Kommentar:Hunde grillt man nicht

Kommentar: Christian Weber mag kontroverse Diskussionen. Aber irgendwann reicht’s.

Christian Weber mag kontroverse Diskussionen. Aber irgendwann reicht’s.

Wer im Urlaub ein gratiniertes Meerschweinchen auf der Speisekarte entdeckt, darf getrost verzichten. Bei aller Irrationalität der heutigen Tierliebe: In einer Welt wie unserer braucht es noch ein paar Tabus.

Von Christian Weber

Etwas weiter weg im Urlaub gewesen, gegrilltes Meerschweinchen auf der Speisekarte entdeckt, trotzdem nicht bestellt. Gerade deshalb ein Anlass, über das Wesen der Mensch-Tier-Beziehung nachzudenken: Was spricht eigentlich dagegen, als bekennender Karnivore ein Nagetier zu verzehren, das auch nicht klüger, liebenswerter oder leidensfähiger ist als etwa ein Kaninchen, welches - in Weißweinsoße gegart -durchaus zum gastronomischen Angebot in Mitteleuropa gehört? Ein Besuch in Peru zeigt auf drastische Weise die viel beschriebene Willkür und den Werterelativismus, den der Mensch nicht nur in der Küche pflegt, sondern auch bei sich zu Hause und im wissenschaftlichen Labor: Es hat schon seinen Grund, wieso Schafe und Schweine ihr Leben für den medizinischen Fortschritt lassen. Hunde haben nun mal die bessere Lobby.

Natürlich ließen sich mit den Heiligen Kühen Indiens viele Hamburger belegen

Die interessante Frage ist, ob man anhand dieser Befunde im Sinne einer rationalen Ethik gegen den Speziesmus in Gastronomie und Forschung argumentieren muss. Mit anderen Worten: Gibt es vernünftige Gründe, Hunde nicht zu grillen? Interessanterweise ist es kaum im kollektiven Gedächtnis verankert, dass noch 1913 allein in München 17 Hundemetzger ihr Handwerk verrichteten. Erst 1986 wurde das Schlachten von Hunden und Katzen in Deutschland gesetzlich verboten. Was also spräche dagegen, dass die Zoofachgeschäfte beim Verkauf von Meerschweinchen gleich ein Kochrezept mitgeben? Schließlich sind die Tiere bald nur noch unwillig geduldete Gäste im Kinderzimmer und werden schutzlos im nächsten Gebüsch ausgewildert. Der Kochtopf scheint da bisweilen als die humanere Lösung.

Doch selbst wenn es verlockend ist, sich über die unterkomplexe Tierliebe vieler Menschen lustig zu machen: Man sollte das Unbehagen gegenüber dem gekochten Haustier ernst nehmen, indem man das Thema religionswissenschaftlich betrachtet. Es geht um den Wert von Tabus. Man kann sie auch als fleischessender Agnostiker befolgen. Mit dem Grillen von Hunden und Meerschweinchen verhält es sich dann so wie auch mit vielen religiös begründeten Speiseregeln. Inhaltlich oder gesundheitlich sinnvoll sind diese Vorschriften - zumindest heute - nicht mehr. Zugleich bleiben sie aber ein Korrektiv in einer durchrationalisierten Gesellschaft. Natürlich ließen sich mit den heiligen Kühen Indiens viele Hamburger belegen. Doch wäre es ein Gewinn für das Land, wenn die anarchistischen Rinder nicht mehr den Verkehr stören würden? So haben auch Haustiere in westlichen Industriegesellschaften Funktionen als Familienmitglieder und Lebensgefährten, die sich mit ihrem Verzehr nicht vertragen.

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