Tennis:Viel zu schultern

Tommy Haas will bei den US Open beweisen, dass er mit 37 Jahren noch nicht reif für die Rente ist. In Runde eins wartet ein unbequemer Gegner.

Tommy Haas betrieb eindrucksvoll Werbung in eigener Sache. Mit nacktem Oberkörper trainierte der gertenschlanke Routinier kurz vor den am Montag beginnenden US Open hochkonzentriert auf dem Grandstand - und wurde belohnt: Gute Ballwechsel quittierten die zahlreichen Fans mit Applaus und "Tommy"-Rufen. Beim letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres will der 37-Jährige in seiner amerikanischen Wahlheimat zum wiederholten Mal beweisen, dass er noch nicht ins Altlager gehört. Immer wieder waren zuletzt Gerüchte aufgekommen, Haas könnte die große Bühne in New York nutzen, um nach einem Aus in Flushing Meadows die 20 Jahre währende Tennis-Karriere dann doch mal zu beenden.

Doch der unermüdliche Kämpfer denkt offenbar weiterhin nicht an die Rente. "2016 möchte ich auf jeden Fall nochmal für Deutschland antreten", sagte Haas jüngst. Damit scheint auch seine Ankündigung hinfällig zu sein, erst am Ende der Saison über eine Fortsetzung der Karriere zu entscheiden. Sein Trainer Alexander Waske jedenfalls traut der ehemaligen Nummer zwei der Weltrangliste noch einiges zu: "Man muss lange suchen, um jemanden in Tommys Alter zu finden, der so athletisch ist", sagte Waske dem "Tennis Magazin".

Nach der vierten Operation fällt der Aufschlag als Waffe weg

Doch das große Problem ist nicht die konditionelle Verfassung von Haas, sondern seine mittlerweile viermal operierte rechte Schulter. "Ich brauche einfach Geduld. Jedes Match, jeder Sieg hilft mir enorm", sagt der notorisch ungeduldige Haas, dessen einst so zielführender Aufschlag zuletzt nur noch selten die 180-Stundenkilometer-Marke erreichte. Seitdem der Vater der vierjährigen Valentina im Juni beim Turnier in Stuttgart nach 378-tägiger Verletzungspause ein Comeback gefeiert hat, gewann er von neun Matches nur drei.

Day Three: The Championships - Wimbledon 2015

Beendet Tommy Haas seine zwanzig Jahre währende Profikarriere nach den US Open? In Form scheint er jedenfalls nach wie vor zu sein.

(Foto: Ian Walton/Getty Images)

Dennoch rechnet auch Davis-Cup-Teamchef Michael Kohlmann nicht damit, dass Haas nach dieser Saison seine Karriere beendet. "Ich glaube, dass er weitermacht. Ich traue ihm auch noch einiges zu", sagte Kohlmann und fügte hinzu: "Mit seinem Willen wird es Tommy schaffen, auf seine Art zurückzukommen." Als Beweis für diese Einschätzung sieht Kohlmann die Tatsache, dass Haas wochenlang mit Konditionstrainer Christian Rauscher ackerte: "Sein Hauptfokus lag immer auf den US Open." Es ist das 17. Mal, dass der "ewige Tommy" beim schillerndsten Major-Turnier antritt. Dreimal stand er im Big Apple bereits im Viertelfinale - zuletzt 2007. Schon in der ersten Runde steht eine hohe Hürde im Weg: Auf die derzeitige Nummer 497 des Rankings wartet der unbequeme Spanier Fernando Verdasco (Nr. 42).

Ein paar Fans sind Haas zu allem Überfluss auch noch von der Fahne gegangen, nachdem er jüngst auf Instagram ein Bild von sich und dem umstrittenen US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump veröffentlichte. Haas schrieb dazu: "Mach, dass Amerika wieder großartig wird. Gedanken? Vorschläge?" Dieser Eintrag löste eine Welle der Empörung aus. Der 37-Jährige will darüber derzeit nicht mehr reden. Und wenn einer erfahren genug ist, um derartige Nebengeräusche vor dem letzten Höhepunkt des Jahres auszublenden, dann er. Das wird Haas im Winter seiner Laufbahn auch müssen, will er nicht die letzte Hoffnung auf einen standesgemäßen Abschied verlieren.

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