Umstrittene Äußerung in Talkshow:Die ungeheure Schlichtheit von Minister Herrmann

Hier die Guten, da die Schlechten: Man kann Angst bekommen, wenn man hört, wie ein CSU-Politiker über Vertriebene und Flüchtlinge spricht.

Kommentar von Franz Kotteder

Das Problem mit manchen Bayern ist, dass sie versuchen, sich klar und deutlich auszudrücken. Ein Problem ist das deshalb, weil dabei oft ein ungeheurer Schmarrn herauskommt. Ungeheuer ist das, weil sich in den Äußerungen gerne eine Schlichtheit des Denkens offenbart, vor der man direkt Angst bekommen könnte. Insbesondere, wenn es sich um einen Regierungs-Bayern handelt, der diese Äußerung tätigt.

Am Donnerstag entdeckten österreichische Polizisten in einem abgestellten Lastwagen die Leichen von 71 vermutlich syrischen Flüchtlingen, sie waren erstickt. Am selben Tag kenterten vor der libyschen Küste zwei Flüchtlingsboote, etwa 200 Menschen kamen ums Leben.

Es lohnt sich, über Herrmanns Aussage nachzudenken

Am Abend dieses Tages saß der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in der ZDF-Talkshow von Maybrit Illner und sagte, der Vergleich von Vertriebenen mit Flüchtlingen sei "eine Beleidigung für die Vertriebenen". Das ist eine Aussage, wie man sie von Herrmann erwarten darf, aber es lohnt sich dennoch, darüber nachzudenken. Er sagte ja nicht, so ein Vergleich hinke, etwa aus historischen Gründen oder weil die heute Vertriebenen aus einem ganz anderen Kulturkreis kämen. Darüber kann man diskutieren, wenn man spitzfindig sein will.

Aber Herrmann fällte ein klares Werturteil: hier die Guten, da die Schlechten. Mit jemand anderem verglichen zu werden, kann ja nur dann eine Beleidigung sein, wenn man diesen für minderwertig hält. Was unterscheidet nun die vom Bürgerkrieg aus Syrien oder Libyen Vertriebenen, oder auch die verfolgten Roma aus dem Balkan, von den Flüchtlingen aus den deutschen Ostgebieten von 1945? Die drohenden Gefahren können es nicht sein. Es wird sich bei dem minderen Wert doch nicht etwa um die fremde Sprache, gar das Fremde an sich handeln?

Da wäre man dann leider nicht mehr weit entfernt vom Horizont eines Pegida-Nazis. Das soll jetzt um Himmelswillen kein Vergleich sein: Herrmann empfände einen solchen womöglich als beleidigend, denn er verurteilt ja auch öffentlich den Terror gegen Flüchtlingsheime. Das Dumme ist aber, dass man als Bayer vom Rest der Republik jetzt wieder dauernd mit seinem Innenminister verglichen wird. Eine Beleidigung ist das vielleicht noch nicht. Aber kurz davor.

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