Windkraft:In Schönheit sterben

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Der Loreleyfelsen bei St. Goar in Rheinland-Pfalz liegt malerisch inmitten des Unesco-Weltkulturerbegebiets Mittelrheintal. (Foto: Thomas Frey/dpa)

Warum der Bürgermeister von Loreley am Rhein für Windkraftanlagen kämpft - die rheinland-pfälzische Regierung aber dagegen ist.

Von Susanne Höll, Frankfurt

Es gibt in Deutschland Gemeinden, die sich mitsamt ihren örtlichen Politikern gegen den Bau von Windkraftanlagen in ihrer Umgebung wehren. Dann wiederum gibt es Kommunen, die gern bauen würden, dabei aber auf vehementen Widerstand in der Bevölkerung stoßen. Und dann gibt es zumindest einen Bürgermeister, der, noch dazu im rot-grün-regierten Bundesland Rheinland-Pfalz, nur allzu gern Windräder aufstellen würde, es aber nicht darf.

Dieser Mann mit dem ungewöhnlichen Schicksal heißt Werner Groß, ist Verbandsbürgermeister der Gemeinde Loreley am Rhein und Christdemokrat. Zusammen mit seinen Kollegen aus den Ortsgemeinden hat er sich überlegt, wo man Windräder aufstellen könnte. Gemeinsam haben sie einen Plan vorgelegt - und sich eine herbe Abfuhr von der Landesregierung in Mainz abgeholt. "Nicht genehmigungsfähig", teilte das Haus von Wirtschaftsministerin Eveline Lemke mit. Sie ist eine Grüne, sozusagen von Haus aus Befürworterin alternativer Energien und dezentraler Versorgungsstrukturen. Was also ist los an der Loreley?

Der berühmte Felsen und die Verbandsgemeinde liegen mitten im Mittelrheintal, einer uralten Kulturlandschaft Deutschlands, von Bingen bis Koblenz, mit unzähligen Burgen, Festungen und Kirchen, Inbegriff der Rheinromantik und seit 2002 Trägerin der international höchst begehrten Auszeichnung Weltkulturerbe. In den Gebieten soll es keine substanziellen baulichen oder sonstigen Veränderungen geben, sonst ist der Titel in Gefahr. Dresden, besser gesagt dem Elbetal der Stadt, wurde die Auszeichnung 2009 aberkannt, weil die Stadtoberen eine neue Brücke über den Fluss gebaut hatten.

Bürgermeister Groß ist am Rhein aufgewachsen, er weiß um die Schönheit seiner Heimat. Aber er und die Ortsbürgermeister können von landschaftlicher Schönheit allein nicht leben. Die Ortsgemeinden sollen allesamt verschuldet sein, "blank, defizitär bis zum Geht-Nicht-Mehr", wie er sagt. Die jungen Leute wanderten ab aus der Gegend, für Industriebetriebe gebe es im engen Flusstal keinen Platz. "Windkraft ist eine Einnahmequelle", sagt Groß.

Anderswo in Rheinland-Pfalz haben Gemeinden mit Windrädern ihre Kassen aufgebessert. Auf der anderen Rheinseite, auf den Höhen des Hunsrücks stehen jede Menge Anlagen, deutlich sichtbar für die, die um die Loreley herumspazieren. "Ist das Wirtschaftsministerium auf einem Auge blind?", fragt der Bürgermeister.

Nein, ist es nicht. Ministerin Lemke argumentiert, es gebe bei der Diskussion über Windräder im Welterbe "widerstreitende Interessen", die das Land abzuwägen habe. Und im Fall Loreley wiege für die Regierung der Schutz des Weltkulturerbes schwerer als das legitime Interesse der Kommunen am Ausbau der Windenergie und der Möglichkeit, zusätzliche Einnahmen zu erzielen.

Kein Wunder, aus den Reihen der UN-Kulturorganisation Unesco gab es bereits mehrere Mahnungen, auch an die Landesregierung, die Natur am Rhein nicht zu zerstören. Man wolle gar nichts zerstören, sagt Bürgermeister Groß, lediglich drei Prozent der Gemeindefläche kämen für Windkraftanlagen überhaupt infrage. Aber sie wären wohl allesamt von den Höhen des Weltkulturerbes sichtbar, was nach einer Übereinkunft verboten ist.

In der Landesregierung und in der Region befürchtet man, eine Aberkennung des Titels werde dem Tourismus schaden, von der die Orte am Fluss leben. Unsinn, meint Groß. Er habe seinen Kollegen von der Insel Baltrum gefragt, von der aus man auf Rotorenspargel am Festland blickt, ob das die Besucher störe. Antwort: Das sei überhaupt kein Thema.

Um den Tourismus an der Loreley ist es ohnehin nicht allzu gut bestellt. Die Anlage auf der legendären Loreley ist in die Jahre gekommen, soll aber alsbald renoviert werden. Und Übernachtungen im Flusstal haben Tücken: Bahnlärm macht Bewohnern und Besuchern zu schaffen.

Wenn Groß darüber nachdenkt, wie klamme Kulturerben sonst zu Geld kommen könnten, sagt er, es könne doch nicht sein, dass ein Freiluftmuseum entstehe, mit mittelalterlich verkleideten Einwohnern, die von Touristen gefüttert werden. Und fragt: "Sollen wir in Schönheit sterben?" Nun werde geprüft, ob und wie man rechtlich gegen das Verdikt aus Mainz vorgehen kann.

© SZ vom 22.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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