Jaguar XF im Fahrbericht:Krallen statt Samtpfoten

Der neue Jaguar XF.

Die Basisversion des neuen Jaguar XF kostet 41 350 Euro.

(Foto: WGO)

Harmonisches Design, schicker Innenraum, gute Motoren: Der neue XF ist ein Herausforderer für Audi A6, BMW 5er und Co. Allerdings ist Jaguar der Komfort abhanden gekommen.

Von Georg Kacher

Der XF sieht dem XE von vorne ähnlich wie aus dem Gesicht geschnitten, und auch der nächste XJ muss sich sein polarisierendes Design abschminken und auf Linie bringen lassen. Diese Harmonisierung hat Methode: Audi, BMW und Mercedes fahren seit Langem gut damit. Grund genug, für das mehrheitlich deutsche Management der in indischem Besitz befindlichen und in England beheimateten Jaguar-Land-Rover-Gruppe, einen einheitlichen Look mit hohem Wiedererkennungswert zu schaffen.

Das Interieur - einst geprägt von Holz, Leder, Chrom und schweren Teppichen - wirkt anno 2015 modern, übersichtlich und über weite Flächen gediegen verarbeitet. Dass sich im Cockpit Versatzstücke von Smartphones und Spielekonsolen tummeln, ist ein buntes Zugeständnis an Zeitgeist und Ergonomie.

Viele Farben, aber nur vier Motorisierungen

Bitte einsteigen: gute Sitze, gute Rundumsicht, gutes Bedienkonzept. Alles passt oder lässt sich passend einstellen. Sogar dem pollerförmigen Automatik-Wählhebel, der nach dem Motorstart aus der Mittelkonsole herauszoomt, kann man ein gewisses Maß an schrulliger Funktionalität nicht absprechen. Was kaum eine andere Marke so virtuos beherrscht wie Jaguar, ist die Klaviatur von Farben und Oberflächen. Die Qual der Wahl umfasst 17 Farbtöne, elf Deko-Paneele, ein gutes Dutzend Stoff- und Leder-Qualitäten sowie zwanzig Rad-Designs.

Wählen kann man vorerst aber zwischen nur vier Motorisierungen. Die neuen 2,0-Liter-Turbodiesel leisten 163 und 180 PS, der 3,0-Liter-V6 bringt es als Benziner auf 340 oder 380 PS und als Selbstzünder auf 300 PS. Nein, es gibt keinen Vierzylinder-Benziner, keinen V8 mehr und auch keinen Hybrid.

Am besten fährt man mit den kleinen Dieseln

Die noch unter Ford-Ägide auf den Weg gebrachten Sechszylinder nähern sich zwar dem Verfallsdatum, doch der 3.0d bietet immerhin 700 Nm Drehmoment und der stärkere 3.0S beamt in 5,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Das klingt vielversprechend, wird aber im Fall des Benziners konterkariert durch hohen Praxisverbrauch, teilweise mäßige Laufkultur und eine im Sportprogramm hektische Automatik. Außerdem ist das 380-PS-Topmodell für 70 390 Euro ohne weitere Extras kein Schnäppchen, und auch der 300-PS-Diesel kostet in allen Varianten mehr als 60 000 Euro.

Mit den kleinen Dieselmotoren ist man daher besser bedient. Obwohl sich Preise, Fahrleistungen und Verbrauch nur marginal unterscheiden, empfiehlt sich die 180-PS-Ausführung ob ihres um 50 Nm bulligeren Drehmoments von 430 Nm. Noch unterhaltsamer wäre freilich ein Vierzylinder mit etwa 240 PS samt entsprechendem Plus an Durchzug.

Früher war ein Jaguar komfortabler

Der Innenraum des neuen Jaguar XF

Was kaum eine andere Marke so virtuos beherrscht wie Jaguar, ist die Klaviatur von Farben und Oberflächen im Innenraum.

(Foto: SOM)

Als Opa noch zur Schule ging, waren die Jaguar-Modelle für ihre Samtpfötigkeit berühmt, für behendes Gleiten und leichtfüßiges Abfedern. Dafür fehlte es seinerzeit an einem soliden Chassis, einer am Geschehen interessierten Lenkung und an standfesten Bremsen. Ein paar Jahrzehnte später haben Tugenden und Schwächen die Plätze getauscht. Die Geschmeidigkeit ist dem neuen XF jedenfalls zumindest dann abhandengekommen, wenn - wie bei den Testwagen - das R-Sport-Paket und die ohne nennenswerte Eigenfederung abrollenden 20-Zöller ein Team bilden. Weil auch die optionalen adaptiven Dämpfer selbst im Komfort-Modus Schlaglöcher nicht mit Daunen auffüllen, ist der Durchschnittskunde mit dem Standard-Fahrwerk vermutlich am besten bedient.

Dafür hinterlässt der Antrieb einen respektablen Eindruck. Das mag zum einen daran liegen, dass die relativ hohen Fahrgeräusche den Motor ohnehin meist übertönen. Zum anderen harmoniert der schon bei niedrigen Drehzahlen lebendige Vierventiler gut mit dem Getriebe, das sich rasch dem Fahrstil anpasst, flink schaltet und immer dann den Gang hält, wenn es Sinn macht.

Der Allradantrieb hat Nachteile

Die Breitreifen sind zwar unkomfortabel, dafür befördern sie den XF, was Grip, Traktion und Straßenlage betrifft, in eine eigene Liga. Obwohl der Wagen bis in den Grenzbereich toll ausbalanciert ist, bereitet das leicht heckbetonte Eigenlenkverhalten immer wieder Freude. Anders die Allrad-Version, die auf hohe Querbeschleunigung passiv reagiert und eher untersteuert. Deshalb bevorzugen wir den mindestens 41 350 Euro teuren Diesel. Seine Vorderachse muss weniger Gewicht tragen, was sie zackiger einlenken und rascher Seitenführung aufbauen lässt. Die Lenkung ist präzise, braucht den richtigen Kraftaufwand und meldet akkurat zurück.

Durch den Wechsel von Stahl zu Alu hat der neue Jaguar 190 Kilo abgespeckt. Das merkt man beim Fahren nicht so deutlich wie beim Tanken, wo ein Normverbrauch von nur 4,0 Liter (E-Variante, Schaltgetriebe) auf dem Papier steht. Auch wenn das im Alltag unerreichbar bleibt, so schafft doch die Sparsamkeit eine gesunde Basis für geringen Wertverlust. Wenn jetzt auch noch die Langzeit-Qualität stimmt, die großen Motoren modernisiert werden und vielleicht noch eine Karosserievariante dazukommt, dann ist der XF schon fast dort, wo er sein will: vor der Höhle der deutschen Premium-Löwen.

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