"Kulturlandschaften" auf 3sat:Auf schräger Deutschlandreise

"Kulturlandschaften" auf 3sat: Forschungsreisender: Wladimir Kaminer.

Forschungsreisender: Wladimir Kaminer.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

"Geht einem das dauernde ,Kuckuck' nicht irgendwann mal total auf die Nerven?" Der russische Schriftsteller Wladimir Kaminer kommentiert deutsche Kultur - das wird schräg.

Von Titus Arnu

Der Schwarzwald hat mehrere Probleme. Zum einen ist er voller Bäume, zum anderen wimmelt es dort von verstaubten Klischees: Bollerhüte, Kuckucksuhren, geräucherter Schinken, Schwarzwälder Kirschtorte. Gibt es aus dieser exotischen Gegend im tiefsten Südwesten Deutschlands, die in den Fünfzigerjahren mal sehr modern war und sich seit den Zeiten der Schwarzwaldklinik in den Achtzigern anscheinend kaum verändert hat, irgend etwas Frisches, Überraschendes, Neues zu berichten? Mal kucken.

Kuckuck, Kuckuck, ruft's aus dem Wald und aus den vielen Souvenirshops im Hochschwarzwald. "Geht einem das dauernde ,Kuckuck' nicht irgendwann mal total auf die Nerven?" Eine ebenso berechtigte wie respektlose Frage, die Wladimir Kaminer bei seiner Forschungsreise in die Provinz einem verdutzten Souvenirhändler stellt. Der Kuckucksuhrenfachverkäufer in Triberg klärt den Besucher freundlich auf: "Dafür gibt es extra eine Nachtabschaltungsautomatik."

Für 3sat erforscht Wladimir Kaminer deutsche Kulturlandschaften

Allein dieses Wort begeistert Wladimir Kaminer mehr als jeder Himbeergeist. Eine Nachtabschaltungsautomatik für Kuckucksuhren! Der Berliner Schriftsteller mit russischen Wurzeln erforscht die Deutschen schon seit 25 Jahren. Sein schräger Blick auf den Alltag in diesem seltsamen Land kommt bei den deutschen Lesern ziemlich gut an, drei Millionen Bücher hat Kaminer bis jetzt verkauft. In seinen Erzählungen und Reportagen widmet er sich gerne dem scheinbar Banalen, das aber bei genauer Betrachtung hochinteressant sein kann. Für 3sat hat der Autor nun deutsche Kulturlandschaften besucht.

In der ersten Folge kurvt der 48-Jährige mit dem Auto durch den Schwarzwald, das Wandern ist nicht gerade sein Lieblingshobby. Bei strömendem Regen kommt er in Freiburg an, der angeblich sonnenreichsten Stadt Deutschlands. Ein Gebäude dort erinnert ihn an den Reaktor-Sarkophag von Tschernobyl und an den Helm von Darth Vader.

Und kommt dem Schwarzwald-Klischee näher

In Offenburg kommt der Berichterstatter, der seine subjektiven Eindrücke im Stil eines Briefs an seine Frau Olga überliefert, dem Schwarzwald-Klischee ein Stückchen näher. Er trifft Stefan Strumbel, der Kirschtorten malt, allerdings mit Totenköpfen garniert. Personen wie er beeindrucken Kaminer - Künstler, die in der Heimat bleiben und sich dort durchsetzen. Ähnliche Helden der erstaunlich reichen kulturellen Provinz entdeckt Kaminer in der fünfteiligen Reihe in Wuppertal, im Saarland, in Mecklenburg-Vorpommern und in der Eifel.

Am Schluss steht Wladimir Kaminer dann doch noch im Wald, wenn auch nur im übertragenen Sinn und völlig ohne Kuckuck. In Donaueschingen interviewt er Pascal Vannier und Christian Jacob von der Band Imperium Dekadenz. Die Black-Metal-Band hat sich in der internationalen Metal-Szene einen Namen gemacht, arbeitet aber am liebsten zu Hause im Schwarzwald. Mit Kirschtorten haben die Rocker nichts am Hut - aber Black Metal hat aus ihrer Sicht mehr mit dem Schwarzwald zu tun als jeder Kitschfilm aus den Fünfzigerjahren.

Kulturlandschaften, 3sat, Montag, 19.30 Uhr.

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