absurd. Denn diese Idee setzt bei den Ansprüchen der Mieter an, die offenbar lernen sollen, sich zu beschränken - statt zu überlegen, wie man den Mietmarkt wieder in die Balance bekommt.

Man lebt, wie man wohnt

Wohnen ist nicht einfach irgendein Gut. Es ist eine existenzielle Frage; wie man wohnt, hat unmittelbare Auswirkungen darauf, wie man lebt, welche Entscheidungen man sich zutraut, wie glücklich man ist. 14 Quadratmeter sind für vieles wenig geeignet, zum Beispiel für Dinnerpartys, für einen Haufen Bücher oder für Babys - alles Dinge, die in ein Leben passen sollten, wenn man sie dort haben will. Nichts davon fällt in die Kategorie überzogener Anspruch. Und nichts davon sollte Luxus werden nur wegen einer verfehlten Wohnungspolitik.

Um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, muss man dringend Möglichkeiten finden, günstiger zu bauen. Eine Variante, die es schon gibt, ist zum Beispiel die "Nachverdichtung" - also etwa auf bestehende Häuser noch Etagen draufzusetzen und dabei durch die bereits vorhandene Infrastruktur Kosten zu sparen. Es passt ins Bild, dass solche Projekte oft nicht genehmigt werden, weil sie nicht alle Vorgaben für Neubauten erfüllen. Es ist Zeit für kreative Lösungen und, ja, auch für Flexibilität. Aber Schubladen für alle, das ist kein akzeptables Konzept.

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