Westbalkan-Konferenz in Wien:Steinmeier: Grenzzäune sind keine Lösung

Johannes Hahn, Frank-Walter Steinmeier

Johannes Hahn, EU-Kommissar für Europäische Nachbarschaftspolitik, und Außenminister Frank-Walter Steinmeier auf der Westbalkan-Konferenz in Wien.

(Foto: AP)
  • Die Flüchtlingskrise beherrscht die Westbalkan-Konferenz in Wien. Die Staaten sind doppelt betroffen: Sie sind sowohl Transit- als auch Herkunftsländer von Flüchtlingen.
  • Serbiens Außenminister kritisiert den ungarischen Zaun an der Grenze zu seinem Land scharf. Unterstützung kommt aus Deutschland: "Wir sind keine Verfechter von Grenzzäunen", sagt Frank-Walter Steinmeier.
  • Die ungarische Regierung plant weitere drastische Maßnahmen: Sie will Grenzjäger gegen Flüchtlinge einsetzen.

Steinmeier fordert faire Verteilung von Flüchtlingen

Die Flüchtlingskrise kann nach Überzeugung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nicht durch Maßnahmen wie den Bau des Grenzzauns in Ungarn gelöst werden. "Wir sind keine Verfechter von Grenzzäunen. Wir glauben auch nicht, dass Grenzzäune am Ende das Thema Migration lösen werden", sagte Steinmeier zum Auftakt der zweiten Westbalkan-Konferenz in Wien.

Tausende Flüchtlinge versuchen derzeit über die sogenannte Balkanroute nach Europa zu gelangen. Allein am Mittwoch sind 3241 Einwanderer über die Grenze zu Serbien in Ungarn angekommen, darunter 700 Kinder - es ist die bislang höchste Zahl an einem Tag. In Wien treffen sich die Regierungschefs von Mazedonien, Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro und Serbien. Die Staaten sind von der Krise gleich doppelt betroffen: als Transit- und Herkunftsländer von Flüchtlingen. Im laufenden Jahr stammten fast 45 Prozent aller Asylbewerber in Deutschland aus diesen sechs Staaten.

Österreich greift Griechenland scharf an

Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz äußerte scharfe Kritik an Griechenland. "Es ist beschämend, dass aus einem EU-Land täglich Tausende Flüchtlinge in ein Nicht-EU-Land weiterströmen, ohne dass wir etwas tun", sagte Kurz in Wien mit Blick auf die Lage an der griechisch-mazedonischen Grenze. Aus dem EU- und Schengen-Staat Griechenland überqueren dort nach Angaben der mazedonischen Regierung etwa 3000 Flüchtlinge täglich die Grenze Richtung Norden.

Kurz warf Griechenland vor, dies sogar noch zu beschleunigen und die Flüchtlinge an die Grenze zu Mazedonien zu bringen. "Das ist beschämend. Da müssen wir als EU gegensteuern. Denn das ist inakzeptabel für Mazedonien", sagte Kurz.

EU-Kommissar verspricht Serbien schnelle Beitrittsverhandlungen

EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn sagte Serbien den raschen Beginn von Verhandlungen über eine Aufnahme in die EU zu. Er lobte, dass Serbien und Kosovo ihre Streitigkeiten beigelegt hätten. Das sei Ergebnis eines neuen Klimas auf dem Balkan. Serbien hat bisher einen EU-Assoziierungsstatus und wartet seit längerem auf die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen.

Der serbische Außenminister Ivica Dacic sagte, die Aufnahme von Beitrittsgesprächen sei auch wegen der Flüchtlingsfrage wichtig. "Ich möchte, dass Sie uns eine klare Perspektive eröffnen statt Zäune zu errichten", erklärte er mit Blick auf den ungarischen Grenzzaun zu Serbien. "Denn was ist das für eine Botschaft für alle, die außerhalb des Zauns leben?", fragte Dacic.

Ungarn greift zu drastischen Maßnahmen

Um den Zustrom einzudämmen, verschärft die ungarische Regierung ihre Grenzpolitik weiter: Von September an setzt sie sechs "Grenzjäger"-Einheiten mit 2100 Mann auf die Flüchtlinge an. Ungarn erwägt sogar einen Militäreinsatz. Wenn der Grenzzaun fertig ist, werden die Flüchtlinge in Serbien bleiben müssen. Der Zaun soll am Montag provisorisch geschlossen werden.

Der serbische Ministerpräsident Aleksandar Vucic erklärte, man könne den Strom nicht mit Zäunen aufhalten. Die Flüchtlinge würden dann andere Wege nach Westeuropa finden, etwa über Bulgarien, Rumänien oder Kroatien. "Wir haben es mit verzweifelten Menschen zu tun, nicht mit Kriminellen und Terroristen (...), sie brauchen Hilfe, nicht Verurteilung und Bestrafung", sagte Vucic. Er forderte die EU auf, einen Flüchtlingsplan für den Balkan zu entwickeln.

UN dringt auf schnelle Einrichtung von Hotspots

UN-Flüchtlingskommissar António Guterres sprach sich für eine schnelle Einrichtung sogenannter Hotspots zur Registrierung von Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen aus. Dabei handelt es sich um von der EU finanzierte Registrierungszentren an den Außengrenzen, in denen die Schutzbedürftigkeit der ankommenden Flüchtlinge vorab geprüft werden soll. Dadurch sollen Menschen ohne Asylgrund gar nicht erst weiter in die EU reisen.

Der Flüchtlingsandrang sei "sicherlich eine ernsthafte Herausforderung für Europa", sagte der UN-Flüchtlingskommissar. Klar sei aber auch, "dass Europa die Größe und die Fähigkeit hat, dieser Herausforderung zu begegnen, solange es geeint ist und die Verantwortung gemeinsam übernimmt". Damit übte Guterres indirekt Kritik an vielen EU-Staaten, die sich gegen eine gleichmäßige Verteilung der Flüchtlinge stemmen. Pläne der EU-Kommission, verpflichtende Quoten für die Verteilung einzuführen, scheiterten am Widerstand Großbritanniens und einer Reihe osteuropäischer Staaten.

Westbalkan-Konferenz soll Reformprozess vorantreiben

Die Westbalkan-Konferenz, 2014 ins Leben gerufen und zunächst bis 2018 terminiert, soll eigentlich den Reformprozess in diesen Staaten unterstützen. Bisher sind nur Slowenien (2004) und Kroatien (2013) in die EU aufgenommen worden.

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