Vasiliki Thanou:Griechenlands Frau Nummer Eins

Vassiliki Thanou

Vassiliki Thanou ist in der Rolle der Pionierin bereits geübt.

(Foto: Bloomberg)
  • Vasiliki Thanou, Chefin des höchsten griechischen Gerichtshofs, wurde vom griechischen Staatspräsidenten zur Bildung einer Übergangsregierung beauftragt.
  • Die 65-Jährige war in ihrem Leben mehrmals als erste Frau in einem Amt.
  • Mit ihrem Expertenkabinett können wohl sowohl die meisten Parteien in Griechenland, als auch die Gläubiger leben.

Von Luisa Seeling

Eigentlich sollte es keiner besonderen Erwähnung bedürfen, wenn im Jahr 2015 eine Frau die Regierungsgeschäfte eines europäischen Landes übernimmt. Im Fall von Vasiliki Thanou ist es aber doch bemerkenswert, nicht nur, weil nun die Griechen zum ersten Mal von einer Frau regiert werden, sondern auch, weil Thanou schon oft die erste Frau in einem Amt war: Als erste Frau führte sie den Verband der griechischen Richter, als erste Frau wurde sie Chefin des höchsten griechischen Gerichtshofs, des Areopag. Die 65-Jährige ist sich ihrer Vorreiterrolle bewusst, über ihre Zeit als junge Richterin in den Siebzigerjahren sagt sie: Die männlichen Kollegen seien damals nur schwer von ihrer juristischen Qualifikation zu überzeugen gewesen. Jetzt sei sie "stolz, dass mehr als 65 Prozent der Richter in Griechenland Frauen sind".

Griechenlands Verfassung sieht vor, dass eine Übergangsregierung von einem der höchsten Richter geführt wird, und so beauftragte am Donnerstagabend der Staatspräsident Thanou mit der Bildung des Kabinetts. Es soll das Land führen, bis sich nach vorgezogener Neuwahl eine Regierung gebildet hat. Geplant ist die Wahl für den 20. September, doch nicht wenige glauben, dass Thanous Amtszeit länger dauern könnte. Wenn der zurückgetretene Premier Alexis Tsipras keine absolute Mehrheit erzielt und seine linke Syriza auf einen Koalitionspartner angewiesen ist, könnten sich die Gespräche hinziehen, sogar eine weitere Wahl ist denkbar. Eine aktuelle Umfrage sieht Tsipras zwar vorne, für eine Alleinregierung aber dürfte es nicht reichen.

Aus Unzufriedenheit über die Sparpolitik wechselte sie ins Syriza-Lager

Vasiliki Thanou ist auf der Insel Euböa geboren, sie hat in Athen und Frankreich Jura studiert und wurde 1975 Richterin. Die verheiratete Mutter dreier Kinder gilt als Kämpferin für die Belange ihres Berufsstands, vehement hat sie sich gegen die Kürzung der Richter- und Staatsanwaltsgehälter ausgesprochen. Auf Fotos aus dem Jahr 2012 sieht man sie in schwarzer Robe und mit entschlossenem Gesichtsausdruck auf einer Kundgebung, damals protestierte die Vorsitzende der Richter-Vereinigung gegen Budgetkürzungen am Obersten Gerichtshof.

Thanou stand als Mitglied der Richtergewerkschaft der sozialdemokratischen Pasok-Partei nahe, doch wie viele andere wechselte sie aus Unzufriedenheit über die Sparpolitik ins Syriza-Lager. Im Februar dieses Jahres schaltete sich Thanou auf europäischer Ebene in die Debatte ein: In einem Brief an den Präsidenten der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, forderte sie das Ende des Sparkurses in Griechenland. Dieser habe zur Verelendung ihres Volkes geführt.

Von Thanou hieß es, sie genieße das Vertrauen der Tsipras-Regierung

Thanous Ernennung zur Präsidentin des Aeropag am 1. Juli dieses Jahres - seit 2014 war sie dort Vize-Chefin - hatte in Griechenland Diskussionen ausgelöst. Zwar war ihr Vorgänger regulär in Rente gegangen, dass seine Stellvertreterin nachrückte, war zunächst einmal naheliegend. Doch Thanous Berufung an die Spitze kam zu einer Zeit, als das Gericht die Rechtmäßigkeit des Referendums am 5. Juli prüfen musste. Tsipras hatte die Volksabstimmung gegen den Widerstand der Opposition angesetzt. Von Thanou hieß es, sie genieße das besondere Vertrauen der Regierung. Der Rest ist bekannt: Das Referendum fand statt.

Am Freitag hat Thanou ihr Übergangskabinett berufen. Wichtige Posten hat sie mit Experten besetzt, mit denen wohl die meisten Parteien gut leben können. Außenminister wird der altgediente Diplomat Petros Molyviatis. Das Finanzministerium wird Giorgos Houliarakis führen, ein Ökonom, der als Mitglied des griechischen Unterhändlerteams bereits mit den internationalen Kreditgebern verhandelt hat und deren Vertrauen genießen soll. Man kann diese Personalie als Signal der Beruhigung an die Geldgeber verstehen. Diese befürchten seit Tsipras' Rücktritt, Athen könnte sich aus den mühselig ausgehandelten Reformvereinbarungen verabschieden.

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