Finale von Promi Big Brother:Sieg des Grundguten

Promi Big Brother - Finale

Gewonnen: Der Fussballer David Odonkor freut sich über seinen Sieg bei der Show Promi Big Brother.

(Foto: dpa)

Er war der begnadete Flankengeber aus dem Polenspiel beim Sommermärchen 2006. Jetzt hat der Fußballer David Odonkor Promi Big Brother gewonnen. Weil er so ist, wie ihn der Sender brauchen kann.

Von Hans Hoff

"Ich will damit nichts mehr zu tun haben. Ehrlich nicht. Mit diesem Scheißhaufen." Mitte der Woche gelang dem Schlagersänger Nino de Angelo bei "Promi Big Brother" eine großartige Ehrlichkeitssimulation. Er verdrückte sich ordentlich alkoholisiert in einen Abstellraum und redete siebeneinhalb Minuten wirr mit einer Papiertüte, die er Rudi nannte.

"Wer hat dich so zugerichtet. Sag es mir", wollte er schluchzend von der mit einem Gesicht verzierten Tüte wissen und lieferte damit vielleicht nicht das ganz große Drama, aber immerhin doch eine tolle Indoor-Version von Tom Hanks' Wilson-Monolog im Film "Cast Away". Gewonnen hat er den Wettbewerb um den Titel des beliebtesten Verhaltensauffälligen trotzdem nicht. Die Siegprämie von 100 000 Euro durfte am späten Freitagabend der als Fußballer bekanntgewordene David Odonkor mit nach Hause nehmen.

Es braucht ein paar bekannte Durchgeknallte

Nach zwei komplett misslungenen Staffeln von "Promi Big Brother" sieht es ganz so aus, als habe man bei Sat.1 dazu gelernt, als wisse man nun, dass solche Menschen-in-Kisten-Experimente vor allem dann funktionieren, wenn es gelingt, die Rollen deutlich zu verteilen. Es braucht halt ein paar mehr oder weniger bekannte Durchgeknallte, ein paar oft Operierte, unreife Gören aus Playboy und Reality-Soap, eine Berufszicke, ehemalige Straffällige und einen Grundguten, der die 14 Tage stoisch durchhält, selten viel sagt und sich nie von der Rolle des Bescheidenen abbringen lässt. Odonkor hat diese Rolle gut gespielt.

Natürlich wird niemand zugeben, dass der begnadete Flankengeber aus dem Polenspiel beim Sommermärchen 2006 während seiner zweiwöchigen Kasernierung nur eine Rolle gespielt hat. Offiziell mussten alle sagen, dass er sich genau so verhalten hat wie er auch im Alltag ist. "Er war immer ehrlich, er war immer direkt", faselte Moderator Jochen Schropp bei der Siegerehrung, was den anderen elf Kandidaten natürlich indirekt unterstellte, dass sie über just diese Vorzüge nicht verfügten.

Odonkor ist so wie der Sender ihn brauchen kann

Es spielt aber ohnehin keine Rolle, ob irgendeiner der Show-Insassen so ist, wie er sich gezeigt hat. Er ist so, wie der Sender ihn brauchen kann. Rollen weisen die Produzenten zu, wenn sie gesehen haben, was die einzelnen Kandidaten dieses aufgeblasenen Kasperletheaters einzubringen haben. Manche Rollen müssen sich erst finden, andere stehen zeitig fest und werden musikalisch herausposaunt. So lief bei Szenen mit dem früh als Don Promillo abgestempelten Nino de Angelo gerne das Thema aus "Der Pate". So macht man das halt beim Fernsehen, wenn ein in Karlsruhe geborener Sänger einen italienischen Namen trägt.

Eine doppelte Portion Klischee muss halt sein. Dementsprechend wurden die Bilder vom Einzug der später als Giftnatter apostrophierten Desirée Nick mit dem Miley-Cyrus-Song "Wrecking Ball" unterlegt. Schließlich hat Frau Nick den Ruf, ihre Reden gerne mal als Vernichtungsfeldzug anzulegen. Ihr oblag es zudem von Anfang an, Emotionen aller Art in den Fokus zu zerren und dafür zu sorgen, dass die Show genug bekommt von den medial lebenswichtigen Elementen Verrat, Enttäuschung, Tränen und Hass.

