Starnberg:Zelte statt Turnhallen

Bei der Unterbringung von Flüchtlingen setzt der Landkreis auf ein neues Konzept. Die Kreisbehörde rechnet bis Ende des Jahres mit 1800 Asylbewerbern

Von Wolfgang Prochaska, Starnberg

Um alle Flüchtlinge im Landkreis Starnberg aufnehmen zu können, stehen die Mitarbeiter des Landratsamts weiter unter einem "erheblichen Druck". So beschrieb Landrat Karl Roth im Rahmen eines kurzfristig angesetzten Pressegesprächs die Situation in seinem Haus. Da Roth bis Ende des Jahres nun mit 1800 Asylbewerbern und nicht mit 1500 rechnet, müssen weitere Unterkünfte geschaffen werden. Container und Zelte sollen diese Aufgabe für die nächsten zwei bis fünf Jahre übernehmen.

Um die Gemeinden nicht übermäßig zu strapazieren - "es soll sozialverträglich zugehen und wir wollen uns kooperativ zeigen" - hat die Kreisbehörde einen "Drei-Stufen-Plan" entwickelt, der kurzfristige, mittelfristige und langfristige Unterbringungsmöglichkeiten vorsieht. Damit löst sich die Behörde aus ihrer anfänglichen Schockstarre angesichts der überraschend hohen und stetig wachsenden Flüchtlingszahlen, und versucht nun Struktur in die Sache zu bringen.

So soll es keine weitere Turnhallen-Belegungen als Notunterkünfte mehr geben, um den Sportbetrieb und den Sportunterricht in den kommenden Monaten nicht zu gefährden. Angedacht ist nur, die Inninger Sporthalle noch einmal für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. "Wir haben den Boden und die Betten dort noch. Nach einer Reinigung könnte wir für vier bis sechs Wochen die Halle wieder nutzen." Dann hätte man noch mehr Luft, meinte Roth. Mittelfristig sollen Zelte für jeweils 128 Menschen diese Aufgabe übernehmen. So werden Zelte in Berg auf dem Kirchengrundstück am Kreisel im September aufgestellt, in Krailling im Oktober auf der Sanatoriumswiese und in Tutzing auf dem alten Festplatz. Allerdings hat es zwischen Kreisbehörde und Tutzinger Rathaus Spannungen gegeben. Wie Roth einräumte, ging Bürgermeister Rudolf Krug von einer Dauer von drei Monaten aus, während das Landratsamt die Bundeswehr-Zelte zwei Jahre stehen lassen möchte, um sie wirtschaftlich betreiben zu können. "Es herrscht derzeit Baustopp", sagte Roth. Das heißt: Die Bauarbeiten für die sanitären Anschlüsse und die Stromversorgung gehen nicht weiter. Roth hofft dennoch auf Konsens. Diesen soll ein Gespräch mit Krug am Donnerstagabend bringen. Es ist zum ersten Mal, dass es einen erheblichen Dissens zwischen einer Kommune und dem Landratsamt bei der Unterbringung von Flüchtlingen gibt. Ein Zeichen auch dafür, wie blank bei den Beteiligten inzwischen die Nerven liegen.

Langfristig setzt man im Landratsamt auf Container und Häuser. So entsteht im Herrschinger Gewerbegebiet bis November eine Wohnanlage für 144 Menschen. In Breitbrunn wird das ehemalige Schwesternwohnheim für 80 Asylbewerber umgebaut, in Stockdorf das alte Forstamt, und in Andechs am Minigolfplatz und in Inning gegenüber der Sporthalle auf der Wiese neben dem Parkplatz sollen Wohncontainer für jeweils 100 Flüchtlinge errichtet werden. In Starnberg ist in der Petersbrunner Straße eine Container-Anlage geplant. 160 Menschen hält Roth aber für zu viel. Weniger wäre sozial besser. Pöcking und Wörthsee werden ebenfalls noch Flüchtlinge aufnehmen. Gilching erhält vorübergehend eine Traglufthalle auf dem Festplatz.

An den Anstrengungen erkennt man, dass das Landratsamt zusammen mit den vielen freiwilligen Helfern das Problem langsam in den Griff bekommt, was auch damit zusammenhängt, dass 25 neue Mitarbeiter eingestellt wurden. Roth rechnet nämlich damit, dass die 38 Asylbewerber, die jede Woche dem Landkreis zugewiesen werden, auf 45 steigen werden. "Bis Jahresende wären dies noch 886", meinte er. Derzeit leben 1250 Flüchtlinge im Landkreis Starnberg.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: