Infrastruktur:Allianz gräbt tief in London

Der Münchner Versicherer investiert mehr als 550 Millionen Euro in die Erneuerung des Abwassersystems der britischen Metropole. Ganz ohne Risiko sind solche Engagements nicht.

Von Herbert Fromme, Köln

Der Versicherungskonzern Allianz investiert mehr als 550 Millionen Euro in das geplante neue Abwassersystem Londons. Das Konsortium Bazalgette Tunnel hat dafür am Montag die erforderliche Lizenz von der britischen Aufsichtsbehörde für die Wasser- und Abwasserindustrie erhalten. Das neue System besteht vor allem aus einem 25 Kilometer langen Tunnel, der bis zu 65 Meter unter der Themse liegt. Er soll Abwässer sammeln und in Klärwerke transportieren. Damit will London die teils 150 Jahre alten Abwasserkanäle der Stadt ergänzen und verhindern, dass wie bisher jährlich 39 Millionen Tonnen ungeklärte Abwässer in die Themse fließen.

Die Investitionen belaufen sich auf 4,2 Milliarden Pfund, umgerechnet 5,7 Milliarden Euro. Das Konsortium besteht aus einer Reihe von Anlegern, die von der Allianz, dem Infrastrukturfonds Amber und den Fondsgesellschaften Dalmore und DIF repräsentiert werden. Sie investieren 1,73 Milliarden Euro selbst, davon stammt rund ein Drittel von der Allianz.

Zurzeit hat der Versicherungskonzern 2,6 Milliarden Euro in Infrastrukturprojekten und -fonds angelegt, mit dem Londoner Abwasserprojekt sind es nun mehr als drei Milliarden Euro. Angesichts der niedrigen Zinsen für Staatsanleihen und andere festverzinsliche Papiere, die mehr als 80 Prozent der Anlagen der Versicherer ausmachen, und der Unsicherheiten an den Aktienmärkten werden Infrastrukturprojekte von der Branche gesucht. Die Gesellschaften versprechen sich davon einen kontinuierlichen Renditestrom. Ein ähnliches, langfristiges Investment der Allianz war auch der Erwerb des Raststättenbetreibers Tank & Rast Anfang August, der jedoch nicht als Infrastruktur gilt.

Allerdings: Angesichts von 632 Milliarden Euro Gesamtinvestitionen allein der Allianz bieten die drei Milliarden Euro Infrastrukturanlagen nur wenig Linderung für den aktuellen Anlagenotstand.

Ganz risikofrei sind die Infrastruktur-Anlagen zudem nicht. Politische Entscheidungen können die Kalkulation durcheinanderwirbeln. Das erlebte die Allianz mit ihrer Beteiligung am norwegischen Offshore-Gasnetz, für das die Regierung in Oslo einseitig die Durchleitungspreise senkte. Der Versicherer klagt gegen die Entscheidung, ein Urteil soll in den kommenden acht Wochen gesprochen werden. Andere Anleger erlebten einen ähnlichen Sinneswandel bei den Regierungen Italiens und Spaniens, die einseitig die Bedingungen für Investitionen in Solarkraftwerke änderten.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: