Aufnahmerituale für Kölner SEK:Polizisten spielen Indianer

Tsatsiki-Eis von einem fremden Körper essen, Schnaps in der Tauchermaske, lächerliche Kostüme: Ein Bericht zeigt Aufnahmerituale des Spezialeinsatzkommandos der Kölner Polizei.

Von Jannis Brühl, Köln

Wie viel Schnaps denn nun getrunken wurde? Diese Frage konnte Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger nicht klären: "Auch konnte nicht ermittelt werden, ob die Zeugen an diesem Tag die gesamte Flasche Bommerlunder tranken (so der Betroffene) oder einen Großteil wegschütteten (so der zweite Zeuge)", heißt es in seinem Bericht. Auch die Frage, ob die beiden neuen Mitglieder für das Spezialeinsatzkommando (SEK) der Kölner Polizei sich danach übergeben mussten oder nicht, wird nicht eindeutig beantwortet. Dennoch gibt der Bericht des nordrhein-westfälischen Innenministeriums Einblicke in die harten - und teils ekelhaften - Aufnahmerituale der Elite-Polizeitruppe.

Das SEK wird bei den ganz schwierigen Einsätzen gerufen, Geiselbefreiungen etwa. Wer dazu gehören will, muss sich offenbar zunächst einer harten Prüfung unterziehen. Zumindest in Köln. Nur selten dringt etwas davon in die Öffentlichkeit. Im Mai hatte sich ein 33-jähriger SEK-Beamter in einer internen Stelle über Mobbing beschwert - und Köln hatte einen mittelschweren Polizeiskandal.

Der Mann empfand die "Prüfungen" während der inoffiziellen "Probezeit" als Schikane und "menschenverachtend". Dass fast zeitgleich bekannt wurde, dass sich der Chef der Kölner Spezialeinheiten mit Kollegen für ein Abschiedsfoto mit dem Polizeihelikopter auf den Pfeiler einer Rheinbrücke hatte fliegen lassen, half in der Außendarstellung nicht. Wegen der Aufnahmerituale wird das Kommando derzeit nicht mehr eingesetzt. Ein ehemaliger Direktor des Landeskriminalamtes untersucht nun die "Wertvorstellungen" innerhalb des SEK.

Die Rituale

Der Bericht schildert detailliert Aufnahmerituale, mit denen sich die SEK-Beamten der Loyalität neuer Mitglieder versichern - und sich dabei offenbar auf deren Kosten amüsieren:

  • Das Team fuhr zum Canyoning nach Südtirol. Die Neulinge mussten dem Bericht zufolge "Indianerkostüme anlegen und Perücken (blonde Locken bzw. Glatze)" tragen. Der Indianer ist das Symbol des Kommandos. In diesem Aufzug mussten sie "Burpees" machen, Strecksprünge aus dem Liegestütz.
  • Auf Anweisung der dienstälteren Kollegen mussten zwei Neulinge Tag und Nacht eine Kiste tragen, die "circa 2,8 Kilo" wog. Weil sie die Kiste nicht loslassen durften, gingen die beiden auch mindestens einmal zusammen aufs Klo. Vor dem Schlafengehen mussten sie sich mit Handfesseln an die Kiste binden. Allerdings waren die Sicherungsknöpfe der Fesseln nicht gedrückt, so dass die Männer ohne die Kiste am Handgelenk schlafen konnten.
  • Die Anwärter mussten "auf dem Boden vor einem sitzenden Kommandomitglied kniend ein aus einer Tsatsiki-Knoblauch-Chili-Mischung hergestelltes Eis essen, welche ekelerregend schmeckte". Um das ganze noch demütigender zu machen, befand sich das so genannte Eis "zwischen den Oberschenkeln eines der Kommandomitglieder". Unklar bleibt, ob der dienstältere Kollege das Zeug in seinem Schritt hatte oder auf Kniehöhe. Die Aussagen der beiden Zeugen widersprechen sich.
  • In einem anderen Ritual wurde den beiden "eine das gesamte Gesicht bedeckende Tauchermaske übergezogen und durch einen Luftschlauch Alkohol eingefüllt". Im Falle des möglichen Mobbingopfers handelte es sich um "ein Bier-Schnaps-Gemisch". Dabei war dem Bericht zufolge kurzzeitig Zwang im Spiel: "Der Betroffene hob die Maske an, woraufhin eine der anwesenden Personen zunächst die Maske zurückdrückte, dann nahm der Betroffene sie kurzfristig wieder ab, ohne größere Mengen des Bier-Schnaps-Gemischs getrunken zu haben."

Die Konsequenzen

Das Verhalten der Polizisten war nach Auffassung der Aachener Staatsanwaltschaft legal. Sie hat die Ermittlungen gegen zehn Beamte eingestellt. Allerdings hat Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) nun verkündet, dass es disziplinarische Schritte gegen die Beteiligte geben werde. Ihr Verhalten sei "losgelöst von der strafrechtlichen Relevanz, aber eine Frage von Moral und Anstand und beamtenrechtlich in keiner Weise akzeptabel."

Den Mitgliedern des Spezialeinsatzkommandos drohen also doch noch Konsequenzen. Den beiden geschundenen Anwärtern bleiben ihre Indianerabzeichen als Symbol der Aufnahme in das Kommando. Einer von ihnen bezeichnete die Reise anlässlich der Aufnahme "als den Höhepunkt seiner Karriere und ehrenhaftesten Moment". Der andere empfand sie als Erniedrigung.

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