US-Wahl:Harvard-Professor will US-Präsident werden - für einen Tag

US-Wahl: Lawrence Lessig während einer Rede im Februar 2008.

Lawrence Lessig während einer Rede im Februar 2008.

(Foto: Robert Scoble / wiki commons)

Präsident werden, die amerikanische Demokratie retten, zurücktreten - das ist der kühne Plan des Rechtsprofessors Lawrence Lessig. Seine Ideen sind revolutionär.

Von Peter Richter

Donald Trump erhält jetzt sogar Lob von seinem liberalen Gegenstück, und das ist nicht Hillary Clinton. Das Gegenstück zu dem selbstbewussten Immobilienkaufmann aus New York ist Lawrence Lessig, ein ebenso selbstbewusster Juraprofessor aus Harvard, der für die Demokraten um das amerikanische Präsidentenamt kandidieren will - wenn er denn bis Labor Day eine Million Dollar Spendengelder zusammen hat. Labor Day ist der erste Montag im September, in diesem Jahr ist das der 7.9., er hat also nicht einmal mehr drei Wochen Zeit. Bis Mittwochmittag hatte er etwas mehr als 400 000 Dollar zusammen.

Wenn er es dann auch noch schaffen sollte, Präsident zu werden, verspricht er, das Amt umgehend an seinen Vizepräsidenten abzutreten, sobald sein zentrales Anliegen umgesetzt ist: eine grundlegende Reform des Wahlrechts in den USA. Lessig hält es für zutiefst ungerecht. Einer seiner Reformvorschläge sieht deswegen vor, künftig an einem Tag wählen zu lassen, an dem so gut wie alle frei haben und von ihrem Wahlrecht auch Gebrauch machen können - an einem landesweiten Feiertag statt wie bisher mitten in der Woche.

Auch an die Verwaltungstricks, mit denen marginalisierte Minderheiten in vielen Bundesstaaten das Wählen erschwert wird, soll die Axt gelegt werden. Im Zentrum seines Reformvorhabens steht allerdings das heikle Thema der Wahlkampffinanzierung.

Lessig bezeichnet die US-Wahlen als manipuliert

Lessig bezeichnet die amerikanischen Wahlen auf seiner Website "Lessigforpresident.com" als "rigged", als manipuliert. Die Mittel, die von den Bewerbern für ihre Kampagnen aufgebracht werden müssen, sind enorm, und nicht nur die Kritiker dieses Systems sind der Überzeugung, dass diejenigen, von denen dieses Geld in großem Maße stammt, ihren politischen Interessen so besonderen Nachdruck verleihen können. Dieser Überzeugung sind vor allem diese Großspender selber: Öl- und Kohle-Industrielle wie die Koch-Brüder, die 2012 sehr viel Geld ausgegeben haben, weil sie Obama und mit ihm seine zaghaften Androhungen einer Klimapolitik aus dem Weißen Haus kegeln wollten.

Jon Stewart hatte im Schlussmonolog seiner allerletzten "Daily Show" darauf hingewiesen, dass man in Amerika natürlich keineswegs versuchen könne, den Präsidenten zu kaufen. Stattdessen erfolge die Finanzierung über "political action groups", PACs, und dann murmelte er sich, Juristensprache imitierend, ins Kleingedruckte, um damit klarzustellen: Natürlich wird in den USA dauernd versucht, den Präsidenten und die Politik zu kaufen. Mag sein, dass er damit, wie seine Kritiker moniert haben, eine ohnehin verbreitete Meinung auf den Punkt gebracht hat. Doch er hatte sie auf den Punkt gebracht.

Lessig hingegen ist, wie gesagt, Juraprofessor in Harvard. Er bemüht sich zwar, seine Punkte griffig zu vermitteln, und seine zentrale Idee wäre für die USA revolutionär: Jeder Politiker, der sich verpflichtet, keine Einzelspenden von mehr als einhundert Dollar anzunehmen, kann diese als Scheck von jedem Wahlberechtigten erhalten; die Wahlberechtigten wiederum bekommen das Geld über die Steuer vom Staat erstattet. Die so zusammengestoppelte Finanzmacht würde damit selbst die stärksten Super-PACs aushebeln. Das ist die schöne Hoffnung.

Man kann aber bisher nicht behaupten, dass diese Idee auch nur annähernd so häufig herumgetwittert worden wäre wie die Gaga-Sprüche von Donald Trump. Lessig ist eben das liberale Gegenstück zu Trump. Wo es Trump um zwei Dinge geht, nämlich um die Macht und um Trump, da sagt Lessig, es gehe exakt nicht um eine Person, der Kandidat stehe vielmehr für das Referendum for Citizen Equality, er sei ein Kandidat für die Sache, der nach seiner Wahl zurücktrete. Um die Macht gehe es ihm nur, um sie dazu zu benutzen, sich selbst demokratischer zu legitimieren.

Wie Trump ist Lessig ein Protestkandidat

Doch beide, Lessig wie Trump, sind Protestkandidaten. Sie setzen die Parteien, auf deren Ticket sie jeweils kandidieren wollen, als Außenseiter unter Druck. Die anderen Aspiranten der Demokraten können jetzt überlegen, ob sie unter Lessig Vizepräsident werden wollen oder gleich seine Wahlrechtsreform zu ihrer Priorität im künftigen Amt machen; in dem Fall werde er, so sein Versprechen, glücklich schon jetzt zur Seite treten.

Dafür muss seine Kernbotschaft erst einmal die Wähler erreichen. Wem hängen diese im Moment aber an den Lippen? Dem Mann mit der lustigen Frisur und den schrillen Sätzen über Frauen, Mexikaner und die eigene Gottgleichheit. Selbst in der New York Times findet man fast jeden Tag ein amüsiertes Best-of-Trump. Da der Mann im Moment selbst diejenigen magnetisiert, die ihn eigentlich peinlich und gefährlich finden, hat Lawrence Lessig im Magazin National Journal jetzt ein Loblied auf ihn angestimmt. Fast alles unterscheide ihn von Trump, aber mit einem seiner vielen lauten Sätze habe der Milliardär völlig recht gehabt: Dass die Wahlkampffinanzierung durch big money ein Problem sei.

Lessig versuche, was auch fast alle republikanischen Konkurrenten versuchten, urteilt das Magazin: Wenigstens in Reaktion auf Trump ein wenig von dessen irrwitziger Popularität abzustauben. Denn schiere Aufmerksamkeit ist etwas, für dessen demokratischere Verteilung offensichtlich selbst einem Juraprofessor aus Harvard keine gesetzliche Handhabe einfällt.

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