1. FC Köln gewinnt 2:1:Die Kehrseite des Dusels

Monatelang war der Hamburger SV vom Glück verfolgt. In Köln geht es diesmal anders herum: Der HSV spielt gut - und fährt nach einem fragwürdigen Elfmeterpfiff doch mit leeren Händen heim.

Von Philipp Selldorf, Köln

Der langen Heimreise mit dem Mannschaftsbus nach Hamburg sah Lewis Holtby mit Schrecken entgegen. Es würde eine sehr bedrückte Stimmung herrschen, das wusste er. "Es ist so bitter, es tut so weh", jammerte Holtby, "ich war mir so sicher, dass wir gewinnen würden." Aber der Hamburger SV hatte nicht gewonnen beim 1. FC Köln, sondern 1:2 verloren - und gerade weil die Hanseaten gar nicht schlecht gespielt hatten, waren die Beteiligten so traurig. Fast wünschte sich Holtby, dass es anders gewesen wäre, dass der HSV mal wieder dieses Bild abgegeben hätte, an das man sich seit einigen Jahren gewöhnt hat: "Wenn wir hier eine 0:4-Klatsche bekommen hätten, dann müsste man ja nichts sagen", bedauerte er.

Es herrschte, als das Spiel auf die letzten Minuten zuging, große Aufregung auf der Hamburger Bank. Man war nicht einverstanden mit dem Spielleiter, den der DFB nach Köln geschickt hatte. Zu spüren bekam es der vierte Offizielle Patrick Alt, der zwar völlig unschuldig war, aber trotzdem ständig von den Ersatzspielern und den Mitgliedern aus Bruno Labbadias Trainerstab beschimpft wurde. Er tat das einzig Richtige: Er schimpfte zurück. Nach dem Schlusspfiff verlor Labbadia dann keine Zeit, um dem Schiedsrichter höchstpersönlich mitzuteilen, dass er mit seiner Arbeit unzufrieden war. Mit schnellen Schritten eilte der Hamburger Trainer auf Deniz Aytekin zu, der seinerseits mit ebenso schnellen Schritten das Weite suchte, so dass Labbadia mit sich selbst redete, als er seinen Schmähvortrag hielt.

Ein äußerst zweifelhafter Elfmeter-Pfiff entscheidet die Partie

Was war geschehen? In der 79. Minute ging beim Stand von 1:1 der Kölner Angreifer Anthony Modeste nach einem von Milos Jojic und Philipp Hosiner ziemlich brillant inszenierten Konter auf und davon. Der HSV war weit aufgerückt, nur Emir Spahic blieb übrig, um Modeste zu verfolgen, doch den meterweiten Rückstand konnte er nicht wettmachen. Der Kölner versäumte es freilich, den Ball sauber am Fuß zu führen, so dass die Kugel schließlich hinter ihm war. In diesem Moment stolperte er, und beim Stochern nach dem nunmehr herrenlosen Ball kam es zum Duell mit Spahic. Modeste fiel hin, weil sein Bein die Kniekehle des Hamburgers berührte. Und Aytekin entschied: Rote Karte für Spahic und Elfmeter für Köln.

1. FC Köln - Hamburger SV

Entscheidung vom Punkt: Anthony Modeste schießt Köln zum Heimsieg gegen den HSV.

(Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Das kam durchaus überraschend und rief bei den Hamburgern nicht nur Entsetzen, sondern auch lebhafte Proteste hervor, Holtby war nur einer von vielen Demonstranten, die bei Aytekin vorsprachen: "'Das war nichts, das ganze Stadion hat's gesehen', habe ich zu ihm gesagt, aber er meinte: ,Nee, ganz klar, er trifft ihn unten am Knöchel.'" So war selbst der immer gesprächige Holtby sprachlos: "Da habe ich nur dumm geguckt." Mindestens verblüfft schaute auch der Kölner Trainer Peter Stöger auf die Szene. "Aus meiner Warte war das kein Foul", berichtete er später. Einspruch gegen den Elfmeter hat er jedoch nicht eingelegt.

Hamburg wagt zu viel - und wird für den Übermut bestraft

Modeste, der später auf entsprechendes Befragen erwiderte, er habe "keine Meinung" zu dem Vorfall ("Ich bin kein Schiedsrichter"), nutzte die Chance zum 2:1, und die Kölner wussten kaum wohin in ihrem Glück. Keine fünf Minuten zuvor hatte es so ausgesehen, als würde sich der FC an diesem Nachmittag die Niederlage einhandeln, die ihm durchaus zustand. Dann glich zur allgemeinen Überraschung der eingewechselte Hosiner den Hamburger Führungstreffer von Holtby (47.) aus, und die bis dahin bestenfalls mäßige Partie entwickelte sich zur packenden Angelegenheit.

Der HSV drängte darauf, die unvermittelt eingebüßte Führung gleich wieder herzustellen, was sich als Fehler erweisen sollte. Beim Kölner Konter vor dem 2:1 befanden sich sieben Hamburger Spieler in der gegnerischen Hälfte. "Da haben wir zu viel gewollt", gestand Holtby. Auch nach dem Rückstand und in Unterzahl kamen die Hamburger dem Ausgleich nahe, doch Verteidiger Cléber versäumte den Treffer nach einer Ecke um einen halben Meter. "Das wäre dann typisch HSV gewesen: die Stehaufmännchen-Geschichte", sinnierte Holtby.

Schema & Statistik

Alle Daten und Fakten zum Spiel stehen hier.

René Adler muss verletzt ausgewechselt werden

Die Kölner wussten, dass sie reich belohnt worden waren für ihren eher schwachen Auftritt. Gegen einen dezidiert defensiven HSV kam der FC während der ersten Hälfte zu keiner einzigen Torchance, auch der Versuch des Sturmlaufs nach dem 0:1 misslang weitgehend. Stöger hatte im Laufe der Partie zur totalen Offensive geblasen, bis er schließlich sämtliche Zugänge auf den Platz geschickt hatte (Sörensen, Heintz, Bittencourt, Jojic, Hosiner), aber der Hamburger Ersatztorwart Andreas Hirzel, der ab der 40. Minute den schulterverletzten René Adler vertrat, bekam bei seinem Bundesligadebüt nichts zu halten.

Bei Hosiners 1:1 war Hirzel dann machtlos, beim Elfmeter sowieso. "Heute hatten wir mal das Glück auf unserer Seite. Wir haben das Spiel durch den Kampf gedreht, spielerisch lief es heute nicht so gut", stellte der Kölner Torwart Timo Horn fest, "der HSV war sehr gut heute, einen Punkt hätten sie sicherlich verdient gehabt." Dass just der finstere Hamburger Abwehrchef Emir Spahic für ein Foul büßen musste, das er nach Lage der herrschenden Meinung gar nicht begangen hatte, ist einerseits natürlich ungerecht. Und andererseits die verdiente Strafe für seine vielen Sünden, die in all den Jahren ungeahndet geblieben waren.

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