Emre Can in der DFB-Elf:Actionheld aus Liverpool

Emre Can

Emre Can, der Neue bei Löw

(Foto: dpa)
  • Joachim Löw beruft Emre Can für die Qualifikationsspiele gegen Polen und Schottland in die Nationalmannschaft.
  • Der 21-Jährige überzeugt mit seinen Leistungen in Liverpool - nun soll er die Abwehrprobleme der Nationalmannschaft beheben.
  • Für die rechte Verteidigerposition hat der Bundestrainer neben Can weitere Optionen.

Von Philipp Selldorf, Frankfurt

Die Zeitung Echo aus Liverpool hat vor ein paar Monaten berichtet, Passagiere einer Fähre über den Mersey River hätten in der Nähe der Docks einen großen weißen Hai im Fluß gesichtet, das Blatt belegte die aufregende Nachricht mit "erstaunlichem Material von Amateur- filmern".

Am selben Tag enthüllte eine türkische Publikation eine zweite Neuigkeit, die in Liverpool für Aufsehen sorgte: Emre Can, 21, Profi des FC Liverpool, habe beim Stöbern in alten Familienalben eindeutige Hinweise auf seine entfernte Verwandtschaft mit dem populären chinesischen Schauspieler Jackie Chan entdeckt.

Anderntags stellte Echo zwar klar, dass der weiße Hai bloß ein Beitrag zum jährlichen Tag der Narren gewesen war, und dass Cans Verwandtschaft mit Chan ebenfalls auf einem Aprilscherz beruhte. Aber eine entfernte Ähnlichkeit zwischen Can und Chan lässt sich durchaus kreieren.

Can als draufgängerischer Solist

Während Jackie Chan berühmt dafür ist, dass er viele der verrückten Action- szenen in seinen Filmen ohne die Hilfe von Stuntmen selbst verkörpert, zeichnet sich auch Emre Can auf dem Fußballplatz durch ausgeprägtes Draufgängertum aus. Can liebt es, lange Alleingänge durch das Mittelfeld zu unternehmen, nicht immer zur Freude seiner Trainer. Die Neigung, die Initiative zu ergreifen, gehört jedoch ebenso zu den unveränderlichen Merk- malen in Emre Cans Spiel wie der Hang zum dominanten Auftritt.

Am vorigen Montag hat Can jedenfalls einen besonders guten Eindruck beim Trainer hinterlassen, und zwar beim Bundestrainer Joachim Löw, der den 21-Jährigen in London während der Partie zwischen dem FC Arsenal und dem FC Liverpool (0:0) begutachtete und prompt in sein Aufgebot für die beiden EM-Qualifikationsspiele gegen Polen in Frankfurt und gegen Schottland in Glasgow berufen hat.

Emre Can, in Frankfurt geboren und als 15-Jähriger von der Eintracht ins Internat des FC Bayern gewechselt, könnte schon am kommenden Freitag der nächste Debütant der Ära Löw werden, er wäre die Nummer 76. Sein Vorzug: Er findet sich auf allen Positionen in der Defensive zurecht, in Leverkusen wurde er auf beiden Außen- positionen wie auch als Innenverteidiger eingesetzt. "Er ist variabel, seine Präsenz und Dynamik gefallen uns", erklärte Löw. Als eigentliche Wunschheimat gibt Can allerdings das Mittelfeld an.

Das hat Löw mit seinem Kader vor

23 Profis hat Löw für den Doppelspieltag einbestellt, der Überraschungsfaktor hält sich in Grenzen. Erwartungsgemäß haben Löw und sein Stab der späten Karriere von Roman Weidenfeller im deutschen Tor ein Ende gesetzt. An seine Ersatzmann-Stelle tritt, auch nicht unerwartet, Marc-André ter Stegen. Diskussionen wird es trotzdem geben, kaum allerdings um Weidenfeller, dem Torwarttrainer Andreas Köpke höflich mitteilte, man ziehe "im Moment" die jüngeren Bewerber vor.

Wobei "im Moment" eine maximal sanfte Formulierung ist angesichts der Tatsache, dass Weidenfeller auch in Dortmund klaglos den Posten auf der Bank bezogen hat. Einspruch wird es hingegen bei den Befürwortern des Leverkuseners Bernd Leno geben, nachdem nun ter Stegen Einzug ins A-Nationalteam hält, obwohl er im heimischen Verein lediglich eine (gehobene) Stellvertreterrolle einnimmt.

Den Bundestrainer sorgen die Außenverteidiger

Die DFB-Trainer ziehen jedoch für den Saisonstart die vertrauten Akteure vor. So erhielten André Schürrle, in Wolfsburg zuletzt eine Randerscheinung, und Lukas Podolski quasi gewohnheitsmäßig ihre Reisetickets. Podolski hat zwar mit dem Wechsel zu Galatasaray Istanbul erreicht, dass er wieder regelmäßig am Spielbetrieb teilnimmt, durch Höchstleistungen ist er in der türkischen Süper Lig aber noch nicht aufgefallen.

Offenbar soll Podolski nicht entmutigt werden. Neben Bastian Schweinsteiger ist er der einzige Gefolgsmann, der schon 2004 zum Aufgebot gehörte, als Löw den Dienst beim DFB antrat. Dass Julian Draxler, in Schalke zuletzt im Aufschwung, keine Einladung erhielt, ist wohl ebenfalls als Motivationshilfe zu verstehen, wenn auch auf die gegenteilige Art: Löw will den 21-Jährigen, dessen Fähigkeiten er schätzt, mit Nachdruck zu konstanten Leistungen anregen.

Mehrere Kandidaten als rechter Verteidiger möglich

Besetzungsexperimente wird Löw in den beiden Schlüsselpartien um das Fortkommen aus Gruppe D nicht eingehen. Sorgen hat er bloß um die Außenpositionen der Verteidigung. Während der Kölner Jonas Hector als Linksverteidiger sozusagen ein Monopol besitzt, könnte Emre Can auf der rechten Seite zur Premierenehre gelangen.

Neben ihm bietet sich außer Sebastian Rudy vor allem der Rückkehrer Matthias Ginter an, der unter Thomas Tuchel in Dortmund schnell Karriere gemacht hat. Bis der neue Trainer kam, wurde Ginter bei der Borussia als kost- spieliger Fehleinkauf gehandelt, neuerdings hat er sich auf der Position bewährt, auf der er während der WM 2014 nicht spielen wollte, weil er sich dort nicht wohlfühlte: als Rechtsverteidiger.

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