Die Bagger rollen an:Aus Avon wird Nova

Mit dem Abriss des Avon-Gebäudes geht ein Stück Neufahrner Wirtschaftsgeschichte zu Ende. Der Kosmetikkonzern hatte an dem Standort über Jahrzehnte Arbeitsplätze abgebaut. Nun wird auf dem Areal ein Gewerbepark entstehen

Von Birgit Grundner, Neufahrn

Fast ein halbes Jahrhundert hat das markante Avon-Gebäude die Ortseinfahrt im Westen geprägt. Mit dem Abriss geht nun auch ein Stück Neufahrner Wirtschaftsgeschichte zu Ende. An die "alten Zeiten" erinnern werden nur noch die Produktionshalle und die Lagerhalle - und ein bisschen der Name, wenn auch in einer neuen Zusammensetzung der Buchstaben. Denn aus Avon wird Nova, schließlich soll auch etwas Neues entstehen. Also wird der künftige Gewerbepark "Nova Neufahrn" heißen.

1959 hatte sich der Kosmetikkonzern Avon in Deutschland niedergelassen. Firmensitz war damals Hamburg. Anfang der 1960er Jahre zog das Unternehmen nach Eching. Der Konzern wollte dort sogar seine deutschlandweite Zentrale aufbauen. Mindestens zwölf Hektar Grund hätte er dafür gebraucht. In Eching war das nicht zu schaffen. Die damals gerade erst gewählte Neufahrner Bürgermeistern Käthe Winkelmann flog daraufhin 1966 persönlich nach New York. Dort befand sich die Avon-Zentrale. Im Rockefeller-Center wurde sie sich mit dem Generalmanager für Deutschland, William Griffin, einig und bekam die Zusage, dass Avon nach Neufahrn kommt, sofern sich dort ein Grundstück findet.

Die Bagger rollen an: Seit Mittwoch rollen die Abrissbagger an. Das Avon-Gelände in Neufahrn muss weichen. Auf dem Areal soll ein neuer Gewerbepark entstehen.

Seit Mittwoch rollen die Abrissbagger an. Das Avon-Gelände in Neufahrn muss weichen. Auf dem Areal soll ein neuer Gewerbepark entstehen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Mit Unterstützung von Pfarrer Götzberger und verkaufswilligen Landwirten sollte das gelingen: Es kam zu einem umfangreichen Tausch von Grundstücken von Kirche und Privatleuten. Und am Ende stand ein Areal mit der gewünschten Größe zur Verfügung. An dessen Einweihung 1967 nahmen der bayerische Ministerpräsident Alfons Goppel und Kardinal Julius Döpfner teil, der allerdings in letzter Minute fast abgesagt hätte: Er hatte vom Pfarrer erfahren, dass die Belegschaft bei der Einweihungsfeier nicht dabei ist.

Auch die Firmen Isar Wellpappe und Hinteregger Baufertigteile ließen sich in den 1960er Jahren am Ort nieder. Immer mehr Betriebe zogen nach und brachten Geld in die Gemeindekasse. Damit konnte auch die Infrastruktur ausgebaut werden - neben Kindergärten, Schulen und Sportanlagen bekam das einstige Bauerndorf in den 1970er Jahren auch ein eigenes Hallenbad. Viele Jahre war Avon war ein guter Gewerbesteuerzahler, zeitweise auch der mit Abstand größte Arbeitgeber im Landkreis Freising. Um 1970 beschäftigte die Kosmetikfirma mehr als 3300 Mitarbeiter - die meisten kamen mit Werksbussen aus der ganzen Umgebung zur Arbeit. In den 1980er Jahren begann zwar der Personalabbau. Aber 2003 beschäftigte die Firma immer noch rund 1500 Mitarbeiter - gut zwei Drittel davon waren Frauen. Von Neufahrn aus wurden damals etwa 1,5 Millionen Aufträge im Jahr bearbeitet und in Paketen an rund 90 000 Beraterinnen verschickt.

Die Bagger rollen an: Erste Gebäude wurden auf dem Avon-Gelände bereits entfernt. Mit einer mobilen Brechanlage wird aus Steinen und Beton Sand gemacht.

Erste Gebäude wurden auf dem Avon-Gelände bereits entfernt. Mit einer mobilen Brechanlage wird aus Steinen und Beton Sand gemacht.

(Foto: Marco Einfeldt)

Noch 2007 wurden in der großen Produktionshalle allein 37 Millionen Lippenstifte hergestellt. Avon hatte damals immer noch über 1000 Mitarbeiter. Dann wurden im Zuge eines globalen Restrukturierungsprogrammes massiv Arbeitsplätze abgebaut. Am einzigen deutschen Produktionsstandort entstanden Überkapazitäten, ehe er schließlich ganz aufgegeben wurde. Übrig geblieben ist am Ende nur der Vertrieb, der mit ein paar Dutzend Mitarbeitern in Büros nach Hallbergmoos umzogen ist.

2011 wurde das 11,5 Hektar große Areal an "Captiva Capital Partners" verkauft. Der Immobilien-Investmentfonds veräußerte es dann weiter an die Beos AG, die nun "Nova Neufahrn" realisieren will. Die Bürogebäude müssen einer Halle mit Büro-Anbauten weichen. Der Neubau ist als Gewerbe- und Dienstleistungszentrum gedacht. Einen zweiten neuen Gebäuderiegel soll es im östlichen Teil, entlang der Straße Am Hart, geben. Laut Beos könnten in "Nova Neufahrn" rund 900 Arbeitsplätze entstehen. Mittelständische Gewerbe-, Produktions-und Handwerksbetriebe sollen sich ansiedeln. Momentan läuft das Verfahren für den Bebauungsplan und die Änderung des Flächennutzungsplanes.

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