Bei Männern wird gerne die Drogenvergangenheit thematisiert

Sind erst einmal alle gefühlstechnisch durchgerüttelt, fällt es leichter, Homestories aus den mentalen Oberstübchen zu liefern. Schließlich muss bei den Frauen auch noch dringend geklärt werden, ob sie was an und für sich haben machen lassen, während bei den Männern gerne die Drogenvergangenheit thematisiert wird. Die Annahme, etliche Koksdealer hätten während der 14 Sendetage über massive Absatzprobleme zu klagen gehabt, erwies sich indes als falsch, denn alle entsprechend vorbelasteten Bewohner schworen Stein und Bein, dass ihre Suchtberichte ausschließlich von einer fernen Vergangenheit genährt werden. Und wenn sie das sagen, wird das schon stimmen.

Auch die Wortwahl im Big-Brother-Haus scheint sich festen Regeln zu fügen. Ganz wichtig ist offenbar, dass die Kandidaten alle paar Minuten "Alter" sagen, und wenn sie gerade nicht "Alter" sagen, dann berichten sie ungefragt, wie stolz sie gerade auf sich sind, dass sie das alles durchhalten und dass sie unbedingt zeigen wollen, wie sie wirklich sind.

Von einer neuen Chance, die er gerne hätte, schwafelte etwa der mit dem Gesetz schon mehrfach kollidierte DSDS-Teilnehmer Menowin, während es Odonkor da schon nüchterner angehen ließ. Er wolle seinen Keller ausbauen, sagte er auf die Frage, was er denn mit der Siegerprämie anfangen werde. Das war ein guter Witz, weil zu dem Zeitpunkt längst alle Bewohner den Luxusbereich hatten verlassen müssen und in einer Art Kellerverlies vor sich hin vegetierten.

Eine Schwäche war Moderator Jochen Schropp

Natürlich hatte diese Staffel trotz sehr guter Quoten und gekonnter Konzeptumsetzung auch ihre Schwächen. Eine davon war auf jeden Fall der Moderator Jochen Schropp, der mit meist hängenden Armen und seelenlosem Gestammel als traurigste Träne in den Ozean der Promi-Peinlichkeiten tropfte. Wenn er etwa die vergangenen 14 Tage lobte als "zwei Wochen voller Emotionen und voll ganz viel Spannung" konnte man leicht auf die Idee kommen, dass die alternative Verpflichtung eines Reissacks als Moderator durchaus einen Gewinn an Charisma und Sprachgewalt bedeuten könnte.

Auch die blutleeren Möchtegerngags von Cindy aus Marzahn boten wenig Grund zur Freude. Sie deuteten eher darauf hin, dass es bei der rosa XXL-Prolline karrieretechnisch auch gerade nicht so ganz dolle läuft. Wer sich derart als bollerige Zwischenruferin verdingen muss, scheint es zu brauchen und läuft damit Gefahr, demnächst selbst in der Kategorie berühmt-wegen-irgendwas auf der Kandidatenliste von Promi Big Brother zu landen.

Gesichtslose Gruselstimme

"Die Talkshows, der Boulevard und eure Fans warten auf euch", sagte die gesichtslose Gruselstimme von Big Brother am Schluss der letzten Show, und das darf man ausnahmsweise mal als tatsächlich wahr nehmen. Ein, zwei Wochen werden die Sarahs, Menowins und Davids durch die Morgenmagazinhölle gehen und von ihren Großtaten erzählen dürfen. Danach werden sie dem Vergessen zum Fraß vorgeworfen.

Nur für Nino de Angelo könnte die Sache besser ausgehen. Vielleicht wird sich seine aktuelle Platte, die er mit dem Aufenthalt im TV-Knast bewerben wollte, nicht unbedingt besser verkaufen, aber es könnte durchaus sein, dass das eine oder andere Stadttheater anklopft und ihn für die Bühne will. Wenn man gesehen hat, wie er Odonkor anfuhr, weil der es gewagt hatte, ihn für den Rauswurf zu nominieren, kann man nur wollen, dass der Mann sein Talent nicht länger mit singen vergeudet. "Du hast mir den Dolch in mein Scheißherz reingestochen", herrschte er den Fußballer an. Spätestens da war klar, dass niemand mehr Hamlet braucht, wenn er Nino de Angelos furiosen Rudi-Monolog haben kann.

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