Deutsche Bank:Ein Schnappschuss aus einer anderen Zeit

CFO of Swiss bank UBS Cryan addresses a news conference in Zurich

Der neue Chef der Deutschen Bank, John Cryan, geißelt die hohen Kosten und will sparen.

(Foto: Christian Hartmann/Reuters)

Die Deutsche Bank befragte ihre Mitarbeiter, als ihr Ansehen auf dem Tiefpunkt war. Nun bereitet der neue Chef John Cryan die Wende vor - und das könnte auch den Vorstand treffen.

Von Harald Freiberger

Eine Befragung von tausenden Leuten will geplant sein, und so ergab es sich, dass die Mitarbeiterumfrage der Deutschen Bank in diesem Jahr zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt stattfand. Nämlich im Juni, als das Ansehen des Instituts in der Öffentlichkeit auf dem Tiefpunkt war. Im Mai hatte das Führungsduo Anshu Jain und Jürgen Fitschen seine "Strategie 2020" verkündet, die von Investoren zerrissen wurde; der Aktienkurs brach ein. Auf der Hauptversammlung sprach fast die Hälfte der Aktionäre dem Vorstand ihr Misstrauen aus. Fitschen und Jain waren nicht mehr zu halten. Am 7. Juni verkündete der Aufsichtsrat, dass sie von John Cryan abgelöst werden.

Und in den Tagen danach fragte ein Institut wie geplant die Mitarbeiter danach, wie sie ihr Unternehmen derzeit sehen, wo es ihrer Meinung nach Verbesserungspotenzial gibt. Man kann sich vorstellen, wie das Ergebnis ausgefallen ist. Die Bank führt die Befragungen seit 15 Jahren durch, man schätze "das Feedback der Mitarbeiter und nutze es, um die Dienstleistungen für Kunden und die eigene Arbeitsweise zu verbessern", heißt es offiziell. Näheres will ein Sprecher dazu nicht sagen.

Hinter den Kulissen aber heißt es vielsagend, dass jede solche Umfrage als "eine Art Schnappschuss der jeweiligen Zeit zu sehen" sei. Es sei wichtig, dass die Umfragen auch in unruhigen Zeiten stattfänden, nicht nur bei Schönwetter. Die Ergebnisse würden ausgewertet, und dann gehe es an die Umsetzung, auf Worten sollten schließlich auch Taten folgen.

Im vergangenen Jahr wurden die Mitarbeiter noch zum Kulturwandel befragt. 60 000 Beschäftigte nahmen daran teil, und nur etwa ein Drittel stellte Verhaltensänderungen bei Vorgesetzten fest. Inzwischen steht das Wort "Kulturwandel" auf dem Index, es ist verknüpft mit der Ära Fitschen/Jain, und mit Cryan ist ein neues Zeitalter herangebrochen - eines, in dem der Chef die Probleme selbst benennt und nicht um den heißen Brei herumredet. Die hohen Kosten nannte Cryan "inakzeptabel und verschwenderisch", die Entscheidungswege geißelte er als "unklar".

Branchenkenner gehen davon aus, dass etwa jede zehnte Stelle gefährdet ist

Ein solcher Chef braucht vielleicht gar keinen Rat von Mitarbeitern, er weiß selbst, dass es viel zu tun gibt. Genau darum geht es jetzt, und genau deshalb herrscht in den Zwillingstürmen große Nervosität. Alle warten darauf, wie Cryan die "Strategie 2020" ausgestaltet, die seine Vorgänger noch aufgesetzt haben. Klar ist, dass es massive Einschnitte im Privatkundengeschäft geben wird; 200 von 700 Filialen werden geschlossen, so viel ist schon bekannt. Auch im Investmentbanking wird stark gekürzt. Doch wie viele Mitarbeiter gehen müssen, dazu will sich die Bank erst bis Ende Oktober äußern. Branchenkenner gehen davon aus, dass 10 000 Stellen gefährdet sind, das wäre jede zehnte.

Es könnte auch sein, dass schon früher Entscheidungen nach außen dringen. Mitte September trifft sich der Aufsichtsrat wie schon öfter im Golf-Hotel Margarethenhof oberhalb des Tegernsees. Dort könnten auch bereits Personalentscheidungen fallen. Dass der Stuhl einiger Top-Manager wackelt, ist kein Geheimnis mehr, seit im Juli der Zwischenbericht der Finanzaufsicht Bafin zum Skandal um die Manipulationen des Zinssatzes Libor öffentlich wurde. Einer Reihe von Spitzenleuten der Deutschen Bank werden darin mehr oder minder schwere Vergehen vorgeworfen, Jain etwa "schwere Versäumnisse" und "unangemessene Geschäftsorganisation". Auch Alan Cloete, ein Vertrauter Jains, spielt im Bafin-Bericht eine zentrale Rolle; er musste bereits im Mai gehen. Und der ebenfalls genannte Chefjurist Richard Walker verlor seine Funktion im Juli, Cryan macht den Job vorübergehend selbst.

Es gibt Spekulationen, dass Cryan den erweiterten Vorstand (GEC) massiv beschneiden oder gar abschaffen könnte. Das Gremium war unter Ex-Chef Josef Ackermann gegründet worden und bestand damals aus zwölf Leuten. Unter Jain wuchs es auf 21 Mitglieder an, auch weil dieser Getreue beförderte. Von den aktuellen Top-Managern wirft der Bafin-Bericht Vermögensverwaltungs-Chef Michele Faissola und Chief Operating Officer Henry Ritchotte "schwerwiegendes Fehlverhalten" vor, auch Investmentbanking-Chef Stephan Leithner wird belastet. Etwas weniger stark sind die Vorwürfe gegen Zahlungsverkehrs-Chef Stefan Krause und Risiko-Chef Stuart Lewis.

Der Bericht der Bafin soll im September kommen. Er dürfte den Aufsichtsrat in eine Zwickmühle bringen: Zumindest gegen Personen, denen die Bafin massive Vorwürfe macht, müsste das Kontrollgremium eigentlich auf Schadenersatz klagen - schon allein deswegen, um möglichen Klagen von Aktionären vorzugreifen. Damit würde sich der Rat aber auch gegen einen Teil der Mitarbeiter wenden, denn noch immer gibt es viele Jain-Getreue in den Zwillingstürmen.

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