Talkshow "Hart aber fair":Spiel's noch mal, Plasberg!

Frank Plasberg in "hart aber fair"

Moderator Plasberg: Sendung 172 Tage lang in der Mediathek.

(Foto: Klaus Görgen/WDR)

"Hart aber fair": Nachsitzen in der Gender-Show. Doch was ist, wenn Wolfgang Kubicki wieder männermäßig röhrt und Sophia Thomalla erneut ihre eindrucksvolle Nasenwurzelfaltenmimik offenbart?

Von Willi Winkler

Dass der Mensch dumm ist und dringend der Aufklärung bedarf, ist für uns Kantianer ein gut abgehangener friderizianischer Dreispitz, nur leider wird er immer wieder frisch ausgeklopft und kommt dann wie neu auf den Tisch. Dorthin, auf den Tisch seiner ARD-Talkshow Hart aber fair, stemmte Frank Plasberg vor einem halben Jahr die sogenannte Gender-Problematik. Unterscheiden sich Männer und Frauen jenseits der Biologie? Gibt es Vorurteile? Kann man etwas dagegen tun?

Kann man, vor allem über alles viel zu viel reden. Drei Frauen waren da, zwei Männer, es wurde männermäßig geröhrt, frauenmäßig vernünftelt, es ging also munter hin und her und in die Quer, und wenn es gar zu wirr wurde, ging der Moderator mit einer Statistik oder einem Einspieler dazwischen.

Anton Hofreiter von den Grünen argumentierte als Biologe, Wolfgang Kubicki als Großvater und Parteifreund des Dirndlliebhabers Rainer Brüderle, Anne Wizorek, die den Hashtag #aufschrei begründet hat, zeigte bestechende Grammatikkenntnisse, eine Mutter von vier Kindern, die ein Buch geschrieben hat, fand Gender ganz doof, und die Schauspielerin Sophia Thomalla romyschneiderte sich an den geschmeichelten Kubicki heran.

Erstaunlicherweise fehlte Alice Schwarzer, es wurde also ein lustiger Stammtischabend. Wer die Sendung verpasst hatte, hatte nichts verpasst, abgesehen vielleicht von der ausdrucksvollen Nasenwurzelfaltenmimik von Sophia Thomalla.

172 Tage nach der Ausstrahlung befand der WDR-Rundfunkrat, dass diese Sendung nicht das übliche Stammtisch-Niveau habe, weshalb sie 172 Tage nach der Ausstrahlung aus der Mediathek, in der sie 172 Tage lang nachzusehen war, entfernt wurde.

Könnte das Gender-Beispiel nicht Schule machen - etwa im Bundestag?

Weil sonst grad recht wenig los ist in der Welt, schlagzeilte es sogleich von "Zensur" und schlimmschlimmschlimm. Solche lachhaften Eingriffe kennen die Älteren vielleicht noch aus der Satire Doktor Murkes gesammeltes Schweigen des ehemaligen WDR-Mitarbeiters Heinrich Böll oder aus der Hochzeit der CSU-Herrschaft über den Bayerischen Rundfunk, aber vielleicht wollte der WDR auch nur mal wieder in die Zeitungen.

Jedenfalls scheint den Verantwortlichen in Köln das Echo dermaßen gefallen zu haben, dass sie es bei der Löschung nicht belassen, sondern einer Empfehlung von Studienrat Dr. Sigmund Freud folgen wollen, der vor hundert Jahren die Lernschritte "Erinnern, wiederholen und durcharbeiten" empfohlen hatte.

Am 7. September soll die Sendung nicht etwa wiederholt (sie ist ja gelöscht, wenn auch bei Youtube jederzeit einsehbar), sondern mit dem gleichen Personal nachgearbeitet werden.

Das Gleiche nochmal, nur anders

Als stünde der Euro wieder mal auf der Kippe, werden die Talkshow-Abgeordneten aus dem Urlaub oder einer anderen vernünftigen Tätigkeit zurückgerufen, um das Gleiche nochmal, nur anders zu sagen.

Bis Redaktionsschluss am Mittwoch bestätigten bis auf Frau Wizorek alle Teilnehmer vom März der SZ, dass sie der erneuten Einladung von Hart aber fair folgen wollten. Zur Schadenfreude der Zuschauer können sie am 7. September bei Plasberg wie Schulversager nachsitzen. Der WDR legt Wert darauf, dass "eine finale Gästerunde" noch nicht feststehe. Im Netz und bei Twitter grüßt seither unentwegt das Murmeltier.

Jeder aufgeklärte Mensch (Mann/Frau) wird das aber nur kleinlich finden. Könnte das Gender-Beispiel nicht Schule machen? Hat nicht Immanuel Kant seinerzeit vom Ausgang des Menschen aus der selbstverschuldeten Labersucht gesprochen? Wäre es nicht schön, wenn Hans-Werner Sinn bei einer Zweitfassung noch viel apokalyptischer vom Zusammenbruch des Euro faseln dürfte? Und gewönnen Jürgen Todenhöfers scholllatourige Orienterklärungen bei einer Neuaufnahme nicht ungemein, wenn er sie mit authentischen Schmauchspuren über der Stirn vortragen könnte?

Das Modell ließe sich ohne weiteres auf die Politik übertragen - der Bundestag könnte, wenn wieder nur einfallslose Parteimeinungen vorgetragen wurden, nachsitzen und Brandt- und Wehner-Reden einüben und wahre Sternstunden des Parlamentarismus zustande reden.

Andererseits steht natürlich zu befürchten, dass sie beim WDR-Gender 2.0 nur wieder den gleichen gestanzten Quatsch reden. Obwohl, die Nasenwurzelfaltenmimik Sophia Thomallas wäre jede Wiederholung wert.

Mitarbeit: Korbinian Eisenberger

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