Flüchtlinge:"Die Bürger im Osten sind nicht rassistisch"

Candido Mahoche

Candido Mahoche aus Freital

(Foto: CDU)

Er ist der erste schwarze Braumeister in Sachsen - und CDU-Stadtrat. Seit fast 35 Jahren lebt Candido Mahoche in Freital. Er verteidigt jene, die vor Flüchtlingsheimen protestieren.

Von Yannick Nock

Candido Mahoche kam 1980 als Lehrling aus Mosambik in die DDR. Seit 1981 ist er mit einer Freitalerin verheiratet, sie haben Kinder. In der Freizeit trainiert der 56-Jährige die D-Jugend-Fußballer des Hainsberger SV. Seine Stadt habe sich nach den aufsehenerregenden Protesten gegen Asylsuchende verändert, sagt er. Bekannte grüßten ihn auf der Straße nicht mehr. Doch er nimmt seine Mitbürger in Schutz.

SZ: Herr Mahoche, Sie leben seit mehr als drei Jahrzehnten in Sachsen, wie schätzen Sie die aktuelle Stimmung ein?

Candido Mahoche: Als ich 1980 hier ankam, waren die Menschen auch skeptisch. Damals wurden die Bürger aber gut darüber informiert, welche Personen nun in ihre Stadt ziehen und wie lange sie bleiben. Das hat sicher für mehr Verständnis gesorgt, auch wenn es nicht immer einfach war. Selbst nach der Wende gab es des Öfteren Menschen, die einfach keinen Schwarzen in ihrer Stadt sehen wollten. Das hat sich im Laufe der Zeit aber normalisiert. Dramatisch wurde es erst diesen Frühling.

Damals wurden Flüchtlinge ins ehemalige Hotel Leonardo einquartiert.

Pegida marschierte durch die Stadt, Anwohner wehrten sich gegen die Unterkunft. So etwas habe ich in 35 Jahren nicht erlebt. Das war eine unglückliche Situation. Die Menschen dachten, die Flüchtlinge würden im Luxus leben, was natürlich nicht stimmte. Glücklicherweise hat sich die Situation zumindest in Freital wieder etwas beruhigt.

Haben Sie mit Bekannten über die fragwürdigen Proteste gesprochen?

Ich frage sie, warum sie protestieren. Sie sagten, "Candido, das hat mit dir nichts zu tun." Es könne einfach nicht sein, dass so viele Flüchtlinge nach Freital kommen.

Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie mit Fremdenhass gemacht?

Nichts Schlimmes, bedroht wurde ich nie. Allerdings grüßten mich nach den Protesten plötzlich Bekannte auf der Straße nicht mehr. Andere - die immer gerne auf ein Bier vorbeigekommen sind - blieben der Brauerei fern. Einige haben mich komisch angesehen. Doch das sind meistens Menschen, die mit ihrem eigenen Leben nicht zufrieden sind und die Schuld dann bei Fremden suchen. Seit die Flüchtlinge angekommen sind, ist die Stimmung gereizt. Das merke ich schon.

Die Eltern bringen ihre Kinder aber noch zu Ihnen ins Fußballtraining?

Ja natürlich. Manche wollen sich dann mit mir über die Flüchtlinge unterhalten. Sie sind besorgt, dass Menschen hierherkommen, die gar keine Hilfe benötigen. Einer kam gerade aus seinem Tunesien-Urlaub zurück und fragte, warum Deutschland Tunesier als Flüchtlinge aufnimmt. Und wissen Sie was? Ich kann ihn verstehen. Die Bürger im Osten sind nicht rassistisch. Ich wäre sonst niemals in den Stadtrat gewählt worden. Aber ich gebe zu, dass wir Probleme haben. Es wird immer Menschen geben, die andere wegen ihrer Hautfarbe verurteilen. Das ist aber nicht nur in Freital so, sondern auch in München, Deutschland und ganz Europa.

Im Osten kommt es allerdings öfter zu Übergriffen.

Trotzdem bleibt es eine Minderheit, das dürfen wir nicht vergessen.

Im 20 Kilometer entfernten Heidenau wurde Angela Merkel von Rechten beschimpft. Wie haben Sie den Besuch der Kanzlerin erlebt?

Ich war selber nicht vor Ort, kenne auch niemanden, der dort war. Die Bundeskanzlerin hätte meines Erachtens schon viel früher kommen und die Situation erklären müssen. Nach den Protesten vor dem Hotel Leonardo haben wir in Freital zwei Bürgerversammlungen abgehalten, um den Menschen die Situation darzulegen. Das hat gewirkt. Dasselbe muss auch die Bundesregierung tun. Es heißt immer, es kommen noch mehr Flüchtlinge. Wann ist der Schlusspunkt erreicht?

Sie sagten nach den Protesten: Mein Freital ist ein anderes, nicht rassistisch. Ist Ihr Deutschland auch ein anderes?

Ja und genau das ist der Punkt. Ich weiß, dass die Mehrheit der Deutschen anderen Menschen gerne hilft. Das darf in der aktuellen Debatte nicht untergehen.

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