Arbeitszeit:Von wegen faul

  • Sind in Europa die kulturellen Hürden so hoch, dass sich gemeinsam schlecht wirtschaften lässt?
  • Ökonomen aus den USA liefern nun in einer Studie das Indiz, dass wir gar nicht so unvereinbar sind.

Von Thomas Fricke

Sind die Europäer doch zu verschieden, um sich eine Währung zu teilen? Passen die Schotten einfach nicht zu den Briten - und die Briten nicht zum Nicht-Briten-Europa? Und die Katalanen nicht zu den anderen Spaniern? Und die Bayern, na ja. Es scheint im Zeitgeist zu liegen, auf all das eher negativ zu antworten - Tendenz zum Exit mit wechselnden Anfangsbuchstaben: Grexit, Brexit oder Katexit. Dabei ist die große Frage, ob die Menschen wirklich nicht zueinander passen. Ob die kulturellen Hürden so hoch sind, dass sich gemeinsam schlecht wirtschaften lässt.

Für eine grundsätzlich positivere Antwort könnte sprechen, was zwei Forscher der Louisiana State University herausgefunden haben. Die Ökonomen werteten in einer Studie aus, inwiefern die kulturelle Herkunft von Einwanderern in 26 europäischen Ländern deren Arbeitsmoral im neuen Gastland bestimmt. Grundthese: Eigentlich müsste es so sein, dass ein Teil der nationalen Freizeitkultur von den Eltern selbst in zweiter Generation noch auf die Kinder übertragen werde, so Naci Mocan und Luiza Pogorelova. Sprich: wenn etwa die jährlichen Arbeitsstunden im Herkunftsland ziemlich hoch sind, müssten die Eingewanderten auch an neuer Stelle eher viel arbeiten.

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Welchen Stellenwert hat Arbeit?

Um die These zu prüfen, werteten die Ökonomen Umfragen aus, in denen die Menschen in verschiedenen Ländern gefragt wurden, wie wichtig ihnen Arbeit ist, welcher Stellenwert für sie Freizeit habe etc.. Dann wurde die tatsächliche Beschäftigung von 7000 Immigranten zweiter Generation analysiert, deren Eltern aus 81 Ländern nach Europa gekommen waren. Mocan und Pogorelova stellten beides dann gegenüber - und prüften statistisch, ob Einwanderer in zweiter Generation wirklich mehr arbeiten als die Urbevölkerung ihres neuen Heimatlands, wenn der Arbeitsdrang im Land ihrer Eltern besonders ausgeprägt war - und umgekehrt. Und: Fehlanzeige.

Wenn überhaupt, stellten die Forscher einen nennenswerten Einfluss bei Frauen fest. Bei Männern ist das Ergebnis klar: zwischen Herkunftsland der Eltern und Hang zum Arbeiten ist so gut wie kein Zusammenhang erkennbar. Sprich: die Einwanderer zweiter Generation arbeiten in etwa so wie jeder andere in dem Land, in dem sie jetzt leben. Wenn jemand aus dem Freizeit-Armutsland USA nach Deutschland kommt, wird der hier geborene Sohn viel weniger - im Schnitt 17 Prozent - arbeiten als, sagen wir, der Onkel aus Amerika.

Ein Grund weniger für Brexit und Grexit

Den Ökonomen ging es vor allem darum zu zeigen, dass andere Faktoren wichtiger sind, wenn es zu erklären gilt, warum etwa in Schweden mehr gearbeitet wird als in Großbritannien. Einen großen Einfluss habe, wie viele Steuern auf zusätzliches Einkommen zu zahlen seien. Wenn etwa die Belgier viel weniger Stunden im Jahr arbeiteten als die Portugiesen, könnte dies maßgeblich daran liegen, dass die Grenzsteuersätze bei mehr als 50 Prozent lägen - und in Portugal bei 40 Prozent. Und weniger an einer vermeintlich genetisch verankerten Neigung, nicht zu arbeiten. Das könnte auch erklären, warum Zuwanderer am Ende ähnliches Freizeitverhalten zeigten.

Ob so viel an den Steuern hängt, ist unter Ökonomen umstritten. Was die Forscher herausfanden, ist in jedem Fall aber ein Indiz dafür, dass die Kulturen wirtschaftlich doch vielleicht nicht so unvereinbar sind. Dass der Mensch sich in der Regel doch recht schnell anpasst. Und die Herkunft schnell nebensächlich wird - wenn das Geld stimmt. Ein Grund weniger für Grexit, Brexit oder Katexit.

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