Kommentar:Alles unter Kontrolle

Die Kommunalpolitik braucht zur Betreuung der Flüchtlinge die Helferkreise. Aber deshalb muss sie das ehrenamtliche Engagement nicht gleich an die Kette legen

Von Anna-Sophia Lang

Nicht wenige Karlsfelder blieben ratlos zurück. Sie zeigten ein nie da gewesenes Interesse und große Hilfsbereitschaft - aber die Kommunalpolitik hielt sie hin. Schlimmer noch: Landrat, Bürgermeister und Experten frustrierten durch einen nicht mehr enden wollenden Redeschwall, durch theoretische Erörterungen und die Aufzählung bürokratischer Hemmnisse zumindest einen Teil der motivierten Bürger. Sie warten seit langem auf die Gründung eines Helferkreises, sie wollen die Aufnahme und Betreuung der Flüchtlinge vorbereiten - und das ist doch nur ein vernünftiges Ansinnen. Unvernünftig ist es dagegen, den Helferkreis erst eine Woche vor dem Eintreffen der ersten Asylbewerber zu konstituieren. Landrat Löwl weiß nur zu gut, dass der Landkreis ohne den Einsatz von Ehrenamtlichen die Versorgung der wachsenden Zahl an Asylbewerbern gar nicht leisten kann. Deshalb konnte es nicht Absicht der Kommunalpolitik gewesen sein zu demotivieren. Doch nach diesem Abend drängt sich der Eindruck auf, dass die CSU in Rathäusern und im Landratsamt vor allem eines will: Alles unter ihrer Kontrolle halten, auch die Helferkreise. Warum schreibt sonst ein Bürgermeister den Zeitpunkt der Gründung des Helferkreises vor? Hat Kolbe ein Mandat zur Steuerung zivilgesellschaftlichen Engagements? Natürlich nicht. Nicht von ungefähr empfand eine Karlsfelderin die Veranstaltung als Casting für potenzielle Helfer.

Fast möchte man meinen, im Flüchtlingsproblem sehen Politiker der CSU die Gefahr einer zivilgesellschaftlichen Entwicklung, die ihnen gar nicht so lieb wäre. Klar, wer Asylbewerber wirklich kennen lernt, überwindet nicht nur diffuse Ängste und Vorurteile. Er wird unter Umständen gegen die rigide Asylpolitik der Staatsregierung protestieren. Vielleicht bedienen sich deshalb einzelne Kommunalpolitiker einer Rhetorik, die abschreckt. "Katastrophe", "kein Ende", "Ströme" oder "Pulverfass". Sätze wie "Noch ist nichts passiert" suggerieren drohendes Unheil. Verständnis für die schreckliche Lage der Kriegs- und Armutsflüchtlinge fördern sie gewiss nicht. Immerhin steuerte Landrat Löwl in einem Fall dagegen: "Wir haben keine Katastrophe", sagte er. In der Tat: Die 1500 Flüchtlinge, mit denen das Landratsamt bis Ende des Jahres rechnet, entsprechen gerade einmal einem Prozent der Landkreisbevölkerung.

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