Flüchtlingskrise:Präsident des Bundesamtes für Migration sieht Schengen bedroht

  • Das Bundesamt für Migration setzt bei den Asylbewerbern aus den Balkanländern auf Abschreckung: Präsident Manfred Schmidt bringt die Wiedereinführung von Visa für diese Länder ins Spiel.
  • Außerdem deutet er im Gespräch mit einer bosnischen Zeitung an, dass auch darüber nachgedacht werde, Schengen abzuschaffen.
  • Das Schengen-System und die damit garantierte Reisefreiheit gilt als eine der größten Errungenschaften der Europäischen Union.

Präsident des Bundesamts für Migration will Schengen abschaffen

Wegen der großen Anzahl von Asylbewerbern aus den Balkanländern könnte diesen Ländern die Wiedereinführung von Visa drohen. Zumindest schloss dies der Präsident des Bundesamtes für Migration, Manfred Schmidt, nicht aus, wie die bosnischen Zeitung Dnevni avaz berichtet. "Im Moment versuchen wir auf alle Arten, die Asylanträge aus den Ländern des Westbalkans zu reduzieren", sagte Schmidt dem Blatt in Sarajevo: "Aber wenn wir das nicht schaffen, wird in den deutschen Institutionen sicher die Diskussion über die Einführung von Visa losgehen. Und wenn diese Diskussion anfängt, dann besteht da auch eine Chance dafür". Er fügte hinzu: "Außerdem denkt man über die Abschaffung von Schengen als eine Maßnahme nach."

Behördenchef Schmidt gibt seit Wochen Zeitungen in den Balkan-Ländern regelmäßig Interviews. Das Ziel: Mögliche neue Asylbewerber in diesen Ländern von ihrer Reise nach Deutschland abzuhalten. Vergangene Woche forderte er eine Maßnahmenbündel, um Asylbewerber aus diesen Länder abzuschrecken: Schnellere Verfahren, Sachleistungen statt Bargeld und Wiedereinreisesperren bei offensichtlich unbegründeten Anträgen.

Wichtiger Pfeiler der europäischen Einigung

Das Schengen-System garantiert die Freizügigkeit in der EU. Touristen und Geschäftsleute können ohne zeitraubende Ausweiskontrollen zwischen den meisten europäischen Staaten reisen. Am 14. Juni 1985 hatten Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Belgien und die Niederlande in Schengen den schrittweisen Abbau der Grenzkontrollen vereinbart. Heute gehören 26 europäische Länder mit mehr als 400 Millionen Einwohnern dazu. Innerhalb des Schengen-Raums sind Personalkontrollen an den Grenzen an sich nicht zulässig. Gleichzeitig wurde das "Schengener Informationssystem" (SIS) eingeführt - ein zentraler Computer in Straßburg, in dem polizeiliche Fahndungsdaten der Schengen-Länder gespeichert sind. Doch nun häufen sich die Warnungen, dass wegen der wachsenden Zahl von Asylbewerbern das kontrollfreie Reisen kippen könnten. Neu ist die Debatte nicht: 2011 etwa hatte die damalige konservative Regierung Dänemarks auf Initiative der Rechtspopulisten Grenzkontrollen zu Deutschland kurzzeitig wiedereingeführt.

Die Haltung der Bundesregierung und der EU

Zwar bekräftigt die Bundesregierung, dass sie am Schengen-System ohne Grenzkontrollen unbedingt festhalten will. Aber auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte in der ARD gewarnt, Schengen könnte scheitern, wenn man die Probleme nicht in den Griff bekomme.

Der Sprecher der EU-Kommission, Christian Wigand, erklärte, Schengen sei nicht verhandelbar. Die Kommission habe nicht die Absicht, das Abkommen zu ändern. Allerdings seien im Rahmen des Vertrags zielorientierte Aktionen durch die Polizei des jeweiligen Landes möglich. Dazu zählen stichprobenartige Kontrollen zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität, wie etwa Schleierfahndungen in den Grenzregionen.

Ab wann Grenzkontrollen innerhalb Schengens erlaubt sind

Eine systematische Grenzkontrolle ist innerhalb des Schengen-Raums nur im Fall einer "schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit" erlaubt. Diese ist dann in der Regel auf höchstens 30 Tage beschränkt. Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung obliegt den Mitgliedsstaaten. Die Regierungen müssen solche Kontrollen vorab anzeigen.

Zuletzt kam diese Regelung beim G-7-Gipfel in Elmau zur Anwendung. Allerdings dürfte es schwierig sein, eine solche Maßnahme mit der hohen Zahl an Flüchtlingen zu begründen.

